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  • · Fachbeitrag · HoAI 2013

    Mitverarbeitete Bausubstanz: Besondere Leistungen bleiben zusätzlich abrechenbar

    | Die anrechenbaren Kosten aus mitverarbeiteter Bausubstanz (mvB) stellen eine erhebliche Honorarkomponente beim Bauen im Bestand dar. Auftraggeber legen die HOAI-Bestimmung aber unterschiedlich aus. Teilweise wird unterstellt, dass die anrechenbaren Kosten aus mvB eine „Ersatzvergütung“ für Besondere Leistungen oder für den Umbauzuschlag darstellt. Diese Ansicht ist falsch. Wappnen Sie sich für solche Diskussionen und vermeiden Sie Honorarverluste. |

    Das hat der Verordnungsgeber mit der mvB gewollt

    Der Verordnungsgeber hat eindeutig geregelt, dass die anrechenbaren Kosten aus mvB Bestandteil des Mindestsatzes sind. Der Mindestsatz errechnet sich ausschließlich auf der Grundlage der Grundleistungen in den jeweiligen Leistungsbildern. Nur diese sind nämlich preisrechtlich geregelt. Er hat mit Besonderen Leistungen nichts zu tun. Die Mitverarbeitung ist deshalb nicht zu verwechseln mit Besonderen Leistungen.

     

    Werden im Zuge einer Umbaumaßnahme Besondere Leistungen erforderlich (Bestandsaufnahme, technische Substanzerkundung etc.), handelt es sich um Besondere Leistungen und nicht um mvB im Sinne des § 4 Abs. 3 HOAI.

    Planer muss Auftraggeber beraten

    Zeigt sich, dass Besondere Leistungen erforderlich werden (zum Beispiel im Rahmen der Lph 1 Grundleistung c: „Beratung zum gesamten Leistungs- und Untersuchungsbedarf“), sollten Sie den Auftraggeber darauf hinweisen,

    • dass und welche Besondere Leistungen erforderlich sind,
    • was passieren kann, wenn sich der Auftraggeber nicht davon überzeugen lässt, Besondere Leistungen zu erbringen bzw. zu beauftragen.

     

    Damit erbringen Sie Beratungsleistungen mit dem Ziel, Schaden vom Projekt abzuwenden. Genau an dieser Stelle wird außerdem die Grenze zwischen Grund- und Besonderen Leistungen gezogen.

     

    Wann müssen Sie über die Erbringung Besonderer Leistungen beraten

    Es ist denklogisch richtig, sich erst nach Unterzeichnung des Planungsvertrags bzw. nach einer mündlichen Vereinbarung zur Notwendigkeit Besonderer Leistungen zu äußern. Denn erst im Anschluss daran beginnt die fachliche Auseinandersetzung mit der mvB. Erst wenn erste Grundleistungen erbracht sind, stellen Sie fest, ob auch Besondere Leistungen erforderlich werden. Deshalb ist es richtig und normal, wenn Sie sich erst nach Vertragsabschluss abschließend über die Erbringung ergänzender Besonderer Leistungen verständigen. Es geht hier also nicht um das „Nachfordern“ im Sinne von Claim-Management, sondern um einen ganz normalen Arbeitsschritt im Zuge der Planungsleistungen.

     

    Tabelle zeigt praktische Mitverarbeitung in Lph auf

    Nachstehend finden Sie eine für das Leistungsbild Gebäude und Innenräume erarbeitete Beispieltabelle. In ihr ist abgebildet, wie sich die Mitverarbeitung im Rahmen der Grundleistungen darstellt und welche - umbaubedingten - Besonderen Leistungen in Frage kommen können.

     

    Die Mitverarbeitung entspricht fachtechnisch der „Tiefenschärfe“ der jeweiligen Leistungsphase. Die Tabelle ist sinngemäß auf die anderen Leistungsbilder übertragbar.

     

    • Mitverarbeitung vorhandener Bausubstanz in den jeweiligen Lph

    Mitverarbeitungsbeispiele Grundleistung

    Besondere Leistung (Beispiele)

    Lph 1 Grundlagenermittlung

    Fachtechnische Einschätzung (ergebnisoffen), ob die planerische Aufgabenstellung im vorhandenen Altbaubestand grundsätzlich überhaupt gelöst werden kann.

    Beschaffen alter Statiken, Zeichnungen, Genehmigungen, oder historischen Fotos der vorhandenen Bausubstanz.

    Einschätzung, inwieweit weitere Projektbeteiligte (z.B. Tragwerksplaner oder Fachingenieure) auch die vorhandene Bausubstanz planerisch mitverarbeiten sollten) - das hat Auswirkungen auf deren Leistungen.

    Wirtschaftlichkeitsbetrachtung hinsichtlich der Machbarkeit von Umnutzungen.

    Einschätzung, ob und welche Besonderen Leistungen (z.B. Bestandsuntersuchung altes Tragwerk, verdeckte Bauschäden, alte Techniktrassenführungen untersuchen) erforderlich werden.

    Prüfung, ob der vorgesehene Umbau zertifizierungsfähig ist.

    Grobe Abschätzung, ob Schadstoffe im Altbau vorhanden sein können (Asbest, PCP, PCB, Beschichtungen, Mineralfaserstoffe) und dann Empfehlung zur Einschaltung eines Sonderfachbüros.

    Kostenrahmen nach DIN 276 als Annahme für das Projekt unter Berücksichtigung der vorh. Bausubstanz.

    Formulierung von Entscheidungshilfen für die etwaige Mitverarbeitung durch weitere Planungsbeteiligte (z.B. entsprechende Beratungsbriefe an den Bauherrn).

    Bauhistorische Untersuchungen zur Abschätzung der Erhaltungsentscheidung.

    Berücksichtigung der o.g. Hinweise in der Zusammenfassung und Dokumentation der Ergebnisse der Lph 1.

    Lph 2 Vorplanung

    Skizzenhafte Mitverarbeitung bzw. funktionale und gestalterische Einbindung der vorhandenen Bausubstanz bei den Freihandskizzen und Zeichnungen.

    Bestandsaufnahme (z.B. von Deckenbalken, Fenstergrößen in der Fassade)

    Grundsatzprüfung, welche Anteile der Bausubstanz funktionell und konstruktiv weiter verwendbar sind (z.B. Brandschutz bei Innenwänden).

    Aufmaß denkmalrechtlich relevanter Bauteile (für denkmalrechtlichen Antrag)

    Ermittlung der Schätzkosten aus mvB (z.B. Verstärkung von Sparren in Geschossdecken, Dämmung vorhandener Außenwände, Brandschutzertüchtigung von Bauteilen) und Aufnahme dieser Kostenanteile in die Kostenschätzung nach DIN 276.

    Erstellung eines Förderantrags für Umbauten, Wirtschaftlichkeitsbetrachtung (Erhalt oder Abriss von einzelnen noch verwendungsfähigen Bauteilen)

    Bei Baudenkmälern: Denkmalrechtliche Voranfrage bzw. Vorabstimmungen zur vorgesehenen Veränderung des Altbaus gemäß Vorplanung.

    Technische Substanzerkundung vorhandener Bausubstanz (z.B. Bauschäden)

    Einarbeitung der Ergebnisse der weiteren Planungsbeteiligten aus der mvB (z.B. Angaben des Tragwerksplaners zur Verwendbarkeit alter Holzbalkendecken).

    Standsicherheitsnachweis der Bausubstanz (Leistungsbild Tragwerksplanung). Brandschutznachweis (z.B. hölzerner zu ertüchtigender) Deckenplatten.

    Lph 3 Entwurfsplanung

    Entwurfliche bzw. funktionale Mitverarbeitung der Bausubstanz bei den Zeichnungen (z.B. Grundrisse, Schnitte, Ansichten mit Darstellung der Ertüchtigungsmaßnahmen an der Bausubstanz [auch geeignet für den Bauantrag]).

    Fotorealistische Darstellung vorhandener Objektteile (ergänzend zu den neuen Bauteilen).

    Gestalterische Mitverarbeitung durch Einbindung vorhandener Bauteile in neue Planungen, besonders bei gestalterischen Grundsatzlösungen (z.B. Fensterteilung der neuen Fenster in der vorhandenen Fassade).

    Brandschutzkonzept im Altbauprojekt unter Berücksichtigung der bestehenden Bauteile mit rechnerischen Nachweisen.

    Erstellung der Kostenberechnung unter Einbeziehung der Kostenanteile aus Mitverarbeitung (z.B. Fassadenertüchtigung, Deckenverstärkungen, Putzausbesserungen) nach DIN 276 in den jeweiligen Kostengruppen oder Vergabeeinheiten).

    Untersuchung von Planungen mit alternativen Raumprogrammen mit unterschiedlicher Auswirkung auf die Altbausubstanz und Kostenvergleich der Alternativen.

    Baurechtliche Abstimmung, ob die Altbausubstanz im Hinblick auf die Genehmigungsfähigkeit geeignet ist (z.B. alte Wände im Treppenhaus auch als F90-Wand geeignet?).

    Recherche hinsichtlich möglicher Fördermittel („Denkmalpflegeföderungen“)

    Textliche Beschreibung der Ertüchtigungen in der Baubeschreibung (wird später Bestandteil des Bauantrags).

    Raumbuch mit Eintragung der vorhandenen Altbausubstanz und den Neubauteilen

    Lph 4 Genehmigungsplanung

    Fachliche Einbeziehung der Bausubstanz in die Genehmigungsplanung (z.B. bei Brandschutzkonzept, Fluchtwegekonzept oder der Brandabschnittsbildung).

    Besondere Bestandsaufnahmen im Denkmalrecht als Bestandteil des denkmalrechtlichen Antrags.

    Zusammentragen der für die Altbausubstanz notwendigen Nachweise für die Genehmigungsfähigkeit (z.B. Fachgutachten).

    Brandschutznachweise bestehender Konstruktionen (z.B. innere Treppenraumwände).

    Veranlassung der Erstellung von Standsicherheits- und/oder Brandschutznachweisen für tragende Altbausubstanz (z.B. beim Umbau von Versammlungsstätten).

    Bestuhlungspläne für Versammlungsstätten (mit verschiedenen Varianten) bei verketteten Stühlen beim Leistungsbild Innenräume, wenn eine genehmigungspflichtige Nutzungsänderung anfällt.

    Denkmalrechtlicher Genehmigungsantrag und denkmalpflegerische Abstimmungen.

    Anträge auf Ausnahmen oder Befreiungen, um Bausubstanz zu erhalten.

    Lph 5 Ausführungsplanung

    Ausführungszeichnungen einschließlich Angaben zu Maßnahmen an mvB (z.B. als Ausführungsgrundlage).

    Detailbestandsaufnahmen verdeckter Bauteile, die kurz vor Ausschreibungsbeginn im Zuge der Lph 5 geöffnet werden.

    Detailzeichungen oder textliche Angaben zur konstruktiven Verbindung zwischen Bausubstanz und neuen Bauteilen.

    Farbige Innenraumperspektiven der vorhandenen Baukonstruktionen.

    Materialtechnische Abstimmung Alt-Neu (z.B. Befestigungsart einer neuen F-90-Tür in mvB. Anmerkung: Bauartzulassungen betreffen nur F-90-Türen in Neubauwänden.

    Spezielle Gutachten (z.B. Nachweis vorh. Absturzsicherungen/Geländern im Altbau mit dem Ziel des Erhalts oder der Ertüchtigung).

    Zeichnerische Darstellung von Abrissmaßnahmen (z.B. einzelner Bauteile) mit Grenze zu den zu erhaltenden Bauteilen.

    Einzelzulassungen für vorgesehene Ertüchtigungen (z.B. Ertüchtigung von Holzbalkendecken in Versammlungsstätten, soweit die Zulassung eine Detailplanung erfordert).

    Planerische Festlegung von Schutzmaßnahmen für die Bausubstanz (z.B. Abschottungen bei Bauabschnittsbildung).

    Lph 6 Vorbereitung der Vergabe

    LV-Positionen, die zur Ertüchtigung der Bausubstanz erforderlich sind (z.B. spezielle Bearbeitung des vorhandenen Untergrunds durch Ausgleichsspachtelungen an Untergründen oder Befestigen neuer Feuerschutzplatten an alten Holz- oder Stahlstützen).

    Spezielle Gutachten, die den Ausschreibungen als Kalkulationsgrundlage beigefügt werden müssen (z.B. Überkopfverglasung).

    LV-Positionen mit Beschreibung von Einbaubedingungen zur Angebotskalkulation (z.B. Abschlagen loser Putzflächen und Grundierung von Untergründen, Verschließen von Öffnungen).

    Untersuchung zur Belastbarkeit von Baustellen (z.B. Zwischenlagerung von Stahlträgern im Altbau mangels Baustellenfläche außen).

    Kalkulationsangaben (z.B. Stahlträger für Deckenverstärkung zunächst in Einzelteilen mit Kopfplatten in Altbau einbringen, anschließend im Altbau zu langen Trägern verschrauben).

    Standsicherheitsnachweise für Zwischenzustände (Tragwerksplanung) bei Umbauten.

    LV-Beschreibung für provisorische Maßnahmen an der Bausubstanz (z.B. Schutzmaßnahmen für bestimmte Bauteile, Behinderungen im Arbeitsablauf durch Aufrechterhaltung des Betriebs, provisorische Abschottungen oder Zugangswege).

    LV-Positionen zur Befestigung neuer Bauteile an der mvB(z.B. Einbau einer neuen Stahltreppe im Altbau).

    Lph 7 Mitwirkung bei der Vergabe

    Angebotswertung hinsichtlich der angebotenen Neumaterialien in Bezug auf Verträglichkeit mit der Altbausubstanz (z.B. neuer Fugenmörtel in altem Mauerwerk, Abdichtungsanstriche erdberührender Bauteile, neue Anstrichsysteme auf vorhandener Fassade).

    Prüfung von Nebenangeboten (Besondere Leistungen nach HOAI 2013) und Alternativen, die die Ertüchtigung der vorhandenen Bausubstanz betreffen.

    Beurteilung der Angebote auf Verträglichkeit der Maßnahmen mit dem Altbau (z.B. Unterfangungen, Deckenverstärkungen).

    Lph 8 Bauüberwachung

    Bauüberwachung von Ertüchtigungsmaßnahmen an der vorhandenen Bausubstanz.

    Detailbestandsaufnahmen verdeckter Bauteile, die in Bauüberwachung geöffnet werden.

    Überwachung der Befestigung Neu an Alt (z.B. neuer Fassadenputz auf altem Untergrund, neue Einbauten in alten Konstruktionen, Höhenausgleichsspachtelungen auf alten Untergründen).

    Zeichnerische oder fotografische Erfassung und Dokumentation vorhandener Bauteile, bevor die Bauarbeiten beginnen.

    Überwachung der Ausführung von Brandschutzmaßnahmen (z.B. Einbau von T-30-Türen in Altbauwände, Übereinstimmung mit Bauartzulassung).

    Noch erforderliche Bestandsaufnahmen oder Schadstoffuntersuchungen bislang verdeckter Bauteile.

    Überwachung bei Neuverfugung von altem Mauerwerk, Ausbesserungen vorhandener Putzflächen (Untergrundhaftung).

    Standsicherheitsnachweise für besondere Zwischenbauzustände (Tragwerksplanung) bei neuen Erkenntnissen bei Umbauten.

    Überwachung von Sicherungsmaßnahmen (Abdeckfolien, Sicherungsgerüste, Unterfangungen) an der Bausubstanz.

    Fortschreiben des Brandschutzkonzepts bei neuen Erkenntnissen.

    Terminplanung unter Berücksichtigung der erschwerten Bedingungen aus der mvB (z.B. geringere Baugeschwindigkeit).

    Überwachung bezüglich der befristet höheren Belastung vorhandener Bausubstanz während der Bauzeit (z.B. bei Zwischenlagerung von Baustoffen). Kontrolle der Altbausubstanz im Rahmen der Abrechnung (z.B. Beschädigung durch Unternehmer).

    Lph 9 Projektbetreuung und Dokumentation

    Objektbegehung um festzustellen, ob die Bauausführung Mängel an der mvB verursacht hat.

    Sachverständige Bewertung der Mängelbeseitigungskosten bei Beschädigung mvB.

    Mitwirkung bei der Freigabe von Sicherheitsleistungen (z.B. bei Beschädigungen an vorhandener Bausubstanz).

     
    Quelle: Ausgabe 11 / 2015 | Seite 6 | ID 43666767