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  • 21.01.2011 · IWW-Abrufnummer 110148

    Landesarbeitsgericht Hamm: Beschluss vom 04.08.2010 – 1 Ta 196/10

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Landesarbeitsgericht Hamm

    1 Ta 196/10

    Tenor: Die sofortige Beschwerde der Vollstreckungsschuldnerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Iserlohn vom 22.02.2010 – 5 Ca 710/09 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
    Wert des Beschwerdegegenstandes: 1.865,-- €.

    Gründe
    I.
    Die Vollstreckungsschuldnerin (im Folgenden: Schuldnerin) wendet sich gegen einen Beschluss des Arbeitsgerichts Iserlohn, mit dem gegen sie ein Zwangsgeld, ersatzweise Zwangshaft, festgesetzt worden ist, um sie zur Erteilung eines qualifizierten Arbeitszeugnisses anzuhalten.
    Die Vollstreckungsgläubigerin (im Folgenden: Gläubigerin) war bei der Schuldnerin von Oktober 2001 bis September 2009 als Angestellte beschäftigt. Im Rahmen eines zwischen den Parteien geführten Kündigungsschutzverfahrens hat sich die Schuldnerin mit gerichtlichem Vergleich vom 29.09.2009 unter Ziffer 4) verpflichtet, der Gläubigerin "unter dem Beendigungszeitpunkt ein wohlwollendes, qualifiziertes Zeugnis zu erteilen, das sich auch auf Führung und Leistung erstreckt und dem beruflichen Fortkommen der Klägerin < jetzt: Gläubigerin > dienlich ist". Weiter heißt es in dem Vergleich:
    "Hinsichtlich der Zeugnisformulierung erhält die Klägerin ein Vorschlagsrecht, wobei die Beklagte bereits jetzt wohlwollende Prüfung eines von der Klägerin einzureichenden Entwurfes und Abweichen nur bei grober Unrichtigkeit zusichert."
    Mit Schriftsatz vom 03.02.2010 hat die Gläubigerin die Festsetzung von Zwangsgeld gegen die Schuldnerin beantragt, da die Schuldnerin ihrer Verpflichtung aus Ziffer 4) des Vergleichs vom 29.09.2009 nicht nachgekommen sei.
    Mit Beschluss vom 22.02.2010 hat das Arbeitsgericht diesem Antrag entsprochen und gegen die Schuldnerin ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000,-- €, ersatzweise Zwangshaft, festgesetzt. Gegen diesen ihr am 24.02.2010 zugestellten und wegen seiner weiteren Einzelheiten in Bezug genommenen Beschluss hat die Schuldnerin mit am 01.03.2010 beim Arbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt, der das Arbeitsgericht nicht abgeholfen hat.
    Die Schuldnerin macht geltend, das Arbeitsgericht habe ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, da es den Zwangsgeldbeschluss vor Ablauf der ihr eingeräumten Frist zur Stellungnahme erlassen habe. Im Übrigen habe sie mit dem am 06.01.2010 der Gläubigerin übermittelten Zeugnis (Bl. 119/120 GA) den Zeugnisanspruch erfüllt. Soweit das Zeugnis marginal von dem Vorschlag der Gläubigerin (Bl. 148 bis 150 GA) abweiche, sei dies zum einen nicht zu beanstanden, zum anderen sei dies nicht Gegenstand des Zwangsvollstreckungsverfahrens.
    Die Gläubigerin verteidigt den angefochtenen Beschluss. Sie vertritt die Ansicht, der Zeugnisanspruch sei nur bei Übernahme ihres Zeugnisvorschlags erfüllt. Es seien nicht marginale Abweichungen, wie sie die Schuldnerin annehme, zulässig, sondern nur Abweichungen bei grober Unrichtigkeit des Vorschlags. Das erteilte Zeugnis beinhalte eine Vielzahl von Differenzen zu ihrem Vorschlag, ohne dass die Schuldnerin etwas zu einer groben Unrichtigkeit vortrage.
    Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Prozessakte verwiesen.
    II.
    Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde der Schuldnerin (§§ 62 Abs. 2, 78 ArbGG, 567, 569, 793, 888 ZPO) ist zulässig, jedoch unbegründet.
    Die Schuldnerin ist ihrer Verpflichtung aus dem Vergleich vom 29.09.2009 bisher nicht nachgekommen. Das Arbeitsgericht hat damit zu Recht gegen sie ein Zwangsgeld, ersatzweise Zwangshaft, gemäß § 888 ZPO festgesetzt.
    1. Die allgemeinen Voraussetzungen für die Einleitung der Zwangsvollstreckung (Titel, Klausel, Zustellung) sind erfüllt. Die Schuldnerin hat insoweit auch keine Einwände vorgebracht.
    2. a) Es kann dahingestellt bleiben, ob der Einwand der Schuldnerin, ihr sei vor Erlass des angefochtenen Beschlusses kein rechtliches Gehör gewährt worden, gerechtfertigt ist. Jedenfalls ist ihre Anhörung durch das nachfolgende Nichtabhilfeverfahren nachgeholt worden, so dass dieser Einwand nicht durchgreift.
    b) Die Schuldnerin hat die im Vergleich unter Ziffer 4) titulierte Pflicht zur Zeugniserteilung nicht erfüllt.
    Zwar ist entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts im Nichtabhilfebeschluss vom 22.03.2010 der Erfüllungseinwand auch bereits im Zwangsvollstreckungsverfahren zu berücksichtigen. Die Schuldnerin ist nicht auf die Erhebung einer Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO angewiesen (Zöller/Stöber, ZPO, 28. Aufl., § 888 Rn. 11 m.w.N.; Musielak/Lackmann, ZPO, 7. Aufl., § 888 Rn. 8; Baumbach/Lauterbach, ZPO, 67. Aufl., § 888 Rn. 8; KG 06.12.2007 – MDR 2008, 349; zu § 887 ZPO: BGH 05.11.2004 – NJW 2005, 367, 369; einschränkend: Germelmann in GMPM-G, ArbGG, 7. Aufl., § 62 Rn. 61).
    Die Schuldnerin hat der Gläubigerin auch ein Zeugnis erteilt, das den formalen Anforderungen genügt, die an ein qualifiziertes Arbeitszeugnis gemäß § 109 GewO gestellt werden. Regelmäßig sind im streng formalisierten Zwangsvollstreckungsverfahren auch bestimmte inhaltliche Formulierungen nicht durchsetzbar, da dies einem ggf. neu durchzuführenden Erkenntnisverfahren überlassen bleibt (LAG Köln 17.06.2010 - 7 Ta 352/09 -; LAG Hessen 17.03.2003 - 16 Ta 83/03 -; Löw, NZA-RR 2008, 561, 564 m.w.N.). Davon umfasst sind auch Formulierungen, die deklaratorisch das wiedergeben, was nach allgemeinen Zeugnisgrundsätzen inhaltlich von einem Zeugnis zu fordern ist (vgl. ErfK/Müller-Glöge, 10. Aufl., § 109 GewO Rn. 17 ff., Rn. 27), die regelmäßig mangels hinreichender Bestimmtheit nicht vollstreckungsfähig sind, wie "wohlwollendes Zeugnis" (LAG Hessen 02.09.1997 - 16 Ta 378/97 -; LAG Rheinland-Pfalz 25.03.2008 - 8 Ta 39/09 -) oder "dem beruflichen Fortkommen dienlich".
    Die Schuldnerin hat sich in Ziffer 4) des Vergleichs aber bestimmten Vorgaben für das Zeugnis unterworfen, an die sie sich bei der nachfolgenden Zeugniserteilung nicht gehalten hat. Sie ist nämlich von dem ihr von der Gläubigerin zugeleiteten Zeugnisentwurf in mehreren Formulierungen abgewichen, ohne dass sie vorgetragen hat, inwieweit die von der Gläubigerin vorgeschlagene Fassung zu den einzelnen Punkten grob unrichtig ist. Ohne einen solchen Vortrag ist die Schuldnerin an den Wortlaut des Entwurfs der Gläubigerin gebunden. Dies ergibt die Auslegung von Ziffer 4) des Vergleichs.
    Es unterliegt zwar zunächst Bedenken, dass die Vergleichsformulierung in sich nicht stringent ist, so dass die Vollstreckungsfähigkeit infrage steht. Es ist nämlich zunächst von einem Vorschlagsrecht der Gläubigerin hinsichtlich der Zeugnisformulierung die Rede, wobei der Begriff des Vorschlags gerade keine Bindung beinhaltet. Der Vorschlag wird im nächsten Halbsatz als Entwurf bezeichnet, zu dem die Beklagte (jetzt: Schuldnerin) "bereits jetzt wohlwollende Prüfung zusichert". Eine wohlwollende Prüfung eines Zeugnisentwurfs ist nicht gleichbedeutend mit einer strikten Bindung an diesen Entwurf. Diese Bindung wird erst über die darüber hinausgehende Zusicherung erreicht, von dem Entwurf nur bei grober Unrichtigkeit abzuweichen, auch wenn dies wiederum die Zusicherung der wohlwollenden Prüfung weitgehend als bloße Worthülse erscheinen lässt. Die relativ umfängliche Regelung zu dem Zeugnis macht deutlich, dass es der Gläubigerin gerade auf dieses Arbeitspapier und die Absicherung eines für sie günstigen Zeugnisinhalts ankam. Demzufolge ist der Schwerpunkt der Regelung in der Zusicherung der Schuldnerin zu sehen, von dem von der Gläubigerin einzureichenden Entwurf nur bei grober Unrichtigkeit abzuweichen. Mit einer derartigen Regelung soll gerade ein weiterer, unter Umständen wiederum gerichtlich auszutragender Streit zwischen den Parteien, dann um die Zeugnisformulierungen, vermieden werden. Der Arbeitnehmer, der wie hier die Gläubigerin, über einen Vergleich den Arbeitsplatz verliert, will zumindest ein für ihn vorteilhaftes Zeugnis garantiert haben, auf dessen Inhalt er weitestgehenden Einfluss nehmen kann (vgl. Ostermaier, FA 2009, 297, 298; LAG Köln 02.01.2009 - 9 Ta 530/08 -; ArbG Berlin 02.04.2008 - 29 Ca 13850/07 -). So liegt der Fall hier.
    Der Vergleich zwischen dem Zeugnisentwurf der Gläubigerin und dem Zeugnis der Schuldnerin weist eine Reihe von von der Schuldnerin nicht begründeten Abweichungen auf, die teilweise die Art der Tätigkeit ( Betreuung der Geschäftskunden; Ausarbeitung Angebote; Optimierung der Bestelleingänge; telefonische Betreuung von Kunden), teilweise die Leistungsbeurteilung (u.a. Aufgabenerfüllung mit klarem Konzept ; Arbeitsaufführung sorgfältig, zuverlässig ; Betreuung der Kunden auf hohem Niveau) und schließlich die Schlussformel betreffen. Der Gläubigerin ist darin zuzustimmen, dass die Einschätzung der Schuldnerin, es handele sich um marginale Abweichungen, gerade dafür spricht, dass den Abweichungen jedenfalls keine grobe Unrichtigkeit ihres Zeugnisentwurfs zugrunde liegt. Dass die Schuldnerin möglicherweise auch davon geleitet war, die z.T. auffällige Fülle der Superlative aus dem Entwurf einzugrenzen, die der Gläubigerin nicht zwingend zum Vorteil gereichen müssen, ist in diesem Zusammenhang unerheblich.
    3. Gegen die Höhe des Zwangsgeldes hat die Schuldnerin keine Einwände erhoben. Sie ist auch angemessen.
    4. Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin war somit mit der Kostenfolge der §§ 891, 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
    Der Wert des Beschwerdegegenstandes bestimmt sich nach den §§ 3 ff. ZPO. Er richtet sich nach dem Wert der zu erzwingenden Handlung, für die ein Monatsverdienst der Gläubigerin bei der Schuldnerin zugrunde zu legen ist.
    Anlass für die Zulassung der Rechtsbeschwerde besteht nicht, §§ 78, 72 ArbGG.

    RechtsgebietGewOVorschriften§ 888 ZPO; § 109 GewO