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  • 23.06.2010 | Selbstanzeige

    Keine wirksame Teilselbstanzeige?

    von Prof. Dr. Jürgen Weidemann, RA, Dortmund/Bochum

    Das LG hatte den Angeklagten wegen Hinterziehung von ESt im VZ 2000 verurteilt. Mit seiner Entscheidung vom 20.5.10 prüfte der BGH (1 StR 577/09, Abruf-Nr. 101811) die Strafbefreiung nach § 371 AO bei folgendem festgestellten Sachverhalt:  

     

    Das Ermittlungsverfahren gegen den Angeklagten war zunächst wegen der VZ 2001 und 2002 eingeleitet worden. Während der Vollstreckung eines Durchsuchungsbeschlusses ergaben sich Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte auch in 2000 steuerpflichtige Einkünfte verschwiegen und dadurch Steuern verkürzt hatte. Dabei gab der Berater an, die entsprechenden Steuererklärungen seien in Vorbereitung. Nachdem der Ermittler dem Angeklagten die Erweiterung des Ermittlungsverfahrens auf die VZ 1999 und 2000 eröffnet hatte, übergab der Berater aufbereitete und sortierte Unterlagen für die VZ 1999 und 2000.  

     

    Zur Begründung des BGH

    Ob eine den Anforderungen des § 371 Abs. 1 AO genügende Selbstanzeige vorliegt, lässt der BGH offen, jedenfalls stünden der Strafbefreiung die Sperrgründe des § 371 Abs. 2 Nr. 1a und Nr. 2 AO entgegen. Der BGH hätte die Voraussetzungen des § 371 Abs. 1 AO von vornherein verneinen können, denn die Ankündigung des Beraters - wie auch die Übergabe von Unterlagen - genügen nicht den Anforderungen des § 371 Abs. 1 AO, was zuletzt unter dem Stichwort der „gestuften Selbstanzeige“ auch ausgeführt wird. Allenfalls hätte der Senat seine Entscheidung noch auf § 371 Abs. 2 Nr. 1b AO stützen können, denn die Unterlagen wurden erst nach der Erweiterung des Ermittlungsverfahrens übergeben.  

     

    Anstatt sich kurz zu fassen und sich auf die Entscheidung des konkreten Revisionsfalls zu beschränken, hat der 1. Strafsenat - wie schon in früheren Entscheidungen (Weidemann, Stbg 09, 559 ff.) - in Form von obiter dicta einen Lehrkommentar geschrieben. Ihre Brisanz erhält die Entscheidung durch Ausführungen zur Teilselbstanzeige, die durch den konkreten Fall nicht gefordert waren. Im Gegensatz zur bisherigen Rechtsprechung will der 1. Strafsenat eine Teilselbstanzeige nicht zulassen. Er schließt aus der „Benennung aller denkbaren Handlungsvarianten“, dass das Gesetz die vollständige Rückkehr zur Steuerehrlichkeit wolle und versteht das Wort „insoweit“ in § 371 Abs. 1 AO nicht als Strafbefreiung für teilweise richtige Angaben, sondern nur als Hinweis darauf, dass die Straffreiheit lediglich die Steuerstraftat und nicht andere Delikte betrifft. Wenn der BGH ausführt, der Gesetzgeber hätte, wenn er die Teilselbstanzeige hätte zulassen wollen, formulieren müssen „soweit … berichtigt“, lässt sich entgegnen, wenn die vollständige Berichtigung gefordert wäre, hätte es im Gesetz heißen müssen „Wer ... vollständig … berichtigt … oder Angaben nachholt …“. Zudem lässt die Entstehungsgeschichte an der Zulässigkeit der Teilselbstanzeige keinen Zweifel (zur Geschichte der Selbstanzeige - Wegner, PStR 10, 121 ff. und 145 ff.). Schon die Urfassung in der Konzeption Enno Beckers sah sie vor: „Die Straffreiheit reicht soweit, wie der strafbare Tatbestand durch die nachträglichen Angaben beseitigt wird. Hat jemand Einkünfte von 10.000 RM verschwiegen und gibt er 8.000 RM nachträglich an, so beschränkt sich die Strafbarkeit auf die noch nicht angegebenen 2.000 RM“ (Enno Becker, 7. Aufl. von 1930, § 374 RAO zu Nr. 3).  

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