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10.05.2007 · IWW-Abrufnummer 071618

Bundesgerichtshof: Beschluss vom 12.12.2006 – VI ZR 276/05

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS

VI ZR 276/05

vom
12. Dezember 2006

in dem Rechtsstreit

Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12. Dezember 2006 durch die Vizepräsidentin Dr. Müller, den Richter Wellner, die Richterin Diederichsen und die Richter Stöhr und Zoll

beschlossen:

Tenor:

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin wird das Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 15. Dezember 2005 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Gegenstandswert: 83.105,01 ¤

Gründe:

1. Die Nichtzulassungsbeschwerde hat Erfolg und führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des angegriffenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht. Die angefochtene Entscheidung verletzt den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG.

2. Mit Erfolg macht die Nichtzulassungsbeschwerde geltend, dass das Berufungsgericht verfahrensfehlerhaft von einer Anhörung des HNO - Sachverständigen Prof. Dr. S. abgesehen hat.

Die Nichtzulassungsbeschwerde verweist zu Recht darauf, dass das Berufungsgericht bei der Ablehnung einer Anhörung des Sachverständigen das Senatsurteil BGHZ 159, 254 nicht ausreichend berücksichtigt hat. Nach diesem Urteil können sich aus einer fehlerhaften Rechtsanwendung konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Feststellungen des erstinstanzlichen Gerichts ergeben, die eine erneute Tatsachenfeststellung durch das Berufungsgericht gebieten (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Einem erstmals in zweiter Instanz gestellten Antrag auf Anhörung eines Sachverständigen gemäß §§ 402, 397 ZPO hat das Berufungsgericht stattzugeben, wenn er entscheidungserhebliche Gesichtspunkte betrifft, die das Gericht des ersten Rechtszuges aufgrund einer fehlerhaften Beurteilung der Rechtslage übersehen hat.

Hier hat das Berufungsgericht zwar gesehen, dass das Landgericht wegen der Nichtanwendung des § 287 ZPO einen Rechtsfehler begangen haben kann. Rechtsfehlerhaft hat es aber aufgrund einer eigenen Würdigung der erstinstanzlich eingeholten Sachverständigengutachten die Überzeugung gewonnen, dass die Klägerin auch nach den gemäß § 287 ZPO geringeren Anforderungen an die Überzeugungsbildung im Ergebnis den ihr obliegenden Nachweis einer haftungsausfüllenden Kausalität nicht geführt hat. Das vom Berufungsgericht maßgeblich herangezogene orthopädische Sachverständigengutachten hat dafür keine ausreichende Grundlage geboten. Der orthopädische Sachverständige ist nämlich bei seinem Gutachten davon ausgegangen, dass Vollbeweis geführt werden müsse; hinsichtlich einer Verschlimmerung der vorbestehenden degenerativen Veränderungen hat er überdies den sozialrechtlichen Maßstab einer richtungweisenden Verschlimmerung zugrunde gelegt. Zudem hatte bereits das Landgericht nicht ausreichend berücksichtigt, dass der orthopädische Sachverständige nur eine Begutachtung auf seinem Fachgebiet vorgenommen hat. Dies war ihm aufgrund des Beweisbeschlusses des Landgerichts auferlegt. Demgemäß hat er an verschiedenen Stellen seines Gutachtens ausdrücklich darauf abgestellt, dass auf orthopädischem Fachgebiet keine Beeinträchtigung vorliege, die mit ausreichender Sicherheit auf das Unfallgeschehen zurückgeführt werden könne. Er hat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er keine Ausführungen dazu machen könne, inwieweit seine Einschätzung sich auf das Fachgebiet Hals-Nasen-Ohren auswirke und dass hinsichtlich des HNO-Bereichs, insbesondere auch hinsichtlich der Abgrenzbarkeit zu Beschwerden, welche auf degenerativen Veränderungen beruhten, auf den HNO-Sachverständigen verwiesen werden müsse.

Unter diesen Umständen wäre es schon im erstinstanzlichen Verfahren erforderlich gewesen, von Amts wegen den HNO-Sachverständigen zum orthopädischen Sachverständigengutachten Stellung nehmen zu lassen und den vom orthopädischen Sachverständigen zugrunde gelegten Beweismaßstab zu hinterfragen. Jedenfalls hätte das Gericht die Klägerin gemäß § 139 Abs. 2 ZPO vor Erlass seines Urteils darauf hinweisen müssen, dass nach seiner Auffassung den Ausführungen des HNO-Sachverständigen wegen der abweichenden Ausführungen im orthopädischen Gutachten nicht zu folgen sei, damit die Klägerin dazu Stellung nehmen und gegebenenfalls die Anhörung des HNO-Sachverständigen beantragen konnte.

3. Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Berufungsurteil auf der Nichtbeachtung dieser Umstände und der durch die Nichtanhörung des HNO-Sachverständigen gegebenen Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) beruht, war das Urteil aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Im weiteren Verfahren wird zu beachten sein, dass die Sachverständigen den richtigen Beweismaßstab des § 287 ZPO zugrunde legen und den Unterschied zwischen dem sozialrechtlichen und dem für die zivilrechtliche Haftung maßgebenden Kausalitätsmaßstab beachten (vgl. dazu Senatsurteil vom 19. April 2005 - VI ZR 175/04 - VersR 2005, 945, 946).

RechtsgebietZPOVorschriftenZPO § 139 Abs. 2 ZPO § 287 ZPO § 397 ZPO § 402 ZPO § 544 Abs. 7

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