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  • 01.10.2005 | Wohnraummiete

    Rückgewähr der Mietsicherheit: Die 9 häufigsten Fragen zu den Gegenrechten des Vermieters

    von RiAG Dr. Ulrich Schumacher, Dortmund

    Will der Vermieter dem Anspruch auf Rückgewähr der Mietsicherheit entgegentreten, benötigt er von seinem Berater präzise Antworten auf seine Fragen. Die Checkliste hilft, das Beratungsgespräch effizient zu führen.  

     

    Checkliste: Kautions-Rückgewähr – Die 9 häufigsten Fragen zu Gegenrechten des Vermieters

    1. Darf der Vermieter mit Gegenansprüchen aufrechnen?

    Ja. Gegenüber dem Anspruch des Mieters auf Rückgewähr der Kaution kann der Vermieter nach §§ 387 ff. BGB aufrechnen (vgl. kommentiertes Muster in Hinz/Junker/v. Rechenberg/Sternel, Text- und Diktathandbuch Mietrecht, 3. Aufl., S. 801). Der Vermieter darf auch noch nach Ablauf der Prüfungsfrist aufrechnen, da sich aus ihrem Ablauf kein Aufrechnungsverbot ergibt (BGH NJW 87, 2372; Bamberger/Roth/Ehlert, BGB, § 551 Rn. 44; zur Dauer der Prüffrist Schumacher, MK 05, 130; Börstinghaus, MK 05, 83).  

    2. Mit welchen Ansprüchen genau kann der Vermieter aufrechnen?

    Das hängt von der Sicherungsabrede der Parteien ab. Soweit diese keine besonderen Abreden getroffen haben, ist davon auszugehen, dass sämtliche Vermieterforderungen gesichert werden sollen, z.B. auch evtl. Ansprüche aus § 546a BGB (Staudinger/Emmerich, 2003, § 551 Rn. 32). Es sind jedoch folgende Ausnahmen zu beachten:  

    • Mit den Kosten des laufenden Prozesses kann der Vermieter nicht aufrechnen (LG Heilbronn WuM 98, 20; Bamberger/Roth/Ehlert, a.a.O., § 551 Rn. 44). Der Sicherungszweck der Mietsicherheit erfasst zwar auch diesen Anspruch (OLG Düsseldorf NZM 01, 380), jedoch muss ein vorläufig vollstreckbarer Titel vorliegen, so dass eine Aufrechnung im laufenden Prozess ausscheidet (LG Hamburg NZM 01, 1076; Hannemann/Wiek, Handbuch des Mietrechts, 2. Aufl., § 30 Rn. 241).

     

    • Die Gegenansprüche müssen auf demselben Mietverhältnis wie der Rückzahlungsanspruchs des Mieters beruhen. Der Vermieter kann daher nicht mit Ansprüchen aus früheren oder anderen Mietverhältnissen aufrechnen (Anwaltkomm-BGB/Riecke, § 551 Rn. 42).

     

    • Nach § 9 Abs. 5 S. 1 WoBindG ist eine Mietsicherheit bei öffentlich gefördertem bzw. preisgebundenem Wohnraum nur zulässig, wenn sie Ansprüche aus Schäden an der Wohnung oder unterlassenen Schönheitsreparaturen sichern soll. Eine Vereinbarung im Mietvertrag, nach der eine Sicherheit zur Absicherung weiterer Verpflichtungen des Mieters dienen soll, ist dort insgesamt unwirksam (AG Hannover NZM 98, 765; Kossmann, Handbuch der Wohnraummiete, 6. Aufl., § 39 Rn. 41). Gegen den Anspruch des Mieters auf Rückzahlung der Kaution kann der Vermieter daher nach altem Recht bei solchem Wohnraum nur mit den bezeichneten Schadenersatzansprüchen aufrechnen (AG Köln WuM 00, 22; Kossmann, a.a.O.). Das WoBindG ist aber zum 1.1.02 durch das WoFG ersertzt worden, so dass es nur noch für Altverträge gilt.
    3. Darf der Vermieter mit Gegenforderungen aufrechnen, wenn diese verjährt sind?

    Grundsätzlich ja, § 215 BGB. Das gilt auch, wenn der Vermieter nicht innerhalb von sechs Monaten seit Beendigung des Mietvertrags abgerechnet hat (BGH NJW 87, 2372, vgl. Schumacher, MK 05, 129).  

    4. Gilt dies auch, wenn der Mieter mittels Bürgschaft Sicherheit geleistet hat?

    Nein (BGH NJW 98, 981; Palandt/Weidenkaff, BGB, 64. Aufl., Rn. 123 vor § 535). Gegenüber dem Bürgen besteht i.d.R. keine Aufrechnungslage, sondern nur ein Zahlungsanspruch. Wird dieser erst nach Ablauf der Verjährungsfrist geltend gemacht, kann sich der Bürge gemäß § 768 BGB auf die Verjährung der gesicherten Forderung berufen: § 216 Abs. 1und § 215 BGB sind bei dieser Konstellation nicht analog anwendbar (BGH, a.a.O.; OLG Hamm NJW-RR 95, 939, zu § 390 S. 2, § 223 Abs. 1 BGB a.F.).  

    5. Gibt es sonstige Einschränkungen und Ausnahmen?

    Der Vermieter kann auch nicht mit Gegenforderungen aufrechnen, die bereits bei Entstehung der Aufrechnungslage, d.h. bei Rückgabe der Mietsache, verjährt waren (OLG Düsseldorf ZMR 02, 658; Anwaltkomm-BGB/Riecke, a.a.O., § 551 Rn. 42). Insoweit wird das Aufrechnungsverbot des § 390 BGB nicht von § 215 BGB verdrängt (Riecke, a.a.O.). Die Aufrechnungslage ist hier erst mit Rückgabe der Mietsache gegeben. Davor hat der Mieter nur einen aufschiebend bedingten Anspruch auf Rückgewähr der Mietsicherheit (Schumacher, MK 05, 129).  

     

    Die Aufrechnung mit einer verjährten Gegenforderung ist ebenfalls ausgeschlossen, wenn der Mieter schon vorher seinen fälligen Rückzahlungsanspruch gemäß § 396 Abs. 1 S. 1 BGB gegen eine andere, unverjährte Forderung des Vermieters wirksam aufgerechnet hat (LG Berlin GE 98, 1397; Kraemer, NZM 01, 737). Maßgeblich ist die zeitlich frühere wirksame Aufrechnung (Lammel, Wohnraummietrecht, 2. Aufl., § 551 Rn. 81). Das gilt auch bei einem Aufrechnungsverbot im Mietvertrag (Bamberger/Roth/Ehlert, a.a.O., § 551 Rn 43).  

     

    Praxishinweis: Der Vermieter kann aber vorsorgen. Seine Ansprüche können unterschiedlichen Verjährungsfristen unterliegen. So gilt für Ersatzansprüche i.S. des § 548 BGB gemäß § 548 Abs. 1 S. 1 BGB eine Verjährungsfrist von sechs Monaten. Dagegen verjähren die Ansprüche auf rückständige Miete und Betriebskosten gemäß § 195 BGB in drei Jahren (Blank/Börstinghaus, Miete, 2. Aufl., § 548 Rn. 36f). Der Vermieter sollte also, wenn die Kaution nicht für seine gesamten Gegenforderungen ausreicht, nach § 396 Abs. 1 S. 1 BGB eine Aufrechnungsreihenfolge bestimmen. Er kann dann mit den verjährten Forderungen aufrechnen – soweit nicht eine der o.g. Ausnahmen eingreift – und die nicht verjährten Forderungen einklagen. Macht er von seinem Bestimmungsrecht keinen Gebrauch oder widerspricht der Mieter unverzüglich, gilt gemäß § 396 Abs. 1 S. 2 BGB die gesetzliche Reihenfolge des § 366 Abs. 2 BGB. Es kann auch abweichend von § 396 BGB von vornherein eine Tilgungsreihenfolge im Mietvertrag vereinbart werden (Bub/Treier/Scheuer, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Aufl., V. Rn. 292). Formularklauseln zu Gunsten des Vermieters sind jedoch nur wirksam, wenn die Interessen des Mieters angemessen berücksichtigt werden (BGH NJW 84, 2404).  

    6. Darf der Vermieter die Kaution als Druckmittel zur Erfüllung verjährter Ansprüche einsetzen?

    Nein. Dies wird zwar häufig, z.B. bei verjährten Renovierungsansprüchen, versucht, ist aber unzulässig (LG Hamburg WuM 91, 95; Lammel, a.a.O., § 551 Rn. 80).  

     

    7. Ist der Vermieter berechtigt, wegen noch nicht abgerechneter Betriebskosten die Kaution (oder einen Teil) einzubehalten?

    Diese Frage ist umstritten:  

    • Es wird die Auffassung vertreten, dass ein Zurückbehaltungsrecht nur ausgeübt werden kann, wenn es vertraglich vereinbart ist (Staudinger/Emmerich, a.a.O., § 551 Rn. 31; Schmidt-Futterer/Blank, Mietrecht, 8. Aufl., § 551 BGB Rn. 74; kein Zurückbehaltungrecht: LG Berlin GE 05, 433, das insoweit die Revision zugelassen hat, BGH-Az.: VIII ZR 71/05). Der BGH hat sich bisher hierzu noch nicht geäußert.
    • Die h.M. bejaht ein Zurückbehaltungsrecht des Vermieters, wenn ein Nachzahlungsanspruch zu seinen Gunsten für noch nicht fällige Betriebskosten zu erwarten ist (OLG Düsseldorf ZMR 00, 211; OLG Karlsruhe WuM 87, 156; Bub/Treier, a.a.O., V. Rn. 289).

     

    Einschränkung: Der Vermieter muss darlegen, dass die zu erwartende Nachforderung die Höhe der Sicherheit erreicht, die einbehalten wird (AG Neuss WuM 91, 547; Bub/Treier, a.a.O.). Falls sie nicht die gesamte Höhe erreicht, darf der Vermieter (nur) einen angemessenen Teil einbehalten (LG Regensburg NJW-RR 95, 907), begrenzt auf 3 bis 4 Monatsmieten (Hannemann/Wiek, a.a.O., § 30 Rn. 240). Das Zurückbehaltungsrecht entfällt ganz, wenn der Vermieter die Abrechnungsfrist des § 556 Abs. 3 S. 2 BGB nicht eingehalten hat (Anwaltkomm-BGB/Rieke, a.a.O., § 551 Rn. 47).  

    8. Verzichtet der Vermieter auf seine Gegenrechte, wenn er die Mietsicherheit vorbehaltlos zurückgibt?

    Ja. Die h.M. sieht in der vorbehaltlosen Rückgabe der Mietsicherheit bei Vertragsende ein negatives deklaratorisches Schuldanerkenntnis i.S.d. § 397 Abs. 2 BGB (OLG München NJW-RR 90, 20; Schmidt-Futterer/Blank, a.a.O., § 551 Rn. 70; a. A. Bub/Treier/Scheuer, a.a.O., V. Rn 293; Geldmacher, DWW 02, 182, 196). Dieses habe den Inhalt, dass der Vermieter den Zustand der Mietsache als vertragsgemäß anerkenne und auf die Geltendmachung von Ersatzansprüchen wegen erkennbarer Mängel oder Beschädigungen verzichte (OLG München, a.a.O.; OLG Düsseldorf WuM 01, 439: unter bestimmten Voraussetzungen Erlassvertrag). Damit ist die spätere Geltendmachung von solchen Ansprüchen des Vermieters ausgeschlossen, die dieser gekannt hat oder hätte kennen können (OLG München, a.a.O.).  

     

    Praxishinweis: Die Ansprüche des Vermieters auf zum Zeitpunkt der Rückgabe der Mietsicherheit noch nicht fällige Betriebskostennachforderungen sollen von dem Anerkenntnis nicht umfasst sein, da es dem Vermieter freistehe, ob er wegen dieser Ansprüche ein Zurückbehaltungsrecht geltend macht (Schmidt-Futterer/Blank, a.a.O.).  

    9. Verliert der Vermieter seine Gegenrechte, wenn er die Rückgewähr der Sicherheit vorbehaltlos zusagt?

    Ja. Er kann dann weder aufrechnen noch Zurückbehaltungsrechte geltend machen (Bub/Treier/Scheuer, a.a.O., V. Rn 293; Hannemann/Wiek, a.a.O., § 30 Rn. 239).  

     

     

     

     

    Quelle: Ausgabe 10 / 2005 | Seite 165 | ID 88713