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21.08.2008 · IWW-Abrufnummer 082017

Finanzgericht Rheinland-Pfalz: Urteil vom 23.04.2008 – 1 K 2525/07

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Finanzgericht Rheinland-Pfalz

1 K 2525/07

Kindergeld; AO/FGO-Sachen

In dem Finanzrechtsstreit

...

hat das Finanzgericht Rheinland-Pfalz - 1. Senat -

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 23. April 2008

durch

die Vorsitzende Richterin am Finanzgericht als Einzelrichterin

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob der Klägerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist.

Die Klägerin hat u.a. die Tochter U, geboren am 18. August 1987. Laut einer Schulbescheinigung des A-Gymnasiums in T besucht U voraussichtlich bis März 2007 die Schule. Die Bestätigung stammt vom 5. Juli 2005. Mit Schreiben vom 16. Mai 2007 wurde die Klägerin aufgefordert, innerhalb der nächsten zwei Wochen Nachweise über die Fortdauer oder das Ende der Schulausbildung (z.B. aktuelle Schulbescheinigung oder Abgangszeugnis) und eine Erklärung zu den Einkünften und Bezügen betreffend U vorzulegen. Sollten Hinderungsgründe bestehen, wurde gebeten diese mitzuteilen. Ferner wurde darauf hingewiesen, wenn innerhalb der genannten Frist keine Antwort erfolge, müsse die Festsetzung des Kindergeldes für U ab September 2005 aufgehoben werden.

Da innerhalb der gesetzten Frist keine Antwort seitens der Klägerin erfolgte, wurde mit Bescheid vom 17. Juli 2007 die Kindergeldfestsetzung ab September 2005 (Vollendung des 18. Lebensjahres) aufgehoben mit der Begründung, dass trotz Aufforderung kein Nachweis über das Ende der Schulausbildung erfolgt sei. Der letzte vorliegende Nachweis über die bisherige Ausbildung sei im Monat Juli 2005 ausgestellt. Ferner wurde Kindergeld für September 2005 bis März 2007 in Höhe von 2.926,00 EUR zurückgefordert.

Hiergegen ist mit Schreiben vom 6. September 2007, das am 7. September 2007 bei der Beklagten eingegangen ist, Einspruch eingelegt und das Zeugnis der allgemeinen Hochschulreife vom 23. März 2007 für U vorgelegt worden. Mit Schreiben vom 10. September 2007 hat die Beklagte darauf hingewiesen, dass der Einspruch verspätet eingelegt sei. Daraufhin teilte die Klägerin mit Schreiben vom 28. September 2007 mit, dass sie sich die Tatsache, dass sie keine Nachweise vorgelegt habe, nur mit einer Phobie gegen amtliche Schreiben erklären könne. Ihr seien schon sehr viele finanzielle Nachteile dadurch entstanden, dass sie amtliche Schreiben einfach nicht geöffnet habe, sondern liegengelassen bzw. entsorgt habe, weil sie panische Angst vor dem Inhalt dieser amtlichen Schreiben gehabt habe und auch weiterhin habe. Es würden in ihr Angstzustände ausgelöst, so dass sie für die erforderliche Erledigung keine Sorge getragen habe. Mit Einspruchsentscheidung vom 9. Oktober 2007 wurde der Einspruch als unzulässig verworfen.

Mit der Klage trägt die Klägerin vor, dass ihr das genaue Zugangsdatum des aufhebenden Bescheides vom 17. Juli 2007 nicht bekannt sei. Sie leide unter Angstzuständen, die durch amtliche Schreiben ausgelöst würden. Um dies zu verhindern, lasse sie zugehende Post auf Wochen, ja sogar monatelang im Briefkasten. Sie habe sich wiederholt in psychologische Behandlung begeben wollen, schäme sich jedoch ihres Leidens zu sehr. Seit dem 6. September 2007 werde ihr private Unterstützung gewährt. Deshalb sei auch sofort Einspruch gegen den Bescheid vom 17. Juli 2007 eingelegt worden und auch das Zeugnis von U vorgelegt worden. Es wäre außerdem völlig sinnwidrig, Gelder zurückzufordern, die ihr zugestanden hätten.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid über die Aufhebung und Rückforderung von Kindergeld vom 17. Juli 2007 und die Einspruchsentscheidung vom 9. Oktober 2007 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung führt sie aus, dass nach § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO der Bescheid vom 17. Juli 2007 am 20. Juli 2007 bekannt gegeben worden sei. Die Einspruchsfrist betrage einen Monat und habe am 20. August 2007 geendet. Der Einspruch sei aber erst am 7. September 2007 eingegangen und daher verfristet. Gründe für eine Wiedereinsetzung würden nicht vorliegen. Die von der Klägerin vorgetragene Krankheit sei nicht plötzlich eingetreten. Sie wäre in der Lage gewesen, einen Vertreter zu bestellen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist nicht begründet.

Die Beklagte hat zu Recht den Einspruch als unzulässig verworfen. Der Bescheid über die Aufhebung und Rückforderung von Kindergeld datiert vom 17. Juli 2007. Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin mit Schreiben vom 6. September 2007, das am 7. September 2007 bei der Beklagten eingegangen ist, Einspruch eingelegt. Gemäß § 355 Abs. 1 AO ist der Einspruch binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsaktes einzulegen. Ein schriftlicher Verwaltungsakt, der durch die Post übermittel wird, gilt als bekannt gegeben am dritten Tag nach Aufgabe zur Post (§ 122 Abs. 2 Nr. 1 AO). Der Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid datiert vom 17. Juli 2007 und gilt am Montag, den 20. Juli 2007 als bekannt gegeben. Die Einspruchsfrist endete gem. § 355 Abs. 1 AO am Donnerstag, dem 20. August 2007. Der Einspruch ist aber erst am 7. September 2007 bei der Beklagten eingegangen und damit verspätet.

Gemäß § 110 Abs. 1 AO ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn eine Verfahrensfrist schuldlos versäumt worden ist. Dies setzt in formeller Hinsicht voraus, dass innerhalb einer Frist von einem Monat nach Wegfall des Hindernisses die Versäumte Rechtshandlung nachgeholt und diejenigen Tatsachen vorgetragen werden, aus denen sich die schuldlose Verhinderung ergeben soll (ständige Rechtsprechung vgl. z.B. BFH-Urteil vom 27. März 1985 II R 118/83, BStBl II 1985, 586).

Die Klägerin trägt mit Schreiben vom 28. September 2007 vor, dass sie eine Phobie gegen amtliche Schreiben habe. Ihr seien dadurch schon sehr viele finanzielle Nachteile entstanden, dass sie amtliche Schreiben einfach nicht geöffnet habe, sondern liegenlasse bzw. entsorge, weil sie panische Angst vor dem Inhalt dieser amtlichen Schreiben habe. Es werden dadurch Angstzustände ausgelöst, so dass sie für die erforderliche Erledigung keine Sorge getragen habe. Sie habe sie wiederholt in psychologische Behandlung begeben wollen, schäme sich jedoch zu sehr. Seit dem 6. September 2007 habe sie für die Erledigung amtlicher Schreiben private Unterstützung.

Eine Krankheit ist nur dann ein entschuldbares Hindernis, wenn es sich um eine schwere und plötzliche Erkrankung handelt, so dass der Kranke dadurch gehindert ist, seine steuerlichen Angelegenheiten selbst zu besorgen und auch nicht in der Lage ist, sich einen Vertreter zu bestellen (BFH-Beschluss vom 7. Juli 1994 X B 152/94, BFH/NV 1995, 228 m.w.N.). Nach dem Vortrag der Klägerin hat sie schon über einen längeren Zeitraum diese Phobie gegen amtliche Schreiben. Auf Grund dieser Angstzustände ist es ihr nicht möglich, für die Erledigung dieser Schreiben Sorge zu tragen. Da es sich hierbei nicht um eine plötzlich eintretende Krankheit handelt, sondern diese Angstzustände schon länger bei der Klägerin bestehen, wäre es ihr möglich gewesen, die private Unterstützung schon früher zu erhalten. Außerdem hat die Klägerin drei Kinder, wovon auf jeden Fall U im Haushalt der Klägerin wohnte und in diesem Jahr das Abitur gemacht hat und auch das 18. Lebensjahr vollendet. Es wäre auch ihr ohne weiteres möglich gewesen, der Klägerin zu helfen oder Unterstützung zu geben. Da die Klägerin keine Sorge dafür getragen hat, dass die Schreiben der Beklagten geöffnet und beantwortet werden, war sie nicht ohne Schulden verhindert, rechtzeitig Einspruch einzulegen.

Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 135 Abs. 1 FGO abzuweisen.

Verkündet am: 23.04.2008

RechtsgebietAOVorschriftenAO § 110 Abs. 1 AO § 355 Abs. 1

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