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14.03.2013

Finanzgericht München: Urteil vom 25.10.2012 – 5 K 564/11

1. Das Rechtsschutzbedürfnis fehlt, wenn der Steuerbescheid in dem verfassungsrechtlichen Streitpunkt vorläufig ergangen ist, diese Streitfrage sich in einer Vielzahl im Wesentlichen gleichgelagerter Verfahren (Massenverfahren) stellt und bereits ein nicht von vornherein aussichtsloses Musterverfahren beim BVerfG anhängig ist.

2. Im Streitfall bestanden am Tag der mündlichen Verhandlung unter anderen hinsichtlich des beschränkten Abzugs von Vorsorgeaufwendungen (§ 10 Abs. 3, 4, 4a EStG; 2 BvR 289/10, 2 BvR 288/10, 2 BvR 290/10, 2 BvR 323/10, 2 BvR 598/12) sowie der Nichtabziehbarkeit von Beiträgen zur Rentenversicherung als vorweggenommene Werbungskosten bei den Einkünften nach § 22 Nr. 1 S. 3 a EStG (2 BvR 1066/10) Vorläufigkeitsvermerke, weil Verfahren beim BVerfG anhängig sind. Bezüglich der Höhe des Grundfreibetrags (§ 32 a Abs. 1 S. 2 Nr. 1 EStG) sind derzeit zwar nur Verfahren vor dem BFH anhängig, die auch nicht das Streitjahr 2008, sondern die Jahre 2000 bis 2002 betreffen (X R 40/09, X R 41/09, X R 39/09, X R 38/09; diese Verfahren ruhen gemäß Beschluss v. 25.4.2012 bis zur Entscheidung des BVerfG im Verfahren 2 BvR 598/12). Jedoch fehlt dem Kläger auch für beim BFH anhängige Verfahren hier das Rechtschutzbedürfnis, denn ab dem 1.1.2009 kann eine vorläufige Veranlagung erfolgen, wenn die Auslegung eines Gesetzes Gegenstand eines Verfahrens vor dem BFH ist. Eine nach § 165 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 AO vorläufige Festsetzung kann auch dann geändert werden, wenn der BFH oder das BVerfG eine Norm verfassungskonform auslegt (vgl. BFH, in BFHE 231, 7, BStBl II 2011, 11).


IM NAMEN DES VOLKES

Urteil

In der Streitsache

hat der 5. Senat des Finanzgerichts München durch die Richterin am Finanzgericht … als Einzelrichterin auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 25. Oktober 2012

für Recht erkannt:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Von der Erhebung der Gerichtskosten wird abgesehen.

Gründe

I.

Der Kläger ist Rechtsanwalt und erzielte im Streitjahr Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Höhe von 18.068 EUR. Er ist Vater von zwei unterhaltsberechtigten Kindern und wird beim Beklagten (dem Finanzamt) zur Einkommensteuer veranlagt. In der Einkommensteuererklärung 2008 gab der Kläger Beiträge in Höhe von 257 EUR zu einer zusätzlichen freiwilligen Pflegeversicherung, in Höhe von 3.869 EUR für freiwillige …. Kranken- und Pflegeversicherungen, in Höhe von 619 EUR für Unfall- und Haftpflichtversicherungen … und in Höhe von 254 EUR für Rentenversicherung … an.

Der angefochtene Änderungsbescheid über Einkommensteuer 2008 vom 21. Juli 2010 erging nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 und 4 der Abgabenordnung (AO) teilweise vorläufig. u.a. hinsichtlich

der beschränkten Abzugsfähigkeit von Vorsorgeaufwendungen (§ 10 Abs. 3, 4, 4a des Einkommensteuergesetzes – EStG –),

der Nichtabziehbarkeit von Beiträgen zur Rentenversicherung als vorweggenommene Werbungskosten bei den Einkünften im Sinne des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a EStG,

der Höhe der kindbezogenen Freibeträge nach § 32 Abs. 6 Sätze 1 und 2 EStG,

der Höhe des Grundfreibetrags (§ 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG).

Das Finanzamt hob den Vorbehalt der Nachprüfung im Bescheid auf und setzte die Einkommensteuer 2008 auf 1.113 EUR fest. Im Bescheid wurde erläutert, dass die Günstigerprüfung ergeben habe, dass die Ermittlung der abziehbaren Vorsorgeaufwendungen nach der Rechtslage 2004 zu einem günstigeren Ergebnis geführt habe und die Vergleichsberechnung ergeben habe, dass die gebotene steuerliche Freistellung des Existenzminimums der Kinder des Klägers durch das ausgezahlte Kindergeld bewirkt worden sei.

Gegen diesen Bescheid legte der Kläger Einspruch ein, den er trotz mehrfacher Aufforderung des Finanzamts nicht begründete.

Mit Einspruchsentscheidung vom 19. Januar 2011 wies das Finanzamt den Einspruch als unbegründet zurück.

Mit seiner Klage wendet sich der Kläger gegen die Höhe der veranlagten Einkommensteuer 2008. Diese sei um mindestens 814 EUR zu mindern. Er habe im Streitjahr für seine Kinder 6.250 EUR Unterhalt bezahlt. Dem selbständigen Steuerbürger mit zwei unterhaltsberechtigten Kindern werde nach Abzug der Wohnkosten und der Altersvorsorge-/Krankenversicherungsaufwendungen nicht das in München notwendige Existenzminimum belassen. Sein steuerliches Existenzminimum müsse daher entweder höher sein als bei Arbeitnehmern oder seine Abzugsmöglichkeiten bei den beschränkt abzugfähigen Sonderausgaben müssten höher sein. Sollten die von ihm vorgetragenen Aspekte bereits im Rahmen der anhängigen Verfassungsbeschwerden bereits überprüft werden, bestehe mit dem Ruhen des Verfahrens Einverständnis.

Der Kläger beantragt,

unter Änderung des Einkommensteuerbescheids 2008 vom 21. Juli 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19. Januar 2011 die festgesetzte Einkommensteuer 2008 um 814 EUR herabzusetzen.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es sei anzumerken, dass die angefochtene Festsetzung der Einkommensteuer 2008 hinsichtlich der Höhe des Grundfreibetrags und hinsichtlich der Abzugsbeschränkungen von Vorsorgeaufwendungen vorläufig sei.

Mit der Berücksichtigung des Grundfreibetrags in Höhe von 7.664 EUR sei das notwendige Existenzminimum ausreichend gesichert worden. Das Existenzminimum könne – wenn auch nur annäherungsweise – am Maßstab der Sozialhilfeleistungen bestimmt werden (vgl. BVerfG-Beschluss vom 25. September 1992 2 BvL 5/91, 8/91, 14/91, BStBl II 1993, 413). Somit habe das BVerfG im Bereich des sächlichen Existenzminimums vorgeschrieben, dass der Steuergesetzgeber die relevanten Leistungsbestandteile des sozialrechtlich anerkannten Mindestbedarfs in einem statistisch ermittelten einheitlichen Betrag qualifizieren dürfe. Dabei seien einer Orientierung an einem bundeseinheitlichen Mittelwert, der in einer größeren Anzahl von Fällen nicht ausreichen würde, Grenzen gesetzt (BVerfG-Beschluss vom 13. Februar 2008 2 BvL 1/06, BVerfGE 120, 125, BFH/NV 2008, 804). Im sechsten Existenzminimumbericht sei ein im Jahr 2008 steuerfrei zu stellendes Existenzminimum in Höhe von 7.140 EUR ermittelt worden. Dieses liege immer noch erheblich unter dem bereits für das Streitjahr 2008 berücksichtigten Grundfreibetrag in Höhe von 7.664 EUR, so dass auch ein etwaiger Zuschlag für höhere Lebenshaltungskosten in München abgegolten sei. Unabhängig von der Frage, ob Art. 1 i.V.m. Art. 20 des Grundgesetzes – GG – die einkommensteuerrechtliche Verschonung des soziokulturellen oder lediglich des physischen Existenzminimums (so wohl der 1. Senat des BSG im Urteil vom 22. April 2008 B 1 KR 10/07 R, BSGE 100, 221, zum Sozialhilferecht) fordere, genüge der im Streitjahr 2008 geltende Grundfreibetrag nach § 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG in Höhe von 7.664 EUR dem verfassungsrechtlichen Gebot, existenzsichernden Aufwand von der Einkommensteuer zu verschonen.

Eine Ungleichbehandlung der steuerlichen Abzugsfähigkeit von Kranken- und Rentenversicherungsbeiträgen gegenüber Arbeitnehmern sei nicht gegeben. Die vom Kläger geltend gemachten Sonderausgaben seien nahezu unbeschränkt steuermindernd berücksichtigt worden. Die Aufwendungen in Höhe von 4.999 EUR seien in Höhe von 4.778 EUR abgezogen worden. Eine Benachteiligung gegenüber Arbeitnehmern sei nicht gegeben. Bei einem Arbeitnehmer gelte für sonstige Versorgungsaufwendungen ein Höchstbetrag von 1.500 EUR, für Selbständige dagegen in Höhe von 2.400 EUR. Der Abzug von Vorsorgeaufwendungen sei bei Arbeitnehmern im Streitjahr 2008 zudem auf 66 % beschränkt. Das BVerfG habe mit Beschluss (vom 13. Februar 2008 2 BvL 1/06, BVerfGE 120, 125) festgestellt, dass die beschränkte Absetzbarkeit der Krankenversicherungsbeiträge nach der bis Veranlagungszeitraum (VZ) 2004 gültigen Höchstbetragsregelung auch nach der ab VZ 2005 gültigen Regelung (1.500 EUR oder 2.400 EUR) nicht mit dem Grundgesetz vereinbar sei, soweit der Sonderausgabenabzug Beiträge zu einer Krankenversicherung und einer privaten Pflegeversicherung nicht ausreichend erfasse, die dem Umfang nach erforderlich seien, um dem Steuerpflichtigen und seiner Familie eine sozialhilfegleiche Kranken- und Pflegeversorgung zu gewährleisten. Der Gesetzgeber sei verpflichtet, spätestens mit Wirkung zum 1. Januar 2010 eine Neuregelung zu treffen. Bis zu diesem Zeitpunkt blieben die vom BVerfG beanstandeten Vorschriften (§ 10 Abs. 1 Nr. 2a i.V.m. § 10 Abs. 3 EStG) aber weiterhin anwendbar, so dass sich aus dem Beschluss des BVerfG keine Konsequenzen für das Streitjahr ergäben. Auch der BFH habe in seinem Urteil vom 18. November 2009 (X R 34/07, BFHE 227, 99, BStBl II 2010, 414) wegen der beschränkten Abzugsfähigkeit von Altersaufwendungen und wegen der Höhe des Grundfreibetrags keine verfassungsrechtlichen Bedenken geäußert.

Die gebotene steuerliche Freistellung des Existenzminimums der Kinder sei durch das ausgezahlte Kindergeld bewirkt worden. Eine Ermäßigung für Unterhaltszahlungen stehe dem Kläger daher nicht mehr zu.

In der Aufklärungsanordnung vom 4. Oktober 2011 und im Schreiben vom 4. Januar 2012 wies das Gericht den Kläger darauf hin, dass die vorläufige Festsetzung der Einkommensteuer ein Ruhen des Verfahrens entbehrlich mache und die Klage mangels Rechtschutzbedürfnisses unzulässig sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 25. Oktober 2012, den Inhalt der Akten, die Aufklärungsanordnung vom 4. Oktober 2011, das gerichtliche Schreiben vom 4. Januar 2012 und die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Klage ist unzulässig.

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH fehlt das Rechtsschutzbedürfnis, wenn der Steuerbescheid in dem verfassungsrechtlichen Streitpunkt vorläufig ergangen ist, diese Streitfrage sich in einer Vielzahl im Wesentlichen gleichgelagerter Verfahren (Massenverfahren) stellt und bereits ein nicht von vornherein aussichtsloses Musterverfahren beim BVerfG anhängig ist (BFH-Beschlüsse vom 9. August 1994 X B 26/94, BFHE 174, 498, BStBl II 1994, 803; vom 10. November 1993 X B 83/93, BFHE 172, 197, BStBl II 1994, 119, und vom 18. Februar 1994 VI B 123/93, BFH/NV 1994, 548). Denn dann kann ein Steuerpflichtiger im Allgemeinen die Klärung der Streitfrage in dem Musterverfahren abwarten, ohne dadurch unzumutbare Rechtsnachteile zu erleiden (BFH-Beschluss in BFHE 172, 197, BStBl II 1994, 119). Etwas anderes kann ausnahmsweise aber dann gelten, wenn besondere Gründe materiell-rechtlicher oder verfahrensrechtlicher Art substantiiert geltend gemacht werden (vgl. BFH-Urteile vom 30. September 2010 III R 39/08, BFHE 231, 7, BStBl II 2011,11; und vom 16. Februar 2005 VI R 37/01, BFH/NV 2005, 1323, BFH-Beschlüsse vom 22. März 1996 III B 173/95, BFHE 180, 217, BStBl II 1996, 506, und vom 7. Februar 1992 III B 24, 25/92, BFHE 166, 418, BStBl II 1992, 408).

2. Im Streitfall hat der Kläger weder derartige besondere Gründe, – z.B. Entscheidung des BVerfG über die Musterverfahren vor Erlass der Einspruchsentscheidung, oder im Streitfall eine Fassung des Gesetzes anzuwenden ist, die in einem für die Entscheidung maßgeblichen Punkt nicht der zur Prüfung des BVerfG stehenden Fassung entspricht, – substantiiert vorgetragen noch sind derartige besondere Gründe ersichtlich.

Der Gesetzgeber hat bei der in der ab 2005 geltenden Übergangsregelung zur Neuordnung der Besteuerung der Altersvorsorgeaufwendungen und Alterseinkünfte (AltEinkG) verwirklichten Rentenbesteuerung das Prinzip der „intertemporalen Korrespondenz” zugrunde gelegt. Altersrenten sind als solche steuerbar. Zu berücksichtigen sind – wenn auch zeitlich versetzt – alle Aufwendungen und alle Erträge. Im Grundsätzlichen hat sich der Gesetzgeber damit von dem für die Rentenbesteuerung bis zum Veranlagungszeitraum 2004 maßgeblichen Versicherungsprinzip und der Ertragsanteilsbesteuerung (Zinsbesteuerung) gelöst. Damit sind Altersvorsorgeaufwendungen ihrer Rechtsnatur nach Erwerbsaufwendungen, soweit sie mit künftigen (steuerbaren) Renteneinnahmen im Zusammenhang stehen. Der Gesetzgeber hat jedoch durch die in § 10 Abs. 1 Nr. 2 EStG getroffene Regelung die Altersvorsorgeaufwendungen mit konstitutiver Wirkung den Sonderausgaben zugeordnet. Er hat für diese Aufwendungen – unabhängig von ihrer Rechtsnatur – eine Sonderregelung getroffen, die als lex specialis eine Sperrwirkung gegenüber der generellen Regelung des § 10 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG entfaltet (BFH-Urteil vom 5. März 2010 X R 28/07, BFHE 227, 165, BStBl II 2010, 348, dagegen Verfassungsbeschwerde anhängig unter dem Az.: 2 BvR 323/10). § 10 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 4 EStG i.d.F. des AltEinkG hat die begrenzte Abziehbarkeit von sonstigen Vorsorgeaufwendungen – hier: Arbeitslosen-, Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge – bis 2009 beibehalten.

Im Streitfall bestanden am Tag der mündlichen Verhandlung unter anderen hinsichtlich des beschränkten Abzugs von Vorsorgeaufwendungen (§ 10 Abs. 3, 4, 4a EStG; 2 BvR 289/10, 2 BvR 288/10, 2 BvR 290/10, 2 BvR 323/10, 2 BvR 598/12) sowie der Nichtabziehbarkeit von Beiträgen zur Rentenversicherung als vorweggenommene Werbungskosten bei den Einkünften nach § 22 Nr. 1 Satz 3 a EStG (2 BvR 1066/10) Vorläufigkeitsvermerke, weil Verfahren beim BVerfG anhängig sind. Bezüglich der Höhe des Grundfreibetrags (§ 32 a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG) sind derzeit zwar nur Verfahren vor dem BFH anhängig, die auch nicht das Streitjahr 2008, sondern die Jahre 2000 bis 2002 betreffen (X R 40/09, X R 41/09, X R 39/09, X R 38/09; diese Verfahren ruhen gemäß Beschluss vom 25. April 2012 bis zur Entscheidung des BVerfG im Verfahren 2 BvR 598/12). Jedoch fehlt dem Kläger auch für beim BFH anhängige Verfahren hier das Rechtschutzbedürfnis, denn ab dem 1. Januar 2009 kann eine vorläufige Veranlagung erfolgen, wenn die Auslegung eines Gesetzes Gegenstand eines Verfahrens vor dem BFH ist. Eine nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO vorläufige Festsetzung kann auch dann geändert werden, wenn der BFH oder das BVerfG eine Norm verfassungskonform auslegt (vgl. BFH-Urteil in BFHE 231, 7, BStBl II 2011, 11). Der Kläger kann die Klärung der Streitfragen in den Musterverfahren abwarten, ohne dadurch unzumutbare Rechtsnachteile zu erleiden. Dem Kläger gehen keine Rechte verloren. Sollte aufgrund einer Entscheidung des BFH, des BVerfG oder des EuGH die Steuerfestsetzung in Gestalt der Einspruchsentscheidung aufzuheben oder zu ändern sein, wird diese Aufhebung oder Änderung von Amts wegen vorgenommen. Der Steuerpflichtige erleidet auch keine unzumutbaren Rechtsnachteile, wenn die materiell-rechtliche Frage in dem Musterverfahren nicht in seinem Sinne oder – z.B. wegen Unzulässigkeit des Rechtsmittels, wegen Abhilfe oder wegen Rücknahme – überhaupt nicht geklärt wird. Denn er kann nach Erledigung des Musterverfahrens gemäß § 165 Abs. 2 Satz 4 AO beantragen, dass die Steuerfestsetzung für endgültig erklärt wird, und gegen die dann auch insoweit endgültige Festsetzung Einspruch einlegen und ggf. anschließend Klage erheben zur weiteren verfassungsrechtlichen Klärung. Erklärt die Finanzbehörde die vorläufige Festsetzung für endgültig oder entfällt ein Vorläufigkeitsvermerk in einem Änderungsbescheid, sind ebenfalls Einspruch und ggf. Klage möglich (vgl. Urteil des Finanzgerichts Nürnberg vom 7. März 2012 3 K 1045/11, juris, mit weiteren Nachweisen).

3. Im Übrigen bleibt ergänzend anzumerken, dass die Klage auch unbegründet wäre.

a) Das Finanzamt hat die gesetzlichen Regelungen in § 10 Abs. 1 Nr. 2, 3, Abs. 3 und 4, 4a EStG im Streitfall zutreffend angewendet.

Gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a und Nr. 3a EStG sind Sonderausgaben, Beiträge zu den gesetzlichen Rentenversicherungen, zu den Versicherungen gegen Arbeitslosigkeit, zu Kranken- und Pflegeversicherungen. Die Altersvorsorgeaufwendungen nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a EStG sind bis zu 20.000 EUR zu berücksichtigen. Der Höchstbetrag ist bei Steuerpflichtigen, die ganz oder teilweise ohne eigene Beitragsleistung einen Anspruch auf Altersversorgung erwerben, um den Betrag zu kürzen, der, bezogen auf die Einnahmen aus der Tätigkeit, dem Gesamtbeitrag (Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil) zur allgemeinen Lebensversicherung entspricht. Im Kalenderjahr 2005 sind 60 Prozent der so ermittelten Vorsorgeaufwendungen anzusetzen. Der sich danach ergebende Betrag, vermindert um den nach § 3 Nr. 62 steuerfreien Arbeitgeberanteil zur Rentenversicherung, ist als Sonderausgabe abziehbar. Der Prozentsatz von 60 % erhöht sich in den folgenden Kalenderjahren um je 2 Prozentpunkte je Kalenderjahr (vgl. § 10 Abs. 3 Sätze 1, 3 bis 6 EStG). Vorsorgeaufwendungen im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG können je Kalenderjahr bis 2.400 EUR abgezogen werden. Der Höchstbetrag beträgt 1.500 EUR (ab 2010: 1.900 EUR) bei Steuerpflichtigen, die ganz oder teilweise ohne eigenen Aufwendungen einen Anspruch auf vollständige oder teilweise Erstattung oder Übernahme von Krankheitskosten haben oder für deren Krankenversicherung Leistungen im Sinne des § 3 Nr. 9, 14, 57 oder 62 erbracht werden (vgl. § 10 Abs. 4 Sätze 1 und 2 EStG).

Gemäß § 10 Abs. 4a EStG ist in den Kalenderjahren 2005 bis 2019 der Abzug der Vorsorgeaufwendungen nach Absatz 1 Nr. 2 Buchstabe a und Nr. 3 in der für das Kalenderjahr 2004 geltenden Fassung des § 10 Abs. 3 mit folgenden Höchstbeträgen für den Vorwegabzug

IVorwegabzugIVorwegabzug
KalenderjahrIfür denIim Falle der
ISteuerpflichtigenIZusammenveranlagung
IIvon Ehegatten
2005I3 068I6 136
2006I3 068I6 136
2007I3 068I6 136
2008I3 068I6 136
2009I3 068I6 136
2010I3 068I6 136
2011I2 700I5 400
2012I2 400I4 800
2013I2 100I4 200
2014I1 800I3 600
2015I1 500I3 000
2016I1 200I2 400
2017I900I1 800
2018I600I1 200
2019I300I600
zuzüglich des Erhöhungsbetrags nach Satz 3 günstiger, ist der sich danach ergebende Betrag anstelle des Abzugs nach Absatz 3 und 4 anzusetzen. Mindestens ist bei Anwendung des Satzes 1 der Betrag anzusetzen, der sich ergeben würde, wenn zusätzlich noch die Vorsorgeaufwendungen nach Absatz 1 Nr. 2 Buchstabe b in die Günstigerprüfung einbezogen werden würden; der Erhöhungsbetrag nach Satz 3 ist nicht hinzuzurechnen. Erhöhungsbetrag sind die Beiträge nach Absatz 1 Nr. 2 Buchstabe b, soweit sie nicht den um die Beiträge nach Absatz 1 Nr. 2 Buchstabe a und den nach § 3 Nr. 62 steuerfreien Arbeitgeberanteil zur gesetzlichen Rentenversicherung und einen diesem gleichgestellten steuerfreien Zuschuss verminderten Höchstbetrag nach Absatz 3 Satz 1 bis 3 überschreiten; Absatz 3 Satz 4 und 6 gilt entsprechend.

Der BFH hält die im Streitzeitraum begrenzte Abzugsfähigkeit von Altersvorsorgeaufwendungen und von Arbeitslosen-, Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen für verfassungskonform (vgl. BFH in BFHE 227, 165, BStBl II 2010, 348, – Streitjahr 2006 –; und BFH-Urteile vom 16. November 2011 X R 15/09, BFHE 236, 69, BStBl II 2012, 325, und vom 18. November 2009 X R 6/08, BFHE 227, 137, BStBl II 2010, 282, – Streitjahr 2005 –).

b) Die Höhe des Grundfreibetrags im Jahr 2008 ist verfassungsgemäß. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die im Tatbestand dargelegte zutreffende Begründung des Finanzamts (vgl. dazu auch BFH-Urteil in BFHE 236, 69, BStBl II 2012, 325, und die Urteile des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts vom 4. Dezember 2008, Az: 3 K 28/06, EFG 2009, 485, Revision anhängig unter Az. III R 1/09, und des Finanzgerichts Hamburg vom 31. Juli 2009 1 K 25/09 EFG 2010, 116, Revision anhängig unter Az. X R 41/09, o.g. Urteil des Finanzgerichts Nürnberg in juris) verwiesen.

c) Die gebotene steuerliche Freistellung des Existenzminimums der Kinder ist durch das ausgezahlte Kindergeld bewirkt worden.

4. Ein Ruhen des Verfahrens kommt nicht in Betracht, weil es an einem übereinstimmenden Antrag der Beteiligten fehlt. Eine Aussetzung des Verfahrens scheidet aus den im BFH-Urteil (in BFHE 236, 69, BStBl II 2012, 325) genannten Gründen aus.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

VorschriftenAO § 165 Abs. 1 S. 2 Nr. 3, EStG § 10 Abs. 3, EStG § 10 Abs. 4, EStG § 10 Abs. 4a, EStG § 32a Abs. 1 S. 2 Nr. 1

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