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11.06.2010 · IWW-Abrufnummer 101589

Bundesfinanzhof: Urteil vom 11.02.2010 – VI R 47/08

Hat ein Arbeitgeber aufgrund einer Vereinbarung über eine stille Beteiligung den Arbeitnehmern Beteiligungskapital auf Beteiligungskonten gutgeschrieben, hat bereits die Gutschrift den Zufluss von Arbeitlohn bewirkt, wenn das Beteiligungskapital verzinst wird und die Gewinnanteile jeweils bei Fälligkeit mit der Lohnabrechnung an die Arbeitnehmer ausbezahlt werden. Dass die Arbeitnehmer langfristig in der Verwendung der gutgeschriebenen Beträge beschränkt sind, steht dem Zufluss nicht entgegen. Die für Rechtsverhältnisse zwischen nahen Angehörigen geltenden Grundsätze kommen weder unmittelbar noch sinngemäß zur Anwendung.


BFH v. 11.02.2010

VI R 47/08

Gründe
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betreibt eine Druckerei und Buchbinderei. Sie befand sich im Jahr 2000 in wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Eine von ihr beauftragte Unternehmens- und Beratungsgesellschaft schlug im Juli 2000 in einem Strategie- und Restrukturierungskonzept als Maßnahme zur Kostensenkung u.a. die Variabilisierung von Urlaubsgeld und Jahressonderzahlung über einen Zeitraum von drei Jahren vor. Als teilweisen Ausgleich bzw. zur Hebung der Motivation sollten die Arbeitnehmer eine stille Beteiligung erhalten, wobei die Klägerin den Arbeitnehmern den Grundstock in Höhe von je 1.000 DM schenken sollte (drei Jahre á 333 DM). Die Mindestverzinsung sollte 5 % betragen, die Maximalverzinsung 100 %, höchstens aber 10 % des Unternehmensgewinns. Die stille Beteiligung sollte auf unbestimmte Dauer eingegangen und ordentlich erstmals zum 31. Dezember 2011 mit einer Frist von sechs Monaten zum Ende eines Kalenderjahres gekündigt werden können.

Dem Konzept entsprechend schloss die Klägerin mit den Arbeitnehmern, die der „Variabilisierung von Urlaubsgeld und Jahressonderzahlung” zustimmten, eine sog. Individualvertragliche Ergänzung zum Arbeitsvertrag und zusätzlich eine „Vereinbarung über eine stille Mitarbeiterbeteiligung” ab. Entsprechend dieser Vereinbarung schrieb die Klägerin zum 31. Dezember der Jahre 2001 bis 2003 in ihren Jahresabschlüssen den Beteiligungskonten der betreffenden Arbeitnehmer jeweils 300 DM gut. Ein weiterer Betrag von 100 DM wurde zum 31. Dezember 2004 gutgeschrieben.

Die Klägerin hat für die gutgeschriebenen Beträge keine Lohnsteuer einbehalten und abgeführt, da es nach ihrer Auffassung an einem Zufluss von Arbeitslohn fehlte. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) ging nach einer Lohnsteuer-Außenprüfung hingegen von einem Zufluss aus und nahm deshalb die Klägerin im Wege der Haftung in Anspruch. Der Einspruch blieb im Wesentlichen erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 665 veröffentlichten Gründen ab.

Mit ihrer dagegen gerichteten Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.

Sie beantragt sinngemäß, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils den Haftungs- und Nachforderungsbescheid des FA in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 6. März 2006 in der Weise zu ändern, dass die Haftungssumme um 15.907 € gemindert wird.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Das FG hat zu Recht entschieden, dass bereits die Gutschrift des Beteiligungskapitals den Zufluss i.S. von § 11 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) bewirkt hat.

1. Nach § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG haftet der Arbeitgeber für die Lohnsteuer, die er nach § 38 Abs. 3 Satz 1 EStG bei jeder Lohnzahlung vom Arbeitslohn für Rechnung des Arbeitnehmers einzubehalten und nach § 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG abzuführen hat. Hinsichtlich der auf das streitige Beteiligungskapital entfallenden Lohnsteuer liegen diese Haftungsvoraussetzungen vor.

2. Zu den Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit gehören nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 8 Abs. 1 EStG alle Güter, die in Geld oder Geldeswert bestehen und die dem Arbeitnehmer aus dem Dienstverhältnis für das Zurverfügungstellen seiner individuellen Arbeitskraft zufließen. Zwischen den Beteiligten ist zu Recht nicht streitig, dass die gutgeschriebenen Beträge einen geldwerten, der Entlohnung dienenden Vorteil darstellen.

a) Arbeitslohn, der —wie im Streitfall— nicht als laufender Arbeitslohn gezahlt wird (sonstige Bezüge), wird in dem Kalenderjahr bezogen, in dem er dem Arbeitnehmer zufließt (§ 11 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 38a Abs. 1 Satz 3 EStG). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) führt das Innehaben von Ansprüchen oder Rechten den Zufluss von Einnahmen regelmäßig noch nicht herbei. Der Anspruch auf die Leistung begründet noch keinen gegenwärtigen Zufluss von Arbeitslohn. Der Zufluss ist grundsätzlich erst mit der Erfüllung des Anspruchs gegeben. Ein Vorteil ist dem Arbeitnehmer erst dann zugeflossen, wenn der Arbeitgeber die geschuldete Leistung tatsächlich erbringt. So ist mit der Zusage des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer künftig Leistungen zu erbringen, der Zufluss eines geldwerten Vorteils erst in dem Zeitpunkt bewirkt, in dem der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer das wirtschaftliche Eigentum an dem versprochenen Vorteil verschafft.

Der Übergang der wirtschaftlichen Verfügungsmacht richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls (BFH-Urteil vom 12. April 2007 VI R 89/04, BFHE 217, 555, BStBl 2007 II S. 719 m.w.N.). Geldbeträge fließen dem Steuerpflichtigen in der Regel dadurch zu, dass sie bar ausgezahlt oder einem Konto des Empfängers bei einem Kreditinstitut gutgeschrieben werden. Jedoch kann auch eine Gutschrift in den Büchern des Verpflichteten einen Zufluss bewirken, wenn in der Gutschrift nicht nur das buchmäßige Festhalten einer Schuldbuchverpflichtung zu sehen ist, sondern darüber hinaus zum Ausdruck kommt, dass der Betrag dem Berechtigten von nun an zur Verfügung steht. Allerdings muss der Gläubiger in der Lage sein, den Leistungserfolg ohne weiteres Zutun des im Übrigen leistungsbereiten und leistungsfähigen Schuldners herbeizuführen (ständige Rechtsprechung, vgl. etwa BFH-Urteile vom 2. November 1962 VI 284/61 S, BFHE 76, 270, BStBl III 1963, 96; vom 14. Mai 1982 VI R 124/77, BFHE 135, 542, BStBl II 1982, 469; vom 14. Februar 1984 VIII R 221/80, BFHE 140, 542, BStBl II 1984, 480; vom 2. März 1993 VIII R 13/91, BFHE 171, 48, BStBl II BStBl 1948 II S. 1993, BStBl 1948 II S. 602; vom 24. März 1993 X R 55/91, BFHE 171, 191, BStBl II 1993, 499; vom 2. September 1994 VI R 35/94, BFH/NV 1995, 208; vom 11. Mai 1999 VIII R 70/95, BFH/NV 2000, 18; vom 30. Oktober 2001 VIII R 15/01, BFHE 197, 126, BStBl II 202, 138; vom 18. Dezember 2001 IX R 74/98, BFH/NV 2002, 643, m.w.N.; vom 28. Oktober 2008 VIII R 36/04, BFHE 223, 166, BStBl II 2009, 190).

b) Bei Anlegung dieser Maßstäbe ist bei den Arbeitnehmern ein Zufluss des jeweils gutgeschriebenen Beteiligungskapitals i.S. von § 11 Abs. 1 EStG im Zeitpunkt der Gutschrift zu bejahen.

aa) Die Arbeitnehmer haben in der „Vereinbarung über eine stille Mitarbeiterbeteiligung” der Gutschrift auf den Beteiligungskonten zugestimmt. In der Überlassung der fälligen und verdienten Beträge liegt wirtschaftlich eine Vorausverfügung, die nicht anders behandelt werden kann als die Auszahlung und die Wiedereinzahlung auf die Beteiligungskonten (BFH-Urteil in BFHE 171, 191, BStBl II 1993, 499). Entscheidend ist, dass die Gutschrift zu der bestimmungsgemäßen Verwendung, nämlich der Zahlung der Einlage gemäß § 230 Abs. 1 des Handelsgesetzbuchs (HGB), zur Verfügung stand. Die Gutschrift ersetzte insoweit die tatsächliche Einzahlung, die nötig ist, um die Voraussetzungen des § 230 Abs. 1 HGB zu erfüllen.

bb) Zwar sind die Arbeitnehmer im Streitfall langfristig in der Verwendung der gutgeschriebenen Beträge beschränkt. Dies steht jedoch dem Zufluss nicht entgegen. Denn auch im vergleichbaren Fall des Erwerbs von Aktien zum verbilligten Kurs steht dem Zufluss nicht entgegen, dass der Arbeitnehmer aufgrund einer Sperr- bzw. Haltefrist die Aktien für eine bestimmte Zeit nicht veräußern kann (BFH-Urteile vom 30. September 2008 VI R 67/05, BFHE 223, 98, BStBl II 2009, 282; vom 24. Januar 1990 I R 55/85, BFHE 162, 19, BStBl II 1991, 147).

cc) Darüber hinaus spricht auch der Umstand, dass die angesammelten Beträge im Streitfall verzinst werden, dafür, dass der Steuerpflichtige ihm zuzurechnendes Kapital entgeltlich zur Nutzung überlässt (vgl. BFH-Urteile in BFHE 171, 191, BStBl 1993 II S. 499 und vom 9. April 1968 IV 267/64, BFHE 92, 221, BStBl II 1968, 525). Es kommt hinzu, dass —wie das FG festgestellt hat— die Gewinnanteile jeweils bei Fälligkeit mit der Lohnabrechnung an die Arbeitnehmer ausbezahlt werden.

dd) Entgegen der Auffassung der Klägerin steht das Senatsurteil in BFHE 135, 542, BStBl II 1982, 469 dem Ergebnis schon deshalb nicht entgegen, weil auch danach ein Zufluss anzunehmen ist, wenn die Gutschriften als Vermögenseinlagen der Arbeitnehmer zur Begründung einer stillen Gesellschaft zu verstehen sind. Der Senat geht davon aus, dass in einem solchen Fall die Arbeitnehmer bereits über ihre Mittel durch verzinsliches Stehenlassen im Vermögen des Arbeitgebers verfügt haben. Es handelt sich um eine von diesen getroffene Vorausverfügung und nicht nur um eine „zustimmende Kenntnisnahme” (BFH-Urteil in BFHE 171, 191, BStBl II 1993, 499).

Zwar stellt die Klägerin in Frage, ob im Streitfall der Vertragswille, jeweils eine stille Gesellschaft zu gründen, dem objektiven Rechtsbild der stillen Gesellschaft entspricht (vgl. dazu BFH-Urteil in BFHE 223, 166, BStBl II 2009, 190). Diesem Aspekt kommt jedoch keine entscheidungserhebliche Bedeutung zu. Denn auch im Fall eines partiarischen Darlehens verfügen die Arbeitnehmer in gleicher Weise bereits über ihre Mittel durch verzinsliches Stehenlassen beim Arbeitgeber (BFH-Urteil in BFHE 135, 542, BStBl II 1982, 469).

ee) Entgegen der Auffassung der Klägerin kommen die für Rechtsverhältnisse zwischen nahen Angehörigen geltenden Grundsätze weder unmittelbar noch sinngemäß zur Anwendung.

RechtsgebieteEStG, HGBVorschriftenEStG § 8 Abs. 1 , EStG § 11 Abs. 1 , EStG § 19 , EStG § 38 Abs. 3 , EStG § 41a , EStG § 42d , HGB § 230

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