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26.06.2007 · IWW-Abrufnummer 072079

Bundesgerichtshof: Urteil vom 24.05.2007 – IX ZR 105/05

Eine die Gläubiger benachteiligende Treuhandvereinbarung gilt als in dem Zeitpunkt vorgenommen, in dem Treugut entsteht.


BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL

IX ZR 105/05

Verkündet am:
24. Mai 2007

in dem Rechtsstreit

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 29. März 2007 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Gero Fischer, die Richter Dr. Ganter und Vill, die Richterin Lohmann und den Richter Dr. Detlev Fischer

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 27. April 2005 im Kostenpunkt sowie insoweit aufgehoben, als zum Nachteil des Klägers erkannt worden ist.

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Karlsruhe insoweit aufgehoben, als festgestellt worden ist, dass dem Beklagten hinsichtlich eines Betrages von 271.033,78 Euro nebst Zinsen keine Rechte an dem bei Rechtsanwalt M. auf das Anderkonto bei der BW-Bank bezahlten Betrages von 353.971,23 Euro zustehen.

Der Beklagte wird verurteilt, der Auszahlung dieses Betrages an den Kläger zuzustimmen. Die weitergehende Berufung des Beklagten wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten beider Rechtsmittelzüge.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger ist Verwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen der M. GmbH (fortan: MP), der Beklagte ist Verwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen der M. GmbH (fortan: MVS).

Auf Antrag von MVS erging am 27. August 2002 ein Mahnbescheid über 350.873,74 Euro, am 24. September 2002 ein Vollstreckungsbescheid über insgesamt 352.053,24 Euro gegen MP. Am 14. Oktober 2002 erwirkte MVS einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss hinsichtlich des Geschäftskontos von MP bei der Sparkasse , der am 15. Oktober 2002 zugestellt wurde. MP hatte zwischenzeitlich Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid eingelegt. Am 17. Oktober 2002 vereinbarten MP - vertreten durch die Rechtsanwälte B. (fortan: Rechtsanwälte) - und MVS die Aufhebung der Pfändung gegen eine von MP zu leistende Sicherheit. Eine Tochtergesellschaft von MP, die W. GmbH (fortan: WWF), sollte dazu eine Forderung gegen das Bundesamt für Finanzen (fortan: Bundesamt) an MVS verpfänden. Wörtlich heißt es in der Vereinbarung weiter:

"Die Vertragspartner betrachten durch diese Verpfändung alle titulierten Ansprüche von MVS aus dem ... Vollstreckungsbescheid als abgesichert. Die Verpfändung wird dem Bundesamt für Finanzen (zunächst) nicht angezeigt. Das Bundesamt für Finanzen kann deshalb mit befreiender Wirkung auf das Treuhandkonto der Rechtsanwälte ... bezahlen. Die Vertragspartner werden sodann mit dem Treuhänder eine Treuhandabrede treffen, damit sichergestellt ist, dass der eingegangene Betrag als Sicherheit MVS zur Verfügung steht. Wenn es gleich aus welchen Gründen, nicht zu einer entsprechenden Treuhandabrede kommt, ist der Treuhänder berechtigt, den eingegangenen Betrag zugunsten des Sicherungsinteresses von MVS nach der Hinterlegungsordnung zu hinterlegen."

MVS gab das gepfändete Konto noch am 17. Oktober 2002 frei. Am 20. und am 22. November 2002 zahlte das Bundesamt insgesamt 271.033,78 Euro auf das Anderkonto. MP selbst zahlte einen weiteren Betrag von 82.937,44 Euro auf das Konto ein. Die im Vertrag vorgesehene "Treuhandabrede" mit den Rechtsanwälten kam nicht zustande. Am 18. Dezember 2002 beantragte MP die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen. Am 1. Februar 2003 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen von MVS eröffnet, am 1. März 2003 das Insolvenzverfahren über das Vermögen von MP. Die Rechtsanwälte weigern sich, das Guthaben auf dem Treuhandkonto zugunsten von MP freizugeben, solange die Berechtigung von MVS nicht geklärt sei. Der Rechtsstreit über den Zahlungsanspruch von MVS gegen MP ist nach wie vor unterbrochen (§ 240 ZPO).

Im vorliegenden Rechtsstreit hat der Kläger die Feststellung begehrt, dass dem Beklagten an dem Betrag von 353.971,23 Euro auf dem Anderkonto keine Rechte zustünden. Hilfsweise hat er beantragt, den Beklagten zu verurteilen, gegenüber den Rechtsanwälten die Freigabe dieses Betrages zu erklären. Das Landgericht hat die fehlende Berechtigung des Beklagten festgestellt. Auf die Berufung des Beklagten hin ist die Klage hinsichtlich der vom Bundesamt gezahlten 271.033,73 Euro abgewiesen worden. Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine bisherigen Anträge insoweit weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Verurteilung des Beklagten nach dem vom Kläger auch in der Revisionsinstanz gestellten Hilfsantrag.

I.

Das Berufungsgericht hat gemeint, zwischen MP und MVS sei ein konkludentes Treuhandverhältnis begründet worden, das geeignet gewesen sei, MVS eine insolvenzfeste Sicherung zu verschaffen; denn MP hätte über das Geld auf dem Anderkonto nicht frei verfügen dürfen. Eine Anfechtung nach §§ 130 ff InsO komme nicht in Betracht, weil es hinsichtlich der vom Bundesamt gezahlten 271.033,73 Euro an einer objektiven Gläubigerbenachteiligung fehle. Es habe sich um eine Zahlung aus dem Vermögen der WWF gehandelt. Zum konkreten Inhalt des der Zahlung zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses zwischen MP und WWF habe der Kläger nichts vorgetragen.

II.

Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung in wesentlichen Punkten nicht stand.

1. Im Hauptantrag ist die Klage schon deshalb unbegründet, weil zwischen den Rechtsanwälten und MVS ein Treuhandvertrag über die Verwahrung des Geldes auf dem Anderkonto zustande gekommen ist.

a) Der Kläger begehrt in erster Linie die Feststellung, dass dem Beklagten keinerlei Rechte an dem Guthaben auf dem Anderkonto zustehen (§ 256 Abs. 1 ZPO). Dieser Antrag hätte nur dann Erfolg, wenn kein Treuhandverhältnis zwischen den Anwälten und MVS bestünde.

aa) War die Bestellung der in der Treuhand liegenden Sicherheit wirksam, aber insolvenzrechtlich anfechtbar, führt dies nicht zu einer Nichtigkeit der vertraglichen Vereinbarungen zwischen den Beteiligten. Vielmehr muss nach § 143 Abs. 1 InsO dasjenige zur Insolvenzmasse zurückgewährt werden, was durch die anfechtbare Handlung aus dem Vermögen des Schuldners veräußert, weggegeben oder aufgegeben worden ist. Dieser Rückgewähranspruch ist ein schuldrechtlicher Verschaffungsanspruch (BGH, Urt. v. 21. September 2006 - IX ZR 235/04, NZI 2007, 42, 43). Die Rückgewähr einer anfechtbar erlangten Treugeberstellung hinsichtlich der auf dem Anderkonto verwahrten 271.033,73 Euro hat gegebenenfalls in der Form zu erfolgen, dass der Beklagte der Auszahlung an den Kläger zustimmt. Solange dies nicht geschehen ist, hat der Beklagte Anspruch darauf, dass der Treuhänder das hinterlegte Geld bis zur Auszahlungsreife verwahrt (§ 667 BGB).

bb) Der Rückgewähranspruch aus §§ 129 ff, 143 Abs. 1 InsO muss grundsätzlich im Wege der Leistungsklage verfolgt werden. Nur ausnahmsweise ist eine Feststellungsklage trotz der Möglichkeit, eine Leistungsklage zu erheben, zulässig, insbesondere dann, wenn schon ein Feststellungsurteil zur endgültigen Streitbeilegung führt und erwartet werden kann, dass der Beklagte auf den Feststellungsausspruch hin leisten wird (BGH, Urt. v. 14. Dezember 2006 - IX ZR 102/03, WM 2007, 370). Entgegen der Ansicht des Beklagten könnte dies auch für einen Anspruch aus §§ 129 ff, 143 InsO gelten. Ebenso wie der Anfechtungsgegner einen Anfechtungsanspruch freiwillig erfüllen kann, kann er sich einem Feststellungsurteil beugen. Dass dies auf den Beklagten des vorliegenden Rechtsstreits zutrifft, haben die Parteien jedoch nicht dargelegt. Der Kläger hat zwar behauptet, die Rechtsanwälte würden die Auszahlung schon auf ein Feststellungsurteil hin vornehmen. Diese sind jedoch nicht die Beklagten des vorliegenden Rechtsstreits. Festgestellt werden könnte überdies nicht die fehlende Berechtigung des Beklagten, sondern nur dessen Verpflichtung zur Rückgewähr.

b) Zwischen MVS und den Rechtsanwälten ist ein Treuhandvertrag zustande gekommen. Das hat das Berufungsgericht im Ergebnis zutreffend festgestellt. Die Einwände der Revision sind insoweit nicht berechtigt.

aa) Der Vertrag vom 17. Oktober 2002 stellt keinen in der Rechtsordnung nicht vorgesehenen und damit unwirksamen Vertrag zu Lasten Dritter dar. Zwar wies der schriftliche Vertrag nur MP und MVS als Vertragsparteien auf. MP wurde bei Vertragsschluss jedoch von den als Treuhänder vorgesehenen Rechtsanwälten vertreten, welche den Vertrag auch entworfen hatten. Diese Umstände lassen den Schluss darauf zu, dass die Rechtsanwälte den im Vertrag vorgesehenen Regelungen im eigenen Namen zugestimmt haben, soweit es um die von ihnen selbst zu übernehmenden Aufgaben ging. Diese Pflichten bestanden nicht nur gegenüber MP, sondern auch gegenüber MVS. Deren (wenngleich bestrittene) Ansprüche gegen MP sollten durch das Treugut gesichert werden.

bb) Die rechtlichen Bedenken, welche die Revision gegen die Annahme einer Treuhand erhoben hat, sind ebenfalls nicht berechtigt. Auf die (zu verneinenden) Fragen danach, ob das Treugut unmittelbar aus dem Vermögen von MVS in dasjenige der Treuhänder gelangt ist und ob die Zahlungen des Bundesamtes auf Forderungen von MVS geleistet worden sind, kommt es nicht an. Es geht nicht um eine Treuhänderstellung von MP. Treuhänder sind die Rechtsanwälte, die sowohl gegenüber MP als auch gegenüber MVS nach Maßgabe des Vertrages vom 17. Oktober 2002 zur Verwahrung des Geldes auf einem Anderkonto verpflichtet sind.

Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen von MP hatte auf die vertraglichen Pflichten der Rechtsanwälte gegenüber MVS keinerlei Einfluss. Die Frage einer "Insolvenzfestigkeit" der von MVS erlangten Position stellt sich nur insoweit, als im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens das Treugut bereits auf das Konto der Treuhänder gelangt sein musste. Ein schuldrechtlicher Anspruch gegen MP auf "Hinterlegung" des vereinbarten Betrages hätte nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nur eine Insolvenzforderung dargestellt. Diese Voraussetzung ist jedoch erfüllt. Die Zahlungen des Bundesamtes, um die es jetzt noch geht, sind im November 2002 auf dem Anderkonto eingegangen; das Insolvenzverfahren über das Vermögen von MP ist später, am 1. März 2003, eröffnet worden.

c) Die Abweisung der Klage im Hauptantrag hat damit Bestand.

2. Der von den Vorinstanzen zu Unrecht auf den Hauptantrag bezogene, tatsächlich aber mit dem Hilfsantrag verfolgte Anfechtungsanspruch aus §§ 129 ff, 143 Abs. 1 InsO scheitert entgegen der Annahme des Berufungsgerichts nicht am Fehlen einer Gläubigerbenachteiligung.

a) Eine Gläubigerbenachteiligung im Sinne der insolvenzrechtlichen Anfechtungsvorschriften liegt vor, wenn eine Rechtshandlung entweder die Schuldenmasse vermehrt oder die Aktivmasse verkürzt und dadurch den Zugriff auf das Schuldnervermögen vereitelt, erschwert oder verzögert hat (BGHZ 124, 76, 78 f; 165, 343, 350; HK-InsO/Kreft, 4. Aufl. § 129 Rn. 36 mit weiteren Nachweisen). Zahlungen Dritter betreffen das Vermögen des Schuldners zunächst nicht. Sie können jedoch dann zu einer objektiven Benachteiligung der Gläubiger führen, wenn der Dritte mit der Zahlung eine eigene Verbindlichkeit gegenüber dem Schuldner tilgt oder einen Aufwendungs- oder Schadensersatzanspruch gegen den Schuldner erwirbt (MünchKomm-InsO/Kirchhof, § 129 Rn. 78; vgl. BGH, Urt. v. 17. Juni 1999 - IX ZR 176/98, WM 1999, 1581, 1582).

b) Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall erfüllt. Der Kläger hat unwidersprochen vorgetragen, "die Auszahlung der Forderung" der WWF habe "unmittelbar auf deren Verbindlichkeiten gegenüber MP angerechnet" werden sollen. Er hat das Schreiben der MP an WWF vom 17. Oktober 2002 vorgelegt, wonach die Zahlungen des Bundesamtes "zum Abbau der bestehenden Verbindlichkeiten gegenüber M. P. " verwendet werden sollten. WWF hat die Zahlungen des Bundesamtes an die Rechtsanwälte also entweder unmittelbar zur Tilgung eigener Verbindlichkeiten bei MP oder in deren Auftrag veranlasst. Entweder wirkten die Zahlungen als Erfüllung der Verbindlichkeiten (§ 364 Abs. 1 BGB), oder WWF hatte Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen (§ 670 BGB) und konnte mit diesem Anspruch gegen Forderungen von MP gegen sie aufrechnen (§§ 387, 389 BGB). Im Ergebnis verlor MP Forderungen gegen WWF in entsprechender Höhe, welche der Gesamtheit der Gläubiger nicht mehr zur Verfügung standen. Damit ist eine Gläubigerbenachteiligung eingetreten. Dass die Forderungen von MP gegen WWF von vornherein wertlos (etwa einredebehaftet oder uneinbringlich) gewesen wäre, hat der Beklagte nicht behauptet.

c) Entgegen der Ansicht des Beklagten liegt insoweit nicht ein bloßer Schuldnertausch vor, der sich auf die spätere Insolvenzmasse nicht nachteilig ausgewirkt hätte. MP hat fällige und einredefreie Forderungen in Höhe von 271.033,78 Euro gegen WWF verloren. Im Gegenzug hat sie eine Forderung aus § 667 BGB gegen die Rechtsanwälte erhalten. Diese Forderung war jedoch weder fällig noch einredefrei. Nach der Vereinbarung vom 17. Oktober 2002 diente der Hinterlegungsbetrag auch der Sicherung des streitigen Anspruchs von MVS gegen MP. Stellte sich im Prozess der MVS gegen MP heraus, dass der Anspruch berechtigt war, mussten die Rechtsanwälte an MVS auszahlen. Da die Zahlung auf das Anderkonto nur der Sicherung diente, ließ sie auch den Anspruch der MVS, deren Berechtigung MP bestritt, unberührt. Auch insoweit hat also ein Schuldnertausch nicht stattgefunden.

d) Eine Gläubigerbenachteiligung scheidet schließlich nicht deshalb aus, weil die in der Treuhand bestehende Sicherheit nur das Pfändungspfandrecht der MVS an dem Bankguthaben von MP abgelöst hätte. Das gilt unabhängig von der Frage, ob dieses Pfändungspfändrecht anfechtbar oder unanfechtbar begründet worden ist. Wie der Senat bereits entschieden hat, kommt ein anfechtungsrechtlich neutraler Sicherheitentausch dann nicht in Betracht, wenn das eine Recht erloschen ist, bevor das andere Recht begründet wird (BGH, Urt. v. 19. Januar 2006 - IX ZR 154/03, WM 2006, 915, 916 f). Im vorliegenden Fall hat MVS das gepfändete Konto am 17. Oktober 2002 freigegeben. Ihre Treuhänderstellung - ihr Anspruch gegen die Rechtsanwälte aus § 667 BGB - ist zwar bereits mit der Vereinbarung vom 17. Oktober 2002 begründet worden (vgl. BGH, Urt. v. 7. Dezember 2006 - IX ZR 161/04, WM 2007, 406, 407). Werthaltig wurde ihre Rechtsposition jedoch erst mit der Überweisung der 271.033,78 Euro auf das Anderkonto am 20. und 22. November 2002. Bis zu diesem Zeitpunkt stand ihr nur ein schuldrechtlicher Anspruch gegen MP zu, der Zahlungen auf das Anderkonto in der vereinbarten Höhe zum Gegenstand hatte. Nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens wäre dieser Anspruch nur als Insolvenzforderung durchzusetzen gewesen.

3. Das Urteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO). Vielmehr sind auch die übrigen Voraussetzungen eines Anfechtungsanspruchs aus § 131 Abs. 1 Nr. 1, § 143 Abs. 1 InsO erfüllt.

a) Die Treuhänderstellung, welche MVS aufgrund der Vereinbarung vom 17. Oktober 2002 erlangt hat, war inkongruent.

aa) Schon das Pfändungspfandrecht an dem Girokonto von MP, das durch die Treuhandvereinbarung abgelöst werden sollte, war inkongruent. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine während der kritischen Zeit im Wege der Zwangsvollstreckung erlangte Sicherung oder Befriedigung als inkongruent anzusehen. Das die Einzelzwangsvollstreckung beherrschende Prioritätsprinzip wird durch das System der insolvenzrechtlichen Anfechtungsregeln eingeschränkt, wenn für die Gesamtheit der Gläubiger nicht mehr die Aussicht besteht, aus dem Vermögen des Schuldners volle Deckung zu erhalten. Dann tritt die Befugnis des Gläubigers, sich mit Hilfe hoheitlicher Zwangsmittel eine rechtsbeständige Sicherung oder Befriedigung seiner Forderung zu verschaffen, hinter dem Schutz der Gläubigergesamtheit zurück. Die Vorschrift des § 131 InsO verdrängt in den letzten drei Monaten vor dem Eröffnungsantrag den Prioritätsgrundsatz zugunsten der Gleichbehandlung der Gläubiger (BGHZ 157, 350, 353 mit weiteren Nachweisen). Das Pfändungspfandrecht ist am 15. Oktober 2002, also etwa zwei Monate vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 18. Dezember 2002 erwirkt worden.

bb) War das Pfändungspfandrecht inkongruent, gilt gleiches auch für die Vereinbarung vom 17. Oktober 2002 und die dadurch begründete Treuhänderstellung der Beklagten; denn die Vereinbarung diente ausdrücklich dazu, das inkongruente Pfändungspfandrecht abzulösen.

b) Die anfechtbare Rechtshandlung - die Begründung der Treuhand zugunsten der MVS - ist im letzten Monat vor dem Eröffnungsantrag vom 18. Dezember 2002 vorgenommen worden (§ 140 Abs. 1 InsO).

aa) Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen stellen der Abschluss der Vereinbarung vom 17. Oktober 2002 (einschließlich der Treuhandabrede mit den Rechtsanwälten) einerseits, die Weisung an WWF, für die Zahlung auf das Rechtsanwaltsanderkonto zu sorgen, andererseits nicht Teile eines aus mehreren Akten bestehenden einheitlichen Rechtsgeschäfts dar. Grund- und Erfüllungsgeschäft sind auch anfechtungsrechtlich selbständige Rechtshandlungen (HK-InsO/Kreft, 4. Aufl. § 129 Rn. 12; MünchKomm-InsO/Kirchhof, § 129 Rn. 57; Huber in Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch 3. Aufl. § 46 Rn. 42). Bei mehreren Rechtshandlungen ist grundsätzlich jede Handlung auf ihre Anfechtbarkeit zu prüfen (BGH, Urt. v. 11. Januar 2007 - IX ZR 31/05, WM 2007, 508, 509).

bb) Eine Rechtshandlung gilt jedoch erst in demjenigen Zeitpunkt als vorgenommen, in dem ihre rechtlichen Wirkungen eintreten (§ 140 Abs. 1 InsO), sie also die Gläubigerbenachteiligung bewirkt (BGHZ 156, 350, 357; BGH, Urt. v. 11. Januar 2007, aaO; G. Fischer, ZIP 2004, 1679, 1680). Diese Wirkungen treten ein, sobald eine Rechtsposition begründet worden ist, die im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens beachtet werden müsste (vgl. BT-Drucks. 12/2443, S. 166). Das war im vorliegenden Fall der 20. und der 22. November 2002, der Zeitpunkt also, in dem die Zahlungen des Bundesamtes auf dem Anderkonto eingingen. Erst die Zahlungen des Bundesamtes sollten auf die Verbindlichkeiten von WWF bei MP angerechnet werden; erst mit dem Eingang der Zahlungen auf dem Anderkonto entstand Treugut, auf das sich die Treuhandvereinbarung bezog. Eine insolvenzfeste Rechtsposition hatte MVS zuvor weder durch die Vereinbarung vom 17. Oktober 2002 nebst Treuhandabrede noch durch die Weisung von MP an WWF erlangt.

c) Rechtsfolge eines Anfechtungsanspruchs ist die Verpflichtung des Anfechtungsgegners zur Rückgewähr desjenigen, was aus dem Vermögen des Schuldners veräußert, weggegeben oder aufgegeben worden ist (§ 143 Abs. 1 InsO). Das war hier die Treuhänderstellung, welche einer Durchsetzung des Anspruchs des Klägers gegen die Rechtsanwälte aus § 667 BGB entgegensteht. Der Beklagte ist zur Aufgabe dieser Position, das heißt zur Zustimmung zur Auszahlung des Treuguts an den Kläger verpflichtet.

III.

Das angefochtene Urteil kann damit keinen Bestand haben. Es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist, hat der Senat eine eigene Sachentscheidung zu treffen (§ 563 Abs. 3 ZPO). Die Klage hat - soweit über sie noch zu entscheiden ist - im Hilfsantrag Erfolg. Der Beklagte hat sämtliche Kosten des Rechtsstreits zu tragen (§ 91 Abs. 1 ZPO). Bei einer Verurteilung nach einem gegenüber dem Hauptantrag gleich- oder höherwertigen Hilfsantrag liegt kein Teilunterliegen im Sinne des § 92 ZPO vor (BGH, Urt. v. 7. Juli 1994 - I ZR 63/92, NJW 1994, 2765, 2766, insoweit in BGHZ 126, 368 ff nicht abgedruckt).

RechtsgebietInsOVorschriftenInsO § 140

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