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17.03.2011 · IWW-Abrufnummer 110907

Oberlandesgericht Frankfurt/Main: Urteil vom 18.03.2010 – 14 U 74/08

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


14 U 74/08
Tenor
Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Fulda vom 19. März 2008 abgeändert.
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin zu 1) 383,27 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16. November 2005 sowie vorgerichtlicher Anwaltskosten von 60,51 € zu zahlen.
Die Beklagten werden weiter als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger zu 2) 1.585,23 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16. November 2005 sowie vorgerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von 60,51 € zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin zu 1) 2/3 des Schadens zu ersetzen, der ihr in der Vollkaskoversicherung bei der A-Versicherungs AG, Nr. ..., in den Jahren 2006 bis 2013 deswegen entsteht, weil sie die A-Versicherungs-AG aus der genannten Vollkaskoversicherung wegen des Reparaturschadens an ihrem Fahrzeug aus dem Verkehrsunfall vom … .2005 in O1, B- Straße, in Anspruch genommen hat.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des ersten Rechtszuges werden wie folgt verteilt:
Von den Gerichtskosten und außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) und 2) haben die Klägerin zu 1) 15 %, der Kläger zu 2) 23 % und die Beklagten als Gesamtschuldner 62 % zu tragen. Von den außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 1) fallen dieser 47 % und den Beklagten 53 % zur Last.
Von den außergerichtlichen Kosten des Klägers zu 2) haben dieser 57 % und die Beklagten 43 % zu tragen.
Die Kosten des zweiten Rechtszuges werden wie folgt verteilt:
Von den Gerichtskosten und außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) und 2) haben die Klägerin zu 1) 7 %, der Kläger zu 2) 26 % und die Beklagten als Gesamtschuldner 67 % zu zahlen.
Von den außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 1) fallen dieser 16 % und den Beklagten 84 % zur Last.
Von den außergerichtlichen Kosten des Klägers zu 2) tragen dieser selbst 49 % und die Beklagten als Gesamtschuldner 51 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Kläger nehmen die Beklagten auf Zahlung von Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall vom … .2005 in Anspruch.
Der Kläger zu 2) befuhr am … .2005 gegen 10.40 Uhr mit seinem PKW X der Klägerin zu 1) die C-Straße in O1 in Richtung B- Straße. Die Sackgasse C-Straße verläuft ein Stück parallel zur B-Straße und mündet dann in diese wie eine Autobahnzufahrt ein. Der Kläger zu 2) fuhr mit einer Geschwindigkeit von etwa 20 km/h und wollte nach rechts in die B-Straße abbiegen. Zur gleichen Zeit kam der Beklagte zu 1) mit seinem PKW Y mit einem Doppelachsanhänger in Fahrtrichtung des Klägers gesehen von rechts aus seiner Hofausfahrt und bog nach rechts in die C-Straße ein, um anschließend an der Einmündung zur B-Straße nach links abzubiegen. Der Beklagte zu 1) ist als Kfz-Halter bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversichert. Um sich besser in den fließenden Verkehr auf der B-Straße einfädeln zu können, fuhr der Kläger zu 2) einen Bogen nach links und dann parallel zur B-Straße, so dass er sich auf der Gegenfahrbahn der C-Straße befand. Kurz vor der Einmündung der B-Straße prallte er mit seiner rechten vorderen Frontseite gegen die Zugmaschine des Beklagten zu 1). Die Einzelheiten des Unfalls sind streitig. Der Kläger zu 2) zog sich durch einen Aufprall am Lenkrad eine Platzwunde am Kopf und eine Halswirbeldistorsion zu.
Die Klägerin zu 1), die wegen des Fahrzeugschadens ihre Vollkaskoversicherung in Anspruch genommen hat, beziffert ihren Schaden wie folgt:

Selbstbeteiligung in der Vollkaskoversicherung 500,00 €;
merkantiler Minderwert 350,00 €;
7 Tage Nutzungsausfallentschädigung 174,00 €;
Gutachterkosten 551,87 €;
Gesamtschaden mithin 1.575,87 €
Der Kläger zu 2) beziffert seinen Unfallschaden wie folgt:
Schmerzensgeld 1.300,00 €;
Heilbehandlungskosten 1.027,85 €;
Verdienstausfallschaden 1.250,00 €
Gesamtschaden 3.577,85 €.
Die Parteien streiten über die Ersatzpflicht der Beklagten. Während die Kläger der Auffassung sind, die Beklagten seien wegen eines Verstoßes des Beklagten zu 1) gegen § 10 StVO für die Unfallschäden der Kläger allein verantwortlich, sind die Beklagten der Meinung, den Kläger zu 2) treffe das alleinige Verschulden, da er auf das stehende Gespann des Beklagten zu 1) aufgefahren sei. Die Beklagten erklären hilfsweise die Aufrechnung mit einer auf die Beklagte zu 2) übergegangenen Schadensersatzforderung des Beklagten zu 1) gegen die Kläger in Höhe von 3.055,80 €. In dieser Höhe hat die Beklagte zu 2) den Fahrzeugschaden des Beklagten zu 1) aus der Kaskoversicherung reguliert (Bd. I Bl. 59 d.A.).
Wegen der weiteren tatsächlichen Feststellungen wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Klage durch Urteil vom 19.3.2008 (Bd. I Bl. 189 ff d.A.) abgewiesen und zur Begründung ausgeführt:
Die Schadensersatzforderungen der Kläger seien nur mit einer Haftungsquote von 20 % begründet, weil den Kläger zu 2) das überwiegende Verschulden am Unfall treffe. Ein Verstoß des Beklagten zu 1) gegen § 10 StVO liege nicht vor, weil dieser zum Kollisionszeitpunkt bereits vollständig in die C-Straße eingeboten gewesen sei. Der Kläger zu 2) habe den Unfall durch ein erhebliches Aufmerksamkeitsdefizit verursacht, weil er ausschließlich durch einen Schulterblick nach links den auf der B-Straße fließenden Verkehr beobachtet habe. Dabei habe er das vor ihm befindliche Gespann des Beklagten zu 1) übersehen. Der Klägerin zu 1) stehe ein Schadensersatzanspruch von 850 € zu, da sie wegen des Quotenvorrechts die Selbstbeteiligung aus der Kaskoversicherung von 500 € und die Wertminderung von 350 € voll beanspruchen könne. Die Kosten für den Gutachter von 551,87 € seien wegen des Bestreitens der Beklagten nicht gerechtfertigt. Auch der Nutzungsausfallschaden von 174 € sei nicht zu ersetzen, da die Klägerin zu 1) für den unfallbedingten Nutzungsausfallzeitraum ein Mietfahrzeug in Anspruch genommen habe. Dem Kläger zu 2) sei aus dem Unfall ein Gesamtschaden von 465,60 € (Bd. I Bl. 200 d.A.) zu ersetzen, nämlich 20 % aus einem Schmerzensgeld von 1.300 € und 20 % aus den Heilbehandlungskosten von 127,85 €. Beide Schadensersatzforderungen der Kläger plus die vorgerichtlichen Anwaltskosten seien jedoch durch die von der Beklagten zu 2) hilfsweise erklärten Aufrechnung mit einer Schadenersatzforderung von 3.580 € erloschen, weil insoweit 80 % gerechtfertigt seien, so dass die Klage im Ergebnis abzuweisen sei.
Gegen das Urteil richtet sich die Berufung der Kläger.
Die Kläger meinen weiterhin, der Beklagte zu 1) habe den Unfallschaden wegen eines Verstoßes gegen § 10 StVO alleine zu verantworten. Gegenansprüche bestünden nicht, weil die Betriebsgefahr des Fahrzeugs der Klägerin zu 1) vollständig hinter dem schweren Verschulden des Beklagten zu 1) zurücktrete.
Die Kläger beantragen,
das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin zu 1) einen Betrag von 1.575,87 € nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit und an den Kläger zu 2) einen Betrag von 3.577,85 € nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind der Klägerin zu 1) weitere 80 % des Schadens zu ersetzen, der ihr in der Vollkaskoversicherung bei der A-Versicherungs-AG, Versicherungsschein Nr. 770/32/8983358070, in den Jahren 2006 bis 2013 genannten Vollkaskoversicherung wegen des Reparaturschadens an ihrem Fahrzeug aus dem Verkehrsunfall vom … .2005 in O1, B-Straße, in Anspruch genommen hat.
Die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin zu 1) weitere 353,44 € zu zahlen.
Die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger zu 2) weitere 159,25 € zu zahlen.
Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigen das angefochtene Urteil.
II.
Die an sich statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Kläger ist zulässig, und sie hat auch zum Teil Erfolg.
A.
Der Klägerin zu 1) steht gegen die Beklagten eine Schadensersatzforderung von 383,27 € und dem Kläger eine solche in Höhe von 1.585,23 € aus §§ 7, 17, 18 StVG, 823 Abs. 1, 253 Abs. 2, 249 BGB, 3 PflVG zu. Die darüber hinaus geltend gemachten Schadensersatzforderungen sind nicht begründet.
1. Die Klägerin zu 1) kann von dem Beklagten zu 1) als Fahrzeughalter gemäß § 7 Abs. 1 StVG auf der Grundlage einer Ersatzquote von 2/3 Ersatz ihres Unfallschadens verlangen, weil ihr PKW X beim Betrieb des PKW Y des Beklagten zu 1) beschädigt worden ist. Der Kläger zu 2) kann den Beklagten zu 1) ebenfalls aus § 7 Abs. 1 StVG auf Schadensersatz in Anspruch nehmen, weil er durch den Betrieb des Fahrzeugs des Beklagten zu 1) eine Körperverletzung in Form einer Platzwunde am Kopf und einer Halswirbeldistorsion erlitten hat. Die Beklagte zu 2) haftet gemäß § 3 Nr. 1 PflVG in gleichem Umfang wie der Beklagte zu 1), da dieser bei ihr als Kraftfahrzeughalter haftpflichtversichert ist.
2. Die Fahrzeughalterhaftung des Beklagten zu 1) ist nicht nach § 7 Abs. 2 StVG oder § 17 Abs. 3 Satz 1 StVG ausgeschlossen, weil der Unfall nicht auf höherer Gewalt beruht und der Unfall für den Beklagten zu 1) auch nicht unabwendbar war. Im Gegenteil trifft den Beklagten zu 1) ein Verschulden am Unfall.
a) Der Beklagte zu 1) hat seine Sorgfaltspflichten aus § 10 StVO verletzt. Danach durfte er von seinem Grundstück auf die C-Straße nur auffahren, wenn eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen war. Hier hat sich der Unfall beim Herausfahren aus der Hofeinfahrt des Beklagten zu 1) ereignet. Dem steht nicht entgegen, dass zum Kollisionszeitpunkt der Beklagte zu 1) mit seinem Gespann bereits vollständig in die C-Straße eingebogen war und sich nur noch einige Meter von der Begrenzungslinie zur B-Straße entfernt befand. § 10 StVO setzt nicht voraus, dass es direkt beim Ausfahren aus einem Grundstück zum Unfall kommt, sondern es genügt, dass ein räumlicher und zeitlicher Zusammenhang mit dem Herausfahren aus einem Grundstück besteht (vgl. OLG Düsseldorf VersR 1978, 852). Ein solcher räumlicher und zeitlicher Zusammenhang mit dem Herausfahren aus dem Betriebsgelände des Beklagten zu 1) ist gegeben, denn ausweislich des Fotos von der Endstellung der unfallbeteiligten Fahrzeuge stand das Heck des Anhängers des Beklagten zu 1) noch unmittelbar an der Hofausfahrt. Der zeitliche Zusammenhang des Unfalls mit dem Herausfahren aus dem Grundstück des Beklagten zu 1) ergibt sich auch aus der Aussage des Zeugen Z1 (Bd. I Bl. 88 d.A.), der beobachtet hat, wie der Beklagte zu 1) mit seinem Gespann im Schritttempo auf die C-Straße aufgebogen ist und dass es bei einer langsamen Vorwärtsbewegung des Gespanns plötzlich zu einem Unfallgeräusch kam. Es kann deshalb nach der Aussage des Zeugen Z1 ausgeschlossen werden, dass der Beklagte zu 1) mit seinem Gespann schon längere Zeit auf der C-Straße gestanden hat, bevor es zur Kollision mit dem PKW X der Klägerin zu 1) gekommen ist. Nach der Aussage des Zeugen Z1 kam es vielmehr unmittelbar mit dem Ausfahrvorgang zu der Kollision der Fahrzeuge. Auch wenn der Zeuge Z1 das vom Kläger zu 2) gesteuerte Fahrzeug selbst nicht gesehen hat, hat er das Kollisionsgeräusch sehr wohl wahrgenommen. Da sich der Unfall beim Ausfahren des Beklagten zu 1) aus dem Grundstück ereignet hat, spricht bereits der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass der Beklagte zu 1) seine Sorgfaltspflichten aus § 10 StVO verletzt hat (vgl. OLG Celle NJW-RR 2003, 1536).
b) Der Beklagte zu 1) hat den gegen ihn sprechenden Anscheinsbeweis nicht entkräftet. Da er nach § 10 StVO Von seinem Grundstück auf die C-Straße nur auffahren durfte, wenn dies ohne Gefährdung des vorfahrtsberechtigten Verkehrs möglich war, musste er das Vorfahrtsrecht des Klägers zu 2) beachten. Da der Kläger zu 2) die C-Straße mit dem PKW X langsam befuhr, bevor der Beklagte zu 1) mit seinem Gespann aus seinem Grundstück herauskam, ist davon auszugehen, dass der Beklagte zu 1) mit einem Blick nach links den sich langsam nähernden PKW X hätte erkennen können. Er war deshalb wartepflichtig und musste den Kläger zu 2) mit seinem Fahrzeug erst passieren lassen. Selbst wenn sich der Kläger zu 2) mit dem PKW X im Einmündungsbereich zur B-Straße räumlich weit nach links zur parallel verlaufenden B-Straße hin orientiert hatte und damit praktisch auf der Gegenfahrbahn der C-Straße fuhr, ändert dies an der Wartepflicht des Beklagten zu 1) nichts, denn das Vorfahrtsrecht des Klägers zu 2) bezog sich auf die gesamte Fahrbahnbreite. Dass der Beklagte zu 1) beim Herausfahren aus seinem Grundstück den vom Kläger zu 2) gesteuerten PKW nicht sehen konnte, hat der Beklagte nicht dargelegt und ist auch sonst nicht ersichtlich.
c) Der Verstoß des Beklagten zu 1) gegen § 10 StVO ist auch unfallursächlich geworden, denn der Kläger zu 2) hat nicht damit gerechnet, dass ihm ein aus einer Grundstücksausfahrt kommendes Fahrzeug das Vorfahrtsrecht nehmen würde. Er konnte darauf vertrauen, dass der Beklagte zu 1) seinen Vorrang beachtet. Unstreitig hat der Kläger zu 2) das Gespann des Beklagten zu 1) übersehen, weil er seine gesamte Aufmerksamkeit auf den auf der B-Straße fließenden Verkehr richtete, in die er nach rechts einbiegen wollte. Die objektiven Umstände sprechen dafür, dass der Beklagte zu 1) in dem Moment auf die C-Straße aufgefahren ist, als der Kläger zu 2) mit seinem Schulterblick nach links den rückwärtigen Verkehr auf der B-Straße beobachtete und deshalb nicht wahrnahm, dass der Beklagte zu 1) von seiner Grundstücksausfahrt in die C-Straße eingebogen war. Hätte der Beklagte zu 1) das Vorfahrtsrecht des Klägers zu 2) beachtet, wäre es nicht zu dem Unfall gekommen, sondern der Kläger hätte ungehindert in die B-Straße abbiegen können.
3. Aber auch für den Kläger zu 2) war der Unfall nicht unabwendbar, weshalb gemäß § 17 Abs. 3 StVG eine Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensanteile der unfallbeteiligten Kraftfahrer stattzufinden hat. Dem Kläger zu 2) fällt nämlich ebenfalls ein Verschulden am Unfall zur Last, was sich die Klägerin zu 1) zurechnen lassen muss. Unstreitig hat er das Gespann des Beklagten zu 1) übersehen, denn nach seinem eigenen Vorbringen ist er erst durch die Kollision auf dieses Fahrzeug aufmerksam geworden. Der Kläger zu 2) hat nach § 1 StVO die gebotene Rücksichtnahme auf andere Verkehrsteilnehmer außer Acht gelassen, denn bei gehöriger Sorgfalt hätte der Kläger zu 2) vor der Kollision bemerken müssen, dass der Beklagte zu 1) aus seiner Hofausfahrt auf die C-Straße auffuhr und sich vor ihm im Einmündungsbereich befand. Da der Beklagte zu 1) nach den glaubhaften Angaben des Zeugen Z1 nur mit Schrittgeschwindigkeit aus seinem Betriebsgelände herausgefahren ist, nahm das Hineinfahren in die C-Straße längere Zeit in Anspruch, so dass der Kläger zu 2) bei einem ordnungsgemäßen Blick nach vorn das Gespann des Beklagten zu 1) hätte bemerken müssen. Der Umstand, dass der Kläger zu 2) dies nicht erkannt hat, rechtfertigt den Schluss, dass er längere Zeit seinen Blick nicht nach vorne gerichtet und sich ausschließlich auf den von links kommenden Verkehr konzentriert hat. Es ist zwar verständlich, dass der Kläger zu 2) sein Hauptaugenmerk auf den von links kommenden Verkehr auf der B-Straße gerichtet hat, da er auf die B-Straße aufbiegen wollte. Dennoch durfte er dabei das Verkehrsgeschehen vor ihm auf der C-Straße nicht völlig außer Acht lassen. Insoweit trifft den Kläger zu 2) ein erhebliches Verschulden an der Kollision, da er genügend Zeit hatte, sich auf das langsam fahrende Gespann vor ihm einzustellen. Da der Kläger zu 2) selbst langsam fuhr, hätte er entweder durch eine Vollbremsung oder durch eine plötzliche Ausweichbewegung nach links die Kollision mit dem Fahrzeug des Beklagten zu 1) vermeiden können. Der Unfall war deshalb für den Kläger zu 2) nicht unabwendbar.
4. Die danach vorzunehmende Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensanteile gemäß § 17 Abs. 3 StVG führt zu dem Ergebnis, dass die Kläger nur zwei Drittel ihres Unfallschadens ersetzt verlangen können. Der Verstoß des Beklagten zu 1) gegen § 10 StVO wiegt schwer, weil § 10 StVO hohe Sorgfaltsanforderungen an den aus einem Grundstück ausfahrenden Kraftfahrer stellt. Demgegenüber konnte der Kläger zu 2) darauf vertrauen, dass sein Vorrang beachtet wird. Ihm kann nur ein Verstoß gegen das Gebot der erforderlichen Rücksichtnahme nach § 1 StVO angelastet werden, das trotz des erheblichen Aufmerksamkeitsdefizits des Klägers zu 2) weniger schwer wiegt als der Verstoß des Beklagten zu 1) gegen § 10 StVO. Darüber hinaus war die Betriebsgefahr des Fahrzeuges des Beklagten zu 1) nicht nur aufgrund der Verkehrssituation beim Ausfahren aus dem Betriebsgelände, sondern auch aufgrund des langsam fahrenden und schwerfälligen Gespanns deutlich erhöht. Die Betriebsgefahr des vom Beklagten zu 1) gesteuerten PKW’s war deutlich geringer, zumal dieser langsam fuhr. Bei dieser Sachlage trifft das überwiegende Verschulden am Unfall den Beklagten zu 1). Ein Zurücktreten der Betriebsgefahr des vom Kläger zu 2) gesteuerten PKW’s kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil auch ihn ein erhebliches Verschulden am Unfall trifft. Bei dieser Sachlage ist eine Haftungsquote von 2/3 zugunsten der Kläger gerechtfertigt.
5. Dies führt zu folgender Schadensabrechnung:
a) Schaden der Klägerin zu 1):
Der von der Klägerin zu 1) geltend gemachte Gesamtschaden von 1.575,87 € ist nur in Höhe von 1.401,87 € begründet. Zu Recht hat das Landgericht die 500 € Selbstbeteiligung aus der Vollkaskoversicherung sowie den merkantilen Minderwert von 350 € (Bd. I Bl. 4 d.A.) zugesprochen, da diese Beträge von der Vollkaskoversicherung der Klägerin zu 1) nicht reguliert worden sind. Zu Unrecht hat das Landgericht jedoch die Klage hinsichtlich der Sachverständigenkosten in Höhe von 551,87€ abgewiesen. Die Klägerin zu 1) hat diese Kosten durch Vorlage der Rechnung vom 10.8.2005 (Bd. I Bl. 16 d.A.) nachgewiesen und das Gutachten des Sachverständigen liegt vor. Das Bestreiten dieser Kosten durch die Beklagte mit Nichtwissen ist daher unerheblich. Nach dem Abrechnungsschreiben der Vollkaskoversicherung der Klägerin zu 1) vom 21.9.2005 (Bd. I Bl. 7 d.A.) steht auch fest, dass die Vollkaskoversicherung die Sachverständigenkosten nicht übernommen und damit ein Forderungsübergang nach § 67 VVG nicht stattgefunden hat. Deshalb kann die Klägerin zu 1) den Ersatz der Sachverständigenkosten von 551,87 € verlangen. Die Nutzungsentschädigung von 174 € (Bd. I Bl. 4 d.A.) ist dagegen nicht gerechtfertigt, weil die Klägerin zu 1) gemäß dem Schreiben des Automobilclub … vom 26.8.2005 (Bd. I Bl. 40 d.A.) in der Zeit vom … bis 19.8. einen Mietwagen in Anspruch genommen hat und damit ein Nutzungsausfallschaden nicht entstanden ist. Die danach begründete Schadensersatzforderung der Klägerin zu 1) in Höhe von 1.401,87 € ist nicht entsprechend der Haftungsquote auf 2/3 des Schadens zu beschränken, weil zu Gunsten der Klägerin zu 1) das Quotenvorrecht nach § 67 VVG eingreift. Nach § 67 VVG darf der Forderungsübergang von der Klägerin auf den Kaskoversicherer nicht zum Nachteil der Klägerin zu 1) geltend gemacht werden. Die Klägerin zu 1) kann deshalb einen Schadensersatz bis zur Höhe des Betrages geltend machen, der ihr ohne den Forderungsübergang zustehen würde. Ohne den Forderungsübergang würde sich die Schadensersatzforderung der Klägerin zu 1) in Höhe von 1.401,87 € um den von der Vollkaskoversicherung regulierten Fahrzeugschaden von 3.779,25 € (Bd. I Bl. 7 d.A.) erhöhen, so dass sich der Gesamtschaden der Klägerin auf 5.181,12 € belaufen würde. 2/3 davon ergibt einen Betrag von 3.454,08 €, so dass die begründete Schadensersatzforderung von 1.401,87 € unter diesem Betrag liegt und daher von dem Beklagten in vollem Umfang zu ersetzen ist.
b) Schaden des Klägers zu 2):
Dem Kläger zu 2) steht eine Gesamtschadensersatzforderung von 1.585,23 € zu, die sich wie folgt zusammensetzt:
Unter Berücksichtigung einer Haftungsquote von 2/3 ist ein Schmerzensgeld des Klägers von 900 € gerechtfertigt. Die Verletzungsfolgen des Klägers zu 2), eine Platzwunde am Kopf, eine Halswirbeldistorsion und die Arbeitsunfähigkeit für eine Woche, würden bei voller Haftung der Beklagten ein Schmerzensgeld von 1.300 € rechtfertigen. Eine Kürzung dieses Schmerzensgeldes des Klägers zu 2), weil er angeblich nicht angeschnallt war, ist nicht möglich, da nach dem Gutachten des Sachverständigen SV1 davon auszugehen ist, dass der Kläger zu 2) den Gurt angelegt hatte. Es ist daher nur ein Mitverschulden des Klägers zu 2) am Unfall zu berücksichtigen, weshalb das Schmerzensgeld auf 900 € zu kürzen ist, ohne dass insoweit eine exakte Quotierung entsprechend der Haftungsquote zulässig ist.
Von den Heilbehandlungskosten in Höhe von 1.027,85 € (Bd. I Bl. 4 d.A.) kann der Kläger 2/3, mithin 685,23 € verlangen.
Den angeblichen Verdienstausfallschaden von 1.250 € (Bd. I Bl. 5 d.A.) kann der Kläger zu 2) nicht verlangen, da nicht festgestellt werden kann, dass ihm tatsächlich ein Verdienstausfallschaden in dieser Höhe entstanden ist. Der Kläger zu 2) ist freiberuflicher Handelsvertreter und konnte deshalb seine Arbeitszeit frei bestimmen. Es ist nicht ersichtlich, dass konkrete Geschäfte des Klägers zu 2) wegen seiner Unfallverletzungen gescheitert sind. Möglicherweise hat der Kläger zu 2) diese Geschäfte zu einem späteren Zeitpunkt nachholen können. Der Kläger zu 2) hätte deshalb konkret darlegen müssen, welche Geschäfte ihm in der Woche, in der er arbeitsunfähig krank geschrieben war, entgangen sind. Da hierfür ein Vortrag fehlt, kann ein Verdienstausfallschaden des Klägers zu 2) nicht festgestellt werden.
Dem Kläger steht daher eine Schadensersatzforderung von 1.585,23 € zu.
B.
Die Schadensersatzforderung der Klägerin zu 1) in Höhe von 1.487 € ist jedoch gemäß §§ 387, 389 BGB durch die von der Beklagten zu 2) erklärte Aufrechnung (Bd. I Bl. 57 f d.A.) in Höhe eines Betrages von 1.018,60 € erloschen, so dass nur noch eine Restschadensersatzforderung der Klägerin zu 1) in Höhe von 383,27 € verbleibt.
1. Der Beklagten zu 1) stand gemäß §§ 7, 17, 18 StVG, 823 BGB gegen die Klägerin zu 1) als Fahrzeughalterin und gegen den Kläger zu 2) als Fahrzeugführer ein Anspruch auf Ersatz seines Unfallschadens in Höhe von 1/3 zu. Da die Beklagte zu 2) als Vollkaskoversicherung des Beklagten zu 1) gemäß der Abrechnung vom 28.10.2005 (Bd. I Bl. 59 d.A.) den Fahrzeugschaden mit 3.055,80 € reguliert hat, ist die begründete Schadensersatzforderung in Höhe eines Drittels des Fahrzeugschadens auf die Beklagte zu 2) gemäß § 67 VVG übergegangen. Ein Drittel des Fahrzeugschadens sind 1.018,60 €. In dieser Höhe konnte die Beklagte zu 2) gegenüber der Klägerin zu 1) aufrechnen, da sie vorrangig die Aufrechnung gegen die Schadensersatzforderung der Klägerin zu 1) erklärt hat.
Dabei ist unerheblich, dass die Beklagte zu 2) als Haftpflichtversicherung in Anspruch genommen wird, während die Schadensersatzforderung gegen die Klägerin zu 1) aus einer übergegangenen Forderung wegen Entschädigung aus der Kaskoversicherung entstanden ist. Entscheidend ist, dass die Beklagte zu 2) Schuldnerin und Gläubigerin gegenüber der Klägerin ist, so dass eine Aufrechnungslage nach § 387 ff BGB bestanden hat. Ein Aufrechnungsverbot besteht nicht, weil nach § 393 BGB nur die Aufrechnung mit einer Forderung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung unzulässig ist, die hier aber nicht vorliegt.
2. Die Aufrechnung der Beklagten zu 2) scheitert nicht daran, dass die Vollkaskoversicherung der Klägerin zu 1) mit Schreiben vom 20.4.2006 (Bd. I Bl. 66 d.A.) gegenüber der Beklagten zu 2) ihrerseits mit einer Schadensersatzforderung der Klägerin zu 1) aus übergegangenem Recht wegen Regulierung des Fahrzeugschadens in Höhe von 3.779,25 € die Aufrechnung erklärt hat. Diese Aufrechung der Vollkaskoversicherung der Klägerin zu 1) gegenüber der Beklagten zu 2) konnte die Gegenforderung der Beklagten zu 2) nicht zu Fall bringen, weil die Beklagte zu 2) zeitlich früher bereits mit Schriftsatz vom 3.4.2006 (Bd. I Bl. 57 d.A.) der dem Prozessbevollmächtigten der Kläger spätestens am 7.4.2006 zugegangen ist, die Aufrechnung mit der streitgegenständlichen Klageforderung der Klägerin zu 1) erklärt hat. Durch die zeitlich frühere Aufrechnung der Beklagten zu 2) gegen die Schadensersatzforderung der Klägerin zu 1) war ihre begründete Schadensersatzforderung in Höhe von 1.018,60 € erloschen, so dass die seitens der Vollkaskoversicherung der Klägerin zu 1) mit Schreiben vom 20.4.2006 erklärte Aufrechnung ins Leere ging. Der Klägerin zu 1) steht deshalb nur eine Schadensersatzforderung von 383,27 € zu.
C.
Hinsichtlich des Ersatzes der vorgerichtlichen Anwaltskosten gemäß §§ 286, 280 BGB gilt folgendes:
Die Klägerin zu 1) macht eine 1,3fache Geschäftsgebühr geltend, von der sie sich die 0,65fache Gebühr auf die Verfahrensgebühr anrechnen lässt (Bd. I Bl. 62 d.A.). Dies ist nach der Rechtsprechung des BGH nicht zu beanstanden (vgl. BGH NJW 2007, 2049). Zutreffend geht das Landgericht davon aus, dass die vorgerichtlichen Anwaltskosten nur nach dem Gegenstandswert der begründeten Klageforderung berechnet werden können. Da die Klägerin zu 1) mit 1.487 € obsiegt, wobei vorgerichtlich die Aufrechnung noch keine Rolle spielte, beträgt die 1,3fache Geschäftsgebühr 172,90 €. Zieht man davon die 0,65fache Geschäftsgebühr als auf die Verfahrenskosten anrechenbar ab, so verbleibt eine nicht anrechenbare Differenzgebühr von 60,51 €.
Bei den vorgerichtlichen Kosten des Klägers zu 2) ist von einem Gegenstandswert von 1.085,23 € auszugehen. Auch hier beträgt die 1,3fache Geschäftsgebühr 172,90 €. Zieht man davon wiederum die 0,65fache Geschäftsgebühr als anrechenbar auf die Verfahrenskosten ab, verbleibt eine nicht anrechenbare Geschäftsgebühr von 60,51 €.
D.
Der zuerkannte Zinsanspruch ist aus §§ 286, 288 BGB begründet, weil die Beklagten spätestens mit der am 15.11.2005 zugestellten Klage (Bd. I Bl. 27, 28 d.A.) in Zahlungsverzug geraten sind.
E.
Der Feststellungsausspruch des Landgerichts hinsichtlich des Rückstufungsschadens ist nur dahin abzuändern, dass die Beklagten als Gesamtschuldner der Klägerin zu 1) den Rückstufungsschaden aus der Kaskoversicherung zu 2/3 zu ersetzen haben.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97, 92 Abs. 1 ZPO, da jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
IV.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Entscheidung des Senats nicht von der Rechtsprechung des BGH oder anderer Oberlandesgerichte abweicht und die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat (§§ 26 Nr. 8 EGZPO, 544 ZPO).

RechtsgebieteStVO, StVG, PflVG, BGB, VVGVorschriften§ 1 StVO, § 10 StVO, § 7 StVG, § 17 StVG, § 18 StVG, § 3 PflVG, § 253 Abs 2 BGB, § 387 BGB, § 823 Abs 1 BGB, § 67aF VVG

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