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17.11.2009 · IWW-Abrufnummer 093690

Amtsgericht Berlin Tiergarten: Beschluss vom 07.08.2009 – (420) 81 Js 2862/08 LS (1/09)

(Vor-)Verfahrens- und Grundgebühr entstehen bereits dann mehrfach, wenn ursprünglich getrennte Ermittlungsverfahren bereits vor Anklageerhebung durch die Staatsanwaltschaft verbunden werden. Es kommt allein darauf an, in welchem Verfahrenszeitpunkt der Verteidiger sich gemeldet hat und tätig geworden ist.


Amtsgericht Tiergarten

Beschluss

Geschäftsnummer: (420) 81 Js 2862/08 Ls (1/09)

Datum: 07.08.2009

In der Strafsache XXX

wegen räuberischer Erpressung pp.

wird auf die als Beschwerde bezeichnete Erinnerung des Verteidigers vom 27.07.2009 eine weitere ihm zu zahlende Vergütung aus der Landeskasse in Höhe von 335,89 € festgesetzt.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

G r ü n d e:

Auf den Kostenfestsetzungsantrag des (beigeordneten) Verteidigers vom 15.06.2009 hat die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle mit Beschluss vom 15.07.2009 die Kosten auf insgesamt 1.063,44 € festgesetzt und diesen Betrag zur Zahlung angewiesen. Dabei hat sie im Wesentlichen eine Grund- und Verfahrensgebühr nebst diesbezüglicher Post- und Telekommunikationspauschale und anteiliger Umsatzsteuer von den beantragten Gebühren abgesetzt und dies damit begründet, dass zwei ursprünglich gesonderte Ermittlungsverfahren, in denen sich der Verteidiger jeweils gemeldet hatte, bereits vor Anklageerhebung durch die Staatsanwaltschaft verbunden worden sind und daher insoweit (Vor-)Verfahrens- und Grundgebühr sowie Post- und Telekommunikationspauschale nur einmal anfallen würden.

Diese Auffassung ist unzutreffend.

a) Zum Verfahrensgang:
In dem staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren zum ursprünglichen Aktenzeichen 13 Ju Js 1676/08 (Raubvorwurf vom 25.05.2008) hat sich der Verteidiger mit Schriftsatz vom 15.07.2008 – noch gegenüber der Polizei – gemeldet, Akteneinsicht beantragt und erklärt, dass sein Mandant zunächst keine Stellungnahme abgeben werde.

Im Ermittlungsverfahren 13 Ju Js 1686/08 (Raubvorwurf vom 26.05.2008) meldete sich der Verteidiger bereits mit Schriftsatz vom 28.05.2008, und zwar gleichfalls gegenüber der Polizei. Beide Verfahren wurden durch Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 30.09.2008 (unter dem führenden Aktenzeichen 13 Ju Js 1686/08) verbunden. Später wurde (am 05.11.2008) durch die Staatsanwaltschaft auch das weitere Verfahren 13 Ju Js 1846/08 (wegen des Vorwurfs der Sachbeschädigung) verbunden; in jenem Verfahren hatte sich der Verteidiger bis dahin allerdings nicht gemeldet (und insoweit auch keine gesonderten Gebühren begehrt).

Unter dem 15.12.2008 erfolgte wegen der drei vorgenannten Tatvorwürfe Anklageerhebung zum Amtsgericht Tiergarten, wo das Verfahren das gerichtliche Aktenzeichen 420 – 1/09 erhielt.

Bereits am 04.09.2008 hatte die Staatsanwaltschaft den Angeklagten (zum Aktenzeichen 81 Js 2862/08) wegen des Vorwurfs des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen in Tateinheit mit Sachbeschädigung angeklagt. In jenem Verfahren eröffnete das Amtsgericht Tiergarten (Az.: 420 Ds 252/08) durch Beschluss vom 20.10.2008 das Hauptverfahren und beraumte Termin zur Hauptverhandlung für den 19.12.2008 an. Mit Schriftsatz vom 21.10.2008 meldete sich der Verteidiger auch in jenem Verfahren und teilte unter anderem die beiden vorerwähnten, noch offenen, Raubvorwürfe mit, so dass der gesonderte Hauptverhandlungstermin aufgehoben und jenes Verfahren schließlich am 03.03.2009 durch das Amtsgericht verbunden wurde. Am selben Tag wurde nach der Verbindung der Verteidiger auf seinen Antrag als Pflichtverteidiger beigeordnet.

b) Gebührenansprüche
Dem Verteidiger stehen auch für beide, später verbundenen, staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren (zu den früheren Aktenzeichen 13 Ju Js 1676/08 und 1686/08) die (Vor-) Verfahrens- und die Grundgebühr sowie die Post- und Telekommunikationspauschale zu.

Nach § 48 Abs.5 S.1 RVG steht dem im ersten Rechtszug beigeordneten Rechtsanwalt die Vergütung „auch für seine Tätigkeit vor dem Zeitpunkt seiner Bestellung“ zu.
Der Gebührenanspruch des Verteidigers entsteht je „Rechtsfall“, wobei als „Rechtsfall“ jedes gegen den Beschuldigten geführte strafrechtliche Ermittlungsverfahren zu werten ist (vgl. LG Hamburg, Beschluss vom 05.08.2008, 622 Qs 43/08; Hartmann, Kostengesetze, 39.Aufl., VV 41200, 4101, Rdnr.8). Sind danach – wie hier – die Gebührenansprüche bereits entstanden, werden diese auch nicht durch eine spätere Verfahrensverbindung wieder beseitigt (vgl. OLG Jena, Beschluss vom 26.01.2004, AR (S) 101/03 [wenn auch noch unter Anwendung der BRAGO], LG Hamburg, a.a.O.)

Es kommt also entscheidend auf den Zeitpunkt an, zu welchem der Verteidiger seine Tätigkeit entfaltet. Dies war in den Ermittlungsverfahren 13 Ju Js 1676/08 und 1686/08 jeweils Wochen bzw. Monate vor der Verfahrensverbindung durch die Staatsanwaltschaft. Es waren damit auch insoweit je zweimal die Grundgebühr (VV 4100), die Vorverfahrensgebühr (VV 4104) und auch die Pauschale für Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen (VV 7002) entstanden, die nicht rückwirkend entfallen sind (vgl. auch insoweit LG Hamburg, a.a.O.).

c) Gebührenberechnung im Einzelnen:
Dem Verteidiger stehen mithin folgende Gebühren- und Auslageansprüche gegen die Landeskasse zu:

(1) ehemaliges Ermittlungsverfahren 13 Ju Js 1676/08:
Grundgebühr VV 4100: 132,-- €
Verfahrensgebühr VV 4104: 112,-- €
Post-/Tel.-Pauschale VV 7002: 20,-- €
Summe insoweit: 264,-- €

(2) Ermittlungsverfahren 13 Ju Js 1686/08:

Grundgebühr VV 4100: 132,-- €
Verfahrensgebühr VV 4104: 112,-- €
Post-/Tel.-Pauschale VV 7002: 20,-- €
Summe insoweit: 264,-- €

(3) Ermittlungs-/Strafverfahren 81 Js 2862/08 (= 420 Ds 252/08):

Grundgebühr VV 4100: 132,-- €
Verfahrensgebühr VV 4106: 112,-- €
Post-/Tel.-Pauschale VV 7002: 20,-- €
Summe insoweit: 264,-- €

(4) Strafverfahren 420 – 1/09 (ab Verbindung und Beiordnung):

Verfahrensgebührt VV 4106: 112,-- €
Terminsgebühr VV 4108: 184,-- €
Post-/Tel.-Pauschale VV 7002: 20,-- €
Summe insoweit: 316,-- €

(5) Hinzu kommen die – durch die Erinnerung nicht mehr angegriffenen und durch den Kostenfestsetzungsbeschluss pauschal um 10 % gekürzten – Auslagen für Ablichtungen aus den Gerichtsakten (VV 7000 1a) von 22,05 € (24,50 € abzüglich 10 %) und 45,86 € (50,95 € abzüglich 10 %).

(6) Daraus ergibt sich ein insgesamt an den Verteidiger zu erstattender Betrag (einschließlich der gesetzlichen Umsatzsteuer nach VV 7008) von 1.399,33 €.

Da ihm bislang erst 1.063,44 € ausgezahlt wurden, verbleibt ein Anspruch gegen die Staatskasse in Höhe von 335,89 €.

d) Die Kosten- und Auslagenentscheidung folgt aus § 56 Abs.2 S.2 RVG.

e) Gegen diesen Beschluss ist die Beschwerde zulässig, da der Beschwerdegegenstand 200,-- € übersteigt (§§ 56 Abs.1 S.1 Hs.2 i.V.m. 33 Abs.3 S.1 RVG).

RechtsgebietGebührenrechtVorschriften§ 48 Abs. 5 RVG

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