Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Fachbeitrag · Tierhaltung


    BGH kippt Tierhaltungsverbot: Müssen alle gängigen Verbotsklauseln auf den Prüfstand?


    von RiOLG Günther Geldmacher, Düsseldorf 


    • 1.Die artgerechte Haltung eines großen Hundes (hier: Bearded Collie) in einer Etagenwohnung spielt mietrechtlich keine Rolle. 

    • 2.Die Klausel in einem Mietvertrag über Wohnraum „Der Mieter darf Haustiere mit Ausnahme von Kleintieren (Ziervögel etc.) nur mit Zustimmung des Vermieters halten. Die Zustimmung ist zu versagen bzw. kann widerrufen werden, wenn durch die Tiere andere Hausbewohner oder Nachbarn belästigt werden oder eine Beeinträchtigung der Mietsache oder des Grundstückes zu befürchten ist. Im Übrigen liegt sie im freien Ermessen des Vermieters“ verstößt gegen § 307 BGB. 


    Sachverhaltr


    Die Beklagten sind Mieter einer Wohnung im dritten OG eines Altbaus. Die Wohnung ist ca. 95 m2 groß und besteht aus drei Zimmern, einer Abstellkammer, einer Küche, einer Diele, einem WC mit Bad und einem Balkon. Die Beklagten halten in der Wohnung ohne Erlaubnis einen Bearded Collie. Der Vermieter macht pauschal geltend, die Wohnung sei „für das Halten eines Hundes ungeeignet". Es sei „zu massiven Beschwerden von Eigentümern anderer Wohnungen" gekommen, etwa weil die Beklagten den Hund im Treppenhaus bürsteten. Schließlich würde „durch die Haltung eines Tieres dieser Art die Wohnung in erhöhtem Maße abgenutzt“. Die Beklagten haben ein Schreiben vorgelegt, wonach zehn Nachbarn durch Unterschrift bestätigen, dass von dem Bearded Collie „keine Beeinträchtigungen oder Belästigungen (z.B. durch Lärm oder ein verschmutztes Treppenhaus) für unsere Nachbarn entstehen". Das Berufungsgericht hat die Unterlassungsklage abgewiesen. Der BGH weist die Revision zurück. 


    Entscheidungsgründe/Praxishinweis


    Eine Klausel, die das Halten von Haustieren ausnahmslos untersagt, hält der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB nicht stand. Grund: Das Verbot gilt ohne Ansehen von Art und Größe des Tieres uneingeschränkt und erfasst auch Tiere, die von Natur aus - wie etwa Zierfische im Aquarium - keinen Einfluss auf die schuldrechtlichen Beziehungen zwischen Vermieter und Mieter von Wohnraum haben können.


    • Beispiel einer unwirksamen Klausel

    Das Halten von Haustieren ist unzulässig (BGH NJW 93, 1061 zu § 9 Abs. 1 AGBG a.F.)

    Für eine Klausel, die durch das Erfordernis der Zustimmung des Vermieters zur Tierhaltung des Mieters ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt begründet, gilt nichts anderes. Auch eine solche Klausel benachteiligt den Mieter unangemessen, wenn sie keine Ausnahme für Haustiere vorsieht, deren Haltung zum vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache i.S. von § 535 Abs. 1 BGB gehört, weil davon in der Regel Beeinträchtigungen der Mietsache und Störungen Dritter nicht ausgehen können. Klauseln, die dem nicht Rechnung tragen sind unabhängig davon unwirksam, ob die Zustimmung zur Tierhaltung des Mieters nach dem Klauselinhalt im freien Ermessen des Vermieters steht oder ob dieser seine Zustimmung nur aus sachlichen Gründen verweigern darf.


    • Beispiel

    Jede Tierhaltung, insbesondere von Hunden und Katzen, mit Ausnahme von Ziervögeln und Zierfischen, bedarf der Zustimmung des Vermieters (BGH MK 08, 27, Abruf-Nr. 073748)

    Ist die Tierhaltungsklausel wegen Verstoßes gegen § 307 BGB nichtig, richtet sich der Inhalt des Vertrags insoweit gemäß § 306 Abs. 2 BGB nach den gesetzlichen Vorschriften. Die Beantwortung der Frage, ob die Haltung von Haustieren in dem Fall, dass der Mietvertrag hierfür keine bzw. keine wirksame Regelung enthält, zum vertragsgemäßen Gebrauch i.S. von § 535 Abs. 1 BGB gehört, erfordert nach Auffassung des BGH (a.a.O.) eine umfassende Abwägung der Interessen des Vermieters und des Mieters sowie der weiteren Beteiligten. Diese muss einzelfallbezogen sein. Grund: Die dabei zu berücksichtigenden Umstände sind so individuell und vielgestaltig, dass sich jede schablonenhafte Lösung verbieten Der BGH (20.3.13, VIII ZR 168/12, demnächst in MK) hat dies nochmals bestätigt.


    Checkliste / Diese Umstände sind laut BGH zu erwägen

    • Art, Größe, Verhalten und Anzahl der Tiere, 

    • Art, Größe, Zustand und Lage der Wohnung sowie des Hauses, in dem sich die Wohnung befindet, 

    • Anzahl, persönliche Verhältnisse, namentlich Alter, und berechtigte Interessen der Mitbewohner und Nachbarn, 

    • Anzahl und Art anderer Tiere im Haus, 

    • bisherige Handhabung durch den Vermieter sowie 

    • besondere Bedürfnisse des Mieters.

    Aus Sicht des LG besteht kein abwägungsrelevanter Unterschied zwischen generellem Verbot, absolutem Zustimmungserfordernis und einer im freien Ermessen stehenden Zustimmungsentscheidung des Vermieters. In allen Fällen ist die Vermieterentscheidung nicht prüfbar. Das heißt: Klauseln, die diese Abwägung nicht vorsehen, benachteiligen den Mieter unangemessen und verstoßen gegen § 307 BGB, wenn sie die Erlaubniserteilung interessenunabhängig untersagen oder - wie hier - trotz zugelassener Kleintierhaltung in das freie und damit nicht überprüfbare Interesse des Vermieters stellen. Das dürfte für eine Vielzahl gebräuchlicher Klauseln gelten.


    Mit Hinweisbeschluss vom 25.9.12 hat sich der BGH dieser Auffassung aufgrund mieterfeindlichster Auslegung von Satz 3 der Klausel angeschlossen. Für ein freies, an keine nachprüfbaren Voraussetzungen gebundenes Ermessen besteht kein berechtigtes Interesse des Vermieters. Das heißt: Die Klausel ist insgesamt infiziert. Eine geltungserhaltende Reduktion durch bloße Streichung des Satzes 3 der Klausel lehnt der BGH ab. Folgerichtig nimmt das LG eine Interessenabwägung vor, die mangels konkreter Anhaltspunkte für eine gebrauchsbeeinträchtigende Nutzung der Wohnung zulasten des Vermieters ausfällt. Das sieht der BGH genauso.


    Eine Unterlassungsklage gemäß § 541 BGB lässt sich nur erfolgreich führen, wenn die Abwägung anhand der vorgenannten Kriterien zugunsten des Vermieters ausfällt. Das stellt hohe Anforderungen an seine Darlegungslast. Mit pauschalen Behauptungen - wie sie im Sachverhalt beschrieben sind - ist nichts zu gewinnen. Neu ist, dass grundsätzlich selbst große Hunde - wie hier - in einer entsprechend bemessenen Etagenwohnung gehalten werden dürfen. Ob die Haltung auch artgerecht ist, ist eine Frage des Tierschutzes und - so der BGH - kein mietrechtliches Kriterium für die Versagung der Erlaubnis.


    MERKE |  Eine Tierhaltungsklausel, die nur aus den Sätzen 1 und 2 der Leitsatzklausel 2 besteht, ist auch nach BGH AGB-fest. Grund: Mit diesem reduzierten Inhalt knüpft die Klausel den Zustimmungsvorbehalt des Vermieters zur Haltung von Haustieren - wozu auch Hunde und Katzen zählen - an legitime Vermieterinteressen (Hausfrieden und ungestörtes nachbarschaftliches Gemeinschaftsverhältnis). Dass die Zustimmung des Vermieters versagt oder widerrufen werden kann, wenn durch die Tierhaltung eine Beeinträchtigung der übrigen Mieter oder des Grundstücks zu befürchten ist, ist bedenkenfrei.

    Quelle: Ausgabe 04 / 2013 | Seite 59 | ID 38559230