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18.04.2012

Landesarbeitsgericht: Urteil vom 19.12.2011 – 5 Sa 391/10


Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 09.06.2010 - 4 Ca 1578/08 - hinsichtlich der Ziffer 5 teilweise wie folgt abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, 39.471,21 Euro brutto zu zahlen.

Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen; hinsichtlich der erstinstanzlichen Kosten wird Ziffer 7 des Urteils des Arbeitsgerichts Trier vom 09.06.2010 - 4 Ca 1758/08 - dahin abgeändert, dass der Kläger 52,7 %, die Beklagte 47,3% mit Ausnahme der vom Kläger zu tragenden Säumniskosten zu tragen hat.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten um die Wirksamkeit von insgesamt drei außerordentlichen, zum Teil hilfsweise erklärten ordentlichen Kündigung der Beklagten sowie um Annahmeverzugslohn und um weitere Zahlungsansprüche, insbesondere um Bonusleistungen und Karenzentschädigung.

Der zum Zeitpunkt der Klageerhebung 48-jährige Kläger war seit dem 15.07.2003 bei der Beklagten zuletzt als Verkaufsleiter für Deutschland (gesamt) und für weitere Länder tätig. Der Kläger ist inzwischen verheiratet. Die Beklagte beschäftigt ca. 400 Arbeitnehmer. Der Kläger hat zuletzt ein Bruttomonatsgehalt in Höhe von 10.883,00 EUR zuzüglich 13,29 EUR VL sowie weitere 1.089,30 EUR als geldwerten Vorteil für die auch privat gestattete Kfz-Nutzung seines Dienstwagens erhalten.

Nach § 1 des schriftlich zwischen den Parteien abgeschlossenen Arbeitsvertrages gilt der Kläger als leitender Angestellter. Er nahm bei den letzten Betriebsratswahlen nicht teil. Hinsichtlich des Inhalts des Arbeitsvertrages im Übrigen wird auf Bl. 76 bis 79 d. A. Bezug genommen. In einem Anhang zum Anstellungsvertrag haben die Parteien ein Wettbewerbsverbot vereinbart (vgl. Bl. 127, 128 d. A.). Hinsichtlich der Höhe der Karenzentschädigung wird auf Ziffer 3 dieser Regelung Bezug genommen. Die Vertragsergänzung vom 30.04.2008 enthält neben der An-gabe zum aktuellen Monatsgehalt eine Bonusregelung für das Jahr 2008. Diese hat, soweit vorliegend von Belang, unter anderem folgenden Wortlaut:

"Für 2008 wird folgende Bonusregelung getroffen:

Wird der Planumsatz 2008 in Höhe von 35,522 Mio. Euro zuzüglich Mehrwertsteuer für D, A, CH erreicht, erfolgt eine Bonuszahlung in Höhe von brutto 25.000 Euro. Der Bonus verringert sich linear bei Nichterreichen des vorgenannten Umsatzes bis auf Null, wenn in oben genannten Ländern lediglich der Vorjahresumsatz (2007) erreicht wird.

Wird der in D, A, CH als Gesamtheit in 2007 inkl. Objektrabatt erreichte Durchschnittsrabatt von 44,69 Prozent in 2008 gehalten, erfolgt eine weitere Bonuszahlung von 25.000 Euro. Dieser Bonus verringert sich linear mit steigendem Durchschnittsrabatt und erreicht Null, wenn sich der oben genannte 2007er Durchschnittsrabatt in 2008 um 1 Prozent auf 46,69 Prozent inkl. Objektrabatt erhöht.

Die Prämienvereinbarung 2008 ist eine freiwillige Leistung. ... Bei Kündigung durch das Unternehmen wird die Prämie anteilig zum Zeitpunkt der Tätigkeitsbeendigung auf Gesamtjahresbasis 2008 gezahlt. Die Prämien werden mit der Lohnabrechnung Februar 2009 ausbezahlt."

Am 10.10.2008 fand bei der Firma A., einem wichtigen Kunden der Beklagten, eine große Einweihungsfeier statt, an der unter anderem der Kläger zusammen mit seiner damaligen Lebensgefährtin und derzeitigen Ehefrau teilnahm. Der Kläger übernachtete vom 10. auf den 11.10.2008 zusammen mit ihr in einem Doppelzimmer im Landgasthof B.. Die Rechnung für das Doppelzimmer in Höhe von 80,00 EUR (vgl. Bl. 33 d. A.) reichte er bei der Buchhaltung der Beklagten ein, die diesen Betrag in voller Höhe an ihn auszahlte. Die Buchhaltung rechnete auch Bewirtungskosten seiner damaligen Lebensgefährtin ab, die an dem Geschäftsessen teilnahm und überwies auch insoweit den jeweiligen Rechnungsbetrag. Desweiteren fand am 03.11.2008 ein Geschäftsessen im Hotel C. in A-Stadt statt, an dem unter anderem der größte amerikanische Kunde der Beklagten teilnahm. Auf der Restaurantrechnung (vgl. Bl. 41 d. A.) stand auch das Abendessen seiner damaligen Lebensgefährtin, die ebenfalls anwesend war. Der Kläger ließ sich den gesamten Rechnungsbetrag ohne Abzüge von der Buchhaltung überweisen. Am 20.11.2008 fand ein Geschäftsessen im D. Hotel in A-Stadt statt. Auch an diesem Essen nahm die damalige Lebensgefährtin des Klägers teil. Der in der Rechnung (Bl. 43 d. A.) ausgewiesene Rechnungsbetrag, der auch das Essen seiner damaligen Lebensgefährtin beinhaltet, wurde von der Buchhaltung in voller Höhe überwiesen. Am 21.11.2008 organisierte der Kläger ein Geschäftstreffen im E. Cafe in A-Stadt. Auch hier war seine damalige Lebensgefährtin anwesend und wieder bezahlte die Buchhaltung die gesamte Rechnung (vgl. Bl. 51 d. A.) und damit auch das Getränk seiner damaligen Lebensgefährtin.

Veranlassung für entsprechende umfangreiche Nachforschungen in Bezug auf den Kläger gab eine E-Mail des Betriebsratsvorsitzenden vom 18.11.2008 an den Vorstand der Beklagten über das Verhalten des Klägers in Bezug auf seine damalige Lebensgefährtin; hinsichtlich des Inhalts dieser Nachricht wird auf Bl. 22 d. A. Bezug genommen. Im Zuge der Nachforschungen wurden weitere Details festgestellt; insoweit wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 04.03.2009 (Bl. 24 bis 29 d. A.) Bezug genommen. Das Ergebnis der Nachforschungen nahm die Beklagte zum Anlass, den Betriebsrat mit Anhörungsbogen vom 27.11.2008 zur beabsichtigten Kündigung anzuhören. Dem Kläger wurde das erste Kündigungsschreiben am 27.11.2008 (vgl. Bl. 4 d. A.) am frühen Nachmittag übergeben.

Ausweislich der Gehaltsabrechnung für November 2008 (vgl. Bl. 12 d. A.) stand dem Kläger für diesen Monat ein Bruttogehalt in Höhe von insgesamt 11.030,96 EUR zu, von dem die Beklagte im laufenden Rechtsstreit 2.188,01 EUR netto zahlte.

Der Kläger erhielt mit Schreiben der Beklagten vom 19.12.2008 und vom 22.04.2009 zwei weitere außerordentliche Kündigungen; Anlass dafür waren zum einen Äußerungen des Klägers in Bezug auf den Betriebsrat und zum anderen neue Betrugsvorwürfe.

Mit der beim Arbeitsgericht Trier rechtzeitig eingereichten und jeweils erweiterten Klage wendet sich der Kläger gegen die zuvor dargestellten Kündigungen. Ferner macht er sein Restgehalt für den Monat November 2008, Annahmeverzugslohn und Nutzungsentschädigung in Bezug auf den Dienstwagen für die Monate Dezember 2008 bis einschließlich 2009 geltend. Außerdem verlangt er eine Bonuszahlung aufgrund der Vertragsergänzung sowie Spesen. Schließlich macht er hilfsweise für den Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Abgeltung seiner noch bestehenden Urlaubsansprüche sowie eine Karenzentschädigung für den Zeitraum vom 28.11.2008 bis zum 31.05.2009 geltend.

Der Kläger hat vorgetragen,

hinsichtlich der Kündigungsvorwürfe der ersten Kündigung habe er keinen Betrug zum Nachteil der Beklagten begangen, da er weder etwas vertuscht noch gefälscht und auch in keiner Weise die Beklagte sonst getäuscht habe. Er habe die Teilnehmer an den geschäftlichen Veranstaltungen bzw. Geschäftsessen, also auch seine damalige Lebensgefährtin, zutreffend angegeben. Er habe sich an die übliche Abrechnungspraxis gehalten. Es sei normal gewesen, dass die Kosten der Doppelzimmer abgesetzt würden. Die Beklagte habe die Teilnahme als Paar bei solchen geschäftlichen Veranstaltungen gewünscht und die Kosten erstattet. Dies sei auch vom Vorstand ausdrücklich so gewünscht gewesen.

Die Zweiwochenfrist gemäß § 626 Abs. 2 BGB sei nicht eingehalten worden. Die Abrechnungen seien bereits von der Buchhaltung auf rechnerisch und sachlicher Richtigkeit überprüft und anschließend vom Vorgesetzten, in seinem Fall vom Vorstand persönlich, kontrolliert, unterzeichnet und sodann zur Zahlung freigegeben worden.

Die Anhörung des Betriebsrats sei erforderlich gewesen, weil er kein leitender Angestellter sei. Bei den von ihm geführten Vorstellungsgesprächen mit Mitarbeitern habe er lediglich die Vorgespräche geführt, zuständig für die Einstellungen und Entlassungen von Arbeitnehmern sei dagegen die Personalabteilung bzw. der Vorstand gewesen. Die Anhörung des Betriebsrats zur ersten Kündigung vom 27.11.2008 sei nicht ordnungsgemäß erfolgt. Der Betriebsratsvorsitzende habe sofort nach Erhalt des Anhörungsbogens der beabsichtigten Kündigung zugestimmt. Auch habe der Personalleiter der Beklagten, Herr B., den Anhörungsbogen erst nach Ausspruch der Kündigung unterschrieben. Dieser habe, als er den Dienstwagen des Klägers am 28.11.2008 bei ihm zu Hause abgeholt habe, gegenüber seiner nunmehrigen Ehefrau erklärt, er habe erst abends am 27.11.2008 von der Kündigung erfahren. Er habe sich beschwert, dass er als Personalleiter sozusagen zu allerletzt von dieser Kündigung erfahren habe.

Bezogen auf den geltend gemachten Bonus stehe ihm eine Erfolgsbeteiligung am Umsatz für 2008 in Höhe von 45.243,13 EUR gemäß Absatz 1 der Vertragsergänzung aufgrund eines Umsatzes von 36,885 Mio. EUR und eine Erfolgsbeteiligung aus Rabatt für das Jahr 2008 in Höhe von 14.500,00 EUR gemäß Absatz 2 der Vertragsergänzung aufgrund eines Durchschnittsrabatts von 45,11 % zu.

Hinsichtlich der Spesen in Höhe von 700,00 EUR habe er die Abrechnungen gefertigt und der Beklagten nebst Belegen vorgelegt. Außerdem habe er 19 Urlaubstage nicht genommen. Hinsichtlich der Berechnung der Karenzentschädigung sei zu berücksichtigen, dass auch die Erfolgsbeteiligung anteilig für jeden Monat als Entschädigung zu zahlen sei, so dass sich eine monatliche Karenzentschädigung in Höhe von 8.456,43 EUR/Monat ergebe.

Zur weiteren Darstellung des Verfahrensgangs im erstinstanzlichen Rechtszug hinsichtlich Klageerhebung und -erweiterung wird auf Seite 7, 8 der angefochtenen Entscheidung (= Bl. 242, 243 d. A.) Bezug genommen.

Im Kammertermin vom 06.05.2009 ist auf Antrag der Beklagten ein klageabweisendes Versäumnis-Urteil gegen den Kläger ergangen; dagegen hat der Kläger mit Schreiben vom 19.05.2009 Einspruch eingelegt.

Der Kläger hat beantragt,

1. das Versäumnisurteil vom 6. Mai 2009 aufzuheben und

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten vom 27.11.2008 sein Ende gefunden hat bzw. finden wird,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen hinaus tatsächlich fortbesteht,

die Beklagte zu verurteilen, den Kläger zu den bisherigen Bedingungen des Arbeitsvertrages als Verkaufsleiter tatsächlich weiter zu beschäftigen,

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis auch nicht durch die erneute fristlose Kündigung vom 09.12.2008 sein Ende gefunden hat bzw. finden wird,

die Beklagte zu verurteilen, 11.030,96 € brutto an den Kläger zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.12.2008 zu zahlen,

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis auch nicht durch die erneute fristlose Kündigung vom 24.04.2009 sein Ende gefunden hat bzw. finden wird und über den 24.04.2009 hinaus tatsächlich fortbesteht.

Die Beklagte zu verurteilen, 65.077,74 € brutto an den Kläger zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz jeweils aus 10.846,29 € seit dem 03.01.2009, 03.02.2009, 03.03.2009, 03.04.2009, 03.05.2009 und 03.06.2009 zu zahlen abzüglich erhaltenes Arbeitslosengeld in Höhe von 9.490,96 €,

die Beklagte zu verurteilen, 6.535,80 € brutto an den Kläger zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

die Beklagte zu verurteilen, 59.743,13 € brutto an den Kläger nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.03.2009 zu zahlen,

die Beklagte zu verurteilen, 700 € an den Kläger nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

hilfsweise

die Beklagte zu verurteilen, 10.798,84 € brutto an den Kläger nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

die Beklagte zu verurteilen, 51.584,22 € an den Kläger nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 845,64 € seit dem 03.12.2008 sowie aus jeweils 8.456,43 € seit dem 03.01.2009, 03.02.2009, 03.03.2009, 03.05.2009 und 03.06.2009 zu zahlen,

Die Beklagte hat beantragt,

das Versäumnis-Urteil vom 06.05.2009 aufrechtzuerhalten und im Übrigen die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen,

die außerordentlichen Kündigungen seien wirksam. Der Kläger habe einen Spesenbetrug zu ihren Lasten in mehreren Fällen begangen. Sie sei nicht verpflichtet gewesen, dem Kläger die in Rechnung gestellten Kosten für die damalige Lebensgefährtin zu zahlen. Es sei bei ihr noch nie vorgekommen, dass sie die Kosten für die Übernachtung einer Frau oder Lebensgefährtin eines Mitarbeiters übernommen habe. Die Buchhaltung habe insoweit lediglich die Möglichkeit, die Vollständigkeit und rechnerische Richtigkeit der Spesenabrechnungen zu überprüfen. Daher habe die Buchhaltung auch nicht die Berechtigung der Teilnahme von Personen an einer geschäftlichen Veranstaltung auf ihre Richtigkeit hin überprüfen können.

Der Kläger sei leitender Angestellter. Er habe selbständig Personalentscheidungen getroffen, auch in Bezug auf Kündigungen und Einstellungen. Der Personalleiter habe insoweit lediglich die Verträge formell vorbereitet. Der Kläger habe auch an wichtigen Aufgaben im Unternehmen sich maßgeblich beteiligt. Als Leiter des Vertriebs und des Verkaufs sei er maßgeblich an der Preiskalkulation und der Produkteinführung beteiligt gewesen und habe an der Festlegung der jährlichen Preissteigerungen der einzelnen Produkte mitgewirkt; insoweit habe es sich niemals um eine einzelne Entscheidung des Vorstands der Beklagten gehandelt.

Bezogen auf die rein vorsorglich durchgeführte Betriebsratsanhörung zur ersten Kündigung am 27.11.2008 sei der Anhörungsbogen zu dieser Kündigung nebst anliegender Begründung am Vormittag des 27.11.2008 dem Betriebsratsvorsitzenden persönlich übergeben worden. Der Betriebsratsvorsitzende habe den Anhörungsbogen mit der Zustimmung zur beabsichtigten Kündigung am frühen Nachmittag desselben Tages zurückgegeben, anschließend sei das Kündigungsschreiben dem Kläger übergeben worden.

Das Arbeitsgericht hat im Kammertermin vom 09.06.2010 Beweis erhoben durch Vernehmung des Betriebsratsvorsitzenden, Herrn F. und des Personalleiters, Herrn B.. Hinsichtlich des Inhalts des Beweisbeschlusses wird auf die Sitzungsniederschrift vom 09.06.2010 (Bl. 225, 227 d. A.) Bezug genommen; hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Bl. 225 bis 228 d. A. Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht Trier hat daraufhin durch Urteil vom 09.06.2010, 4 Ca 1578/08, das Versäumnis-Urteil vom 06.05.2009 teilweise aufrechterhalten, soweit die Klage in Bezug auf die Anträge aus der Klageschrift vom 01.12.2008, in Bezug auf den Antrag zu 1., aus der Klageerweiterungsschrift vom 30.12.2008 und in Bezug auf den Antrag aus der Klageerweiterungsschrift vom 29.04.2009 abgewiesen wurde. Im Übrigen hat es das Versäumnis-Urteil aufgehoben und die Beklagte verurteilt, an den Kläger 11.030,96 EUR brutto abzüglich 2.188,01 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.12.2008 zu zahlen, weiterhin an den Kläger 36.208,33 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.03.2009 zu zahlen, weiterhin an den Kläger 9.364,79 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.06.2009 zu zahlen und schließlich an den Kläger 39.471,21 EUR netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu zahlen und im Übrigen die Klage abgewiesen. Hinsichtlich des Inhalts von Tatbestand und Entscheidungsgründen wird auf Bl. 238 bis 265 d. A. Bezug genommen.

Gegen das ihr am 29.06.2010 zugestellte Urteil hat die Beklagte durch am 27.07.2010 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt. Sie hat die Berufung durch am 23.08.2010 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet.

Auch der Kläger hat gegen das ihm am 09.07.2010 zugestellte Urteil durch am 02.08.2010 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt. Er hat die Berufung durch am 30.09.2010 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet, nachdem zuvor auf seinen begründeten Antrag hin die Frist zur Einreichung der Berufungsbegründung bis zum 08.10.2010 einschließlich verlängert worden war.

Der Kläger wiederholt sein erstinstanzliches Vorbringen und hebt insbesondere hervor, die notwendige Anhörung des Betriebsrats sei nicht ordnungsgemäß erfolgt. Denn es sei bei der Beklagten ständige Praxis, Betriebsratsanhörungen zu fingieren. Die Beklagte könne sich auf ihren Betriebsratsvorsitzenden "verlassen". Sie wisse, dass er Entscheidungen im Alleingang treffe. Dies sei auch bei Einstellungsgesprächen regelmäßig der Fall. Der Betriebsratsvorsitzende habe sofort zugestimmt, ohne sein Gremium zu beteiligen. Er habe sich nicht einmal die Mühe gemacht, den Schein zu wahren. Auch vorliegend sei die Betriebsratsanhörung im Nachhinein fingiert worden. Mängel in der Beschlussfassung des Betriebsrates gingen zwar grundsätzlich nicht zu Lasten des Arbeitgebers. Dies gelte aber dann nicht mehr, wenn der Arbeitgeber die Praxis des Betriebsratsvorsitzenden, ohne Beteiligung seines Gremiums zu entscheiden, kenne. Die Betriebsratsmitglieder seien mit der Kündigung des Klägers nicht befasst worden. Das ergebe sich auch daraus, dass der Personalleiter, Herr B., am 28.11.2008, als er das Firmenfahrzeug in der Privatwohnung des Klägers habe abholen wollen, im Rahmen eines Gesprächs zwischen der nunmehrigen Ehefrau des Klägers sich darüber beschwert habe, dass er - wie so häufig - von der gesamten Kündigung erst abends erfahren habe. Er habe sich darüber beschwert, dass er als Personalleiter zu allerletzt von dieser Kündigung erfahre. Herr B. habe den fraglichen Anhörungsbogen mit der Schilderung der Kündigungsgründe folglich nicht am 27.11.2008 in den Vormittagsstunden verfasst. Bestritten werde auch, dass Herr F. die Betriebsratsmitglieder am Vormittag des 27.11.2008 gesprochen und mit diesen über die Anhörung geredet habe. Nachdem die Beweisaufnahme vor dem Arbeitsgericht ergeben habe, dass der Anhörungsbogen zur Kündigung nicht durch Herrn B. an den Betriebsratsvorsitzenden übergeben worden sei, bestünden erhebliche Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Zeugen B. und F.. Es gebe weitere Widersprüchlichkeiten in der Aussage der Zeugen F. und B.. Herr F. habe bekundet, er habe den Anhörungsbogen noch am 27.11.2009 vormittags gegen 11.00 Uhr an Herrn B. zurückgegeben. Dem gegenüber habe die Beklagte vorgetragen, der Betriebsratsvorsitzende habe den Anhörungsbogen mit der ausdrücklichen Zustimmung des Betriebsrates am frühen Nachmittag des gleichen Tages gegen 14.00 Uhr zurückgegeben.

Ein Kündigungsgrund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB sei nicht gegeben. Auch andere Führungskräfte ließen ihre Ehefrauen/Lebensgefährtinnen an entsprechenden Veranstaltungen teilnehmen. Dies sei in der Branche absolut üblich, um zu zeigen, dass die Mitarbeiter ein intaktes Privatleben hätten. Ein Spesenbetrug liege nicht vor, weil eine entsprechende betriebliche Gepflogenheit im Betrieb der Beklagten existiere. Im Übrigen würden die Spesenabrechnungen exakt überprüft. Falls etwas entgegen den üblichen Gepflogenheiten abgerechnet worden wäre, so wäre die Abrechnung nicht gezahlt worden. Zumindest wäre sie hinterfragt worden. Des Weiteren sei die Zweiwochenfrist gemäß § 622 Abs. 2 BGB nicht eingehalten worden; auch müsse die Interessenabwägung zugunsten des Klägers enden.

Das Arbeitsverhältnis der Parteien sei auch durch die weiteren fristlosen Kündigungen nicht aufgelöst worden; folglich stehe dem Kläger Annahmeverzugsentgelt sowie Schadensersatz für die entgangene Nutzung des Firmenfahrzeugs zu.

Die Prämie für das Jahr 2008 belaufe sich auf 59.743,13 EUR. Dies ergebe sich aus einer mündlichen Vereinbarung zwischen den Parteien. Die hilfsweise geltend gemachte Karenzentschädigung schließlich sei unzutreffend berechnet worden. Die Beklagte habe lediglich 26.880,48 EUR gezahlt, weil sie den Bruttobetrag des Arbeitslosengeldes in Abzug bringe. Dies sei unstatthaft.

Zur weiteren Darstellung der Auffassung des Klägers wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 28.09.2010 (Bl. 306 bis 324 d. A.) nebst Anlagen (Bl. 325 bis 328 d. A.) sowie seine Schriftsätze vom 23.02.2011 (Bl. 392 bis 397 d. A.) und vom 26.09.2011 (Bl. 495, 496 d. A.) Bezug genommen.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Trier vom 09.06.2010, Az: 4 Ca 1578/08, wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten vom 27.11.2008 sein Ende gefunden hat,

unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Trier vom 09.06.2010, Az. 4 Ca 1578/08, wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis auch nicht durch die erneute fristlose Kündigung vom 09.12.2008 sein Ende gefunden hat,

unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Trier vom 09.06.2010, Az. 4 Ca 1578/08, wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis auch nicht durch die erneute fristlose Kündigung vom 24.04.2009 sein Ende gefunden hat und über den 24.04.2009 hinaus tatsächlich fortbesteht,

unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Trier vom 09.06.2010, Az. 4 Ca 1578/08, wird die Beklagte verurteilt, den Kläger zu den bisherigen Bedingungen als Verkaufsleiter tatsächlich weiter zu beschäftigen,

unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Trier vom 09.06.2010, Az. 4 Ca 1578/08, wird die Beklagte verurteilt, an den Kläger 65.077,74 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz jeweils aus 10.846,29 EUR seit dem 03.01.2009, 03.02.2009, 03.03.2009, 03.04.2009, 03.05.2009 und 03.06.2009 zu zahlen, abzüglich erhaltenes Arbeitslosengeld in Höhe von 9.490,96 EUR,

unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Trier vom 09.06.2010, Az. 4 Ca 1578/08, wird die Beklagte verurteilt, an den Kläger 6.535,80 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.06.2009, Rechtshängigkeit, zu zahlen,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Trier vom 09.06.2010, Az. 4 Ca 1578/08, wird die Beklagte verurteilt, an den Kläger 59.743,13 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.03.2009 zu zahlen.

Hilfsweise wird beantragt:

Unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Trier vom 09.06.2010, Az. 4 Ca 1578/08, wird die Beklagte verurteilt, an den Kläger 48.515,34 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 440,64 EUR seit dem 03.12.2008 sowie aus 8.012,45 EUR jeweils seit dem 03.01.2009, 03.02.2009, 03.03.2009, 03.04.2009, 03.05.2009 und 03.06.2009, zu zahlen, abzüglich bereits geleisteter 26.880,48 EUR brutto.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens, soweit sie obsiegt hat, und hebt insbesondere hervor, die Anhörung des Betriebsrats sei ordnungsgemäß erfolgt. Dies habe bereits die vor dem Arbeitsgericht durchgeführte Beweisaufnahme ergeben; die vom Kläger für seine gegenteilige Auffassung angeführten Details im Anhörungsverfahren seien zum einen unerheblich und zum anderen nicht geeignet, Zweifel an der Ordnungsgemäßheit der Anhörung zu begründen.

Ein wichtiger Grund für die außerordentliche Kündigung vom 27.11.2008 könne nicht in Abrede gestellt werden. Soweit bei der Veranstaltung A. am 10.10.2008 auch Herrn A. seine Ehefrau/Lebensgefährtin mitgenommen habe, sei zu berücksichtigen, dass dieser bei der Beklagten kein Doppelzimmer abgerechnet habe. Der Mitarbeiter L. habe gar keine Spesenabrechnung eingereicht. Der Kläger sei derjenige gewesen, der als einziger ein Doppelzimmer im Rahmen dieser Veranstaltung gegenüber der Beklagten abgerechnet habe. Die Beklagte könne im Nachhinein nicht mehr feststellen, ob die Ehefrauen von Herrn T. und Herrn L. an der Veranstaltung überhaupt teilgenommen hätten. In diesem Zusammenhang sei zudem festzustellen, dass es keine Gleichheit im Unrecht gebe. Im Übrigen sei es in der Branche durchaus unüblich, Lebenspartner zu Empfängen und Feiern mitzunehmen. Die Spesenabrechnungen des Klägers seien von der zuständigen Mitarbeiterin bei der Beklagten aufgrund seiner herausragenden Stellung im Betrieb nicht näher überprüft worden. Denn niemand im Betrieb habe davon ausgehen können, dass der Kläger in dieser Position, dem Vorstand unterstellt, zusammen mit seiner damaligen Freundin auf Kosten der Firma über Nacht bleibe bzw. diese zusätzlich verköstigen werde. Eine solche Regelung habe es im Betrieb der Beklagten zu keinem Zeitpunkt gegeben. Gerade deshalb sei die zuständige Mitarbeiterin niemals auf die Idee gekommen, die vom Kläger vorgelegten Spesenabrechnungen daraufhin zu überprüfen.

Die Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB sei eingehalten worden; die zum Nachteil des Klägers endende Interessenabwägung sei auch nicht unverhältnismäßig.

Weitere Ansprüche auf Zahlung eines höheren Bonus sowie einer höheren Karenzentschädigung seien unbegründet.

Zur weiteren Darstellung der Auffassung der Beklagten wird auf die Berufungserwiderungsschrift vom 04.11.2010 (Bl. 361 bis 365 d. A.) sowie die Schriftsätze vom 06.04.2011 (Bl. 410 bis 412 d. A.) und vom 26.09.2011 (Bl. 497, 498 d. A.) Bezug genommen.

Soweit das Arbeitsgericht die Beklagte verurteilt hat, die Karenzentschädigung an den Kläger netto zu zahlen, hält die Beklagte dies für unzutreffend. Zum einen habe der Kläger die Auszahlung in Netto gar nicht beantragt, zum anderen sei ein entsprechendes Ansinnen auch nach der gesetzlichen Regelung unbegründet.

Die Beklagte beantragt deshalb,

Ziffer 5 des Urteils des Arbeitsgerichts Trier vom 09.06.2010, 4 Ca 1578/08, dahin abzuändern, dass die Zahlung der Karenzentschädigung in Brutto erfolgt.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt insoweit die angefochtene Entscheidung des Arbeitsgerichts.

Das Landesarbeitsgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen Herr B., Frau A. und Herrn D.. Hinsichtlich der Beweisbeschlüsse wird auf Bl. 484, 522 d. A., hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme auf Bl. 485 - 488, 522 ff. d. A. Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie die zu den Akten gereichten Schriftstücke verwiesen.

Schließlich wird Bezug genommen auf das Sitzungsprotokoll vom 24.02.2011, 12.09.2011 und 19.12.2011.

Entscheidungsgründe

I. Das Rechtsmittel der Berufung ist nach §§ 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft. Die Berufung ist auch gem. §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 518, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

Diese Grundsätze gelten sowohl für die Berufung des Klägers, als auch die der Beklagten.

II. Das Rechtsmittel der Berufung des Klägers hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Denn das Arbeitsgericht ist sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung zu Recht davon ausgegangen, dass die streitgegenständliche außerordentliche Kündigung vom 27.11.2008 das zwischen den Parteien vormals bestehende Arbeitsverhältnis beendet hat; hinsichtlich der ausgeurteilten Zahlungsansprüche kommen höhere als die ausgeurteilten Beträge nicht in Betracht.

Dem gegenüber war auf die Berufung der Beklagten die angefochtene Entscheidung teilweise dahin abzuändern, dass die ausgeurteilte Karenzentschädigung einen Bruttobetrag darstellt und nicht etwa netto geschuldet wird.

Der Kläger kann nicht die begehrte Feststellung verlangen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 27.11.2008 nicht aufgelöst worden ist. Denn diese Kündigung hat das Arbeitsverhältnis mit sofortiger Wirkung zum Zeitpunkt ihres Zugangs wirksam beendet.

Entgegen der Auffassung des Klägers ist ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs.1 BGB für die sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorliegend gegeben.

Ein wichtiger Grund im Sinne der Generalklausel der § 626 Abs. 1 BGB für eine außerordentliche Kündigung liegt dann vor, wenn Tatsachen gegeben sind, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und in der Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Frist für eine ordentliche Kündigung nicht zugemutet werden kann. Damit wird der wichtige Grund zunächst durch die objektiv vorliegenden Tatsachen bestimmt, die an sich geeignet sind, die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar zu machen. Kündigungsgrund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB ist deshalb jeder Sachverhalt, der objektiv das Arbeitsverhältnis mit dem Gewicht eines wichtigen Grundes belastet (vgl. BAG AP-Nr. 4, 42, 63 zu § 626 BGB). Entscheidend ist nicht der subjektive Kenntnisstand des Kündigenden, sondern der objektiv vorliegende Sachverhalt, der objektive Anlass. Berücksichtigt werden können nur die bis zum Ausspruch der Kündigung eingetretenen Umstände bei der Überprüfung der Frage, ob sie als Kündigungsgrund an sich geeignet sind Ascheid/Preis/Schmidt Großkommentar Kündigungsrecht 3. Auflage 2007 (APS-Dörner), § 626 BGB Rz. 42 ff.; Dörner/Luczak/Wildschütz, Handbuch des Fachanwalts für Arbeitsrecht (DLW-Dörner), 9. Auflage 2011, Kap. 4 Rz. 1141 ff.).

Die danach zu berücksichtigenden Umstände müssen nach verständigem Ermessen die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zumutbar erscheinen lassen (BAG AP-Nr. 4 zu § 626 BGB). Bei der Bewertung des Kündigungsgrundes und bei der nachfolgenden Interessenabwägung ist ein objektiver Maßstab anzulegen, so dass subjektive Umstände, die sich aus den Verhältnissen der Beteiligten ergeben, nur aufgrund einer objektiven Betrachtung zu berücksichtigen sind. Die danach maßgeblichen Umstände müssen sich konkret nachteilig auf das Arbeitsverhältnis auswirken; da der Kündigungsgrund zukunftsbezogen ist und die Kündigung keine Sanktion für das Verhalten in der Vergangenheit darstellt, kommt es auf seine Auswirkungen auf die Zukunft an. Da es um den zukünftigen Bestand des Arbeitsverhältnisses geht, muss dessen Fortsetzung durch objektive Umstände oder die Einstellung oder das Verhalten des Gekündigten im Leistungsbereich, im Bereich der betrieblichen Verbundenheit aller Mitarbeiter, im persönlichen Vertrauensbereich (der Vertragspartner) oder im Unternehmensbereich konkret beeinträchtigt sein (BAG EzA § 626 BGB Nr. 11, EzA § 626 BGB n.F. Nr. 7).

Die erforderliche Überprüfung gem. § 626 Abs. 1 BGB vollzieht sich folglich zweistufig:

Zum einen muss ein Grund vorliegen, der unter Berücksichtigung der oben skizzierten Kriterien überhaupt an sich geeignet ist, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Insoweit handelt es sich um einen Negativfilter, d. h., dass bestimmte Kündigungsgründe eine außerordentliche Kündigung von vornherein nicht rechtfertigen können.

Zum anderen muss dieser Grund im Rahmen einer Interessenabwägung unter besonderer Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere auch des Verhältnismäßigkeitsprinzips zum Überwiegen der berechtigten Interessen des Kündigenden an der - in der Regel - vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen (vgl. ausführlich APS-Dörner, § 626 BGB aaO.; DLW-Dörner aaO.).

Entscheidender Zeitpunkt ist der des Ausspruchs der Kündigung.

Die in den aufgehobenen gesetzlichen Vorschriften der §§ 123, 124 Gewerbeordnung, 71, 72 HGB nach altem Recht genannten Beispiele für wechselseitige wichtige Gründe (z. B. Arbeitsvertragsbruch, beharrliche Arbeitsverweigerung) sind als wichtige Hinweise für typische Sachverhalte anzuerkennen, die an sich geeignet sind, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung zu bilden und die Kündigung in der Regel auch zu rechtfertigen, wenn keine besonderen Umstände zugunsten des Gekündigten sprechen (vgl. BAG AP-Nr. 99 zu § 626 BGB). "Absolute Kündigungsgründe", die ohne eine besondere Interessenabwägung eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen, bestehen andererseits jedoch nicht (BAG SAE 1986, S. 5).

Systematisch kann nach Störungen im Leistungsbereich, im betrieblichen Bereich der Verbundenheit aller Mitarbeiter, im persönlichen Vertrauensbereich der Vertragspartner und im Unternehmensbereich unterschieden werden (APS-Dörner, aaO.; DLW-Dörner aaO.)

Neben dem Arbeitsgericht ist davon auszugehen, dass vorliegend ein an sich zur außerordentlichen Kündigung geeigneter Umstand gegeben ist.

Denn vermögensrechtliche Straftaten des Arbeitnehmers zum Nachteil des Arbeitgebers, wäre insbesondere Diebstahl und Betrug (§§ 242, 263 StGB), sind an sich geeignet, einen wichtigen Grund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB darzustellen, selbst die gestohlenen Sachen bzw. der Vermögensschaden beim Arbeitgeber von geringem Wert sind.

Auch der von der Beklagten als Kündigungsgrund angeführte Spesenbetrug ist grundsätzlich, gerade aber auch bei Arbeitnehmern in einer leitenden Position und Vertrauensstellung, wie sie der Verkaufsleiter bei der Beklagten inne hatte, Grund für eine außerordentliche Kündigung (vgl. BAG, 02.06.1960, 22.11.1962, AP Nr. 42, 47 zu § 626 BGB). Ein Arbeitnehmer hat die angefallenen Spesen grundsätzlich korrekt abzurechnen. Unkorrektheiten in diesem Zusammenhang berechtigen regelmäßig zur fristlosen Kündigung (vgl. z. B. LAG Niedersachsen 15.06.2004, NZA-RR 2004, 574; LAG Nürnberg 28.03.2003, LAGE § 626 BGB Nr. 149; LAG Niedersachsen 04.06.2004, LAG-Report 2005, 103; vgl. Dörner/Luczak/Wildschütz, aaO., Kap. 4, Rz. 1193).

Der Kläger hat in mehreren Fällen tatsächlich ein Spesenbetrug zum Nachteil der Beklagten begangen.

Vorliegend hat er den Straftatbestand dadurch erfüllt, dass er die Rechnung für das Doppelzimmer für die Übernachtung mit seiner damaligen Lebensgefährtin am 10.10.2008 im Landgasthof B. in voller Höhe von 80,00 EUR eingereicht hat, obwohl er dazu nicht berechtigt war. Insoweit hat er den auf seine Lebensgefährtin anfallenden Anteil der Übernachtung zu Unrecht von der Beklagten im Rahmen seiner Reisekostenabrechnung abgerechnet und auch tatsächlich erhalten.

Der Kläger hat insoweit zwar vorgetragen, die Abrechnung des Doppelzimmers auch für seine Lebensgefährtin sei bei der Beklagten üblich gewesen. Im Hinblick auf das substantiierte Vorbringen der Beklagten, dass ein solcher Vorfall niemals bei der Beklagten vorgekommen sei und es ganz im Gegenteil gar nicht gestattet sei, dass Lebenspartner auf Kosten der Beklagten an dienstlichen Veranstaltungen teilnehmen bzw. auf deren Kosten übernachteten, hat der Kläger aber seinen Vortrag nicht näher detailliert gestaltet. Dies wäre aber im Hinblick auf die ihm obliegende Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen von hier in Rede stehenden Rechtfertigungsgründen notwendig gewesen. Folglich kann sich der Kläger auch nicht pauschal auf eine entgegenstehende Abrechnungspraxis bei der Beklagten berufen, zumal unklar bleibt, was damit gemeint sein soll. Beispielsfälle hat der Kläger jedenfalls im erstinstanzlichen Rechtszug nicht angeführt. Der Kläger kann auch nicht mit Erfolg anführen, eine Täuschung der Beklagten habe gar nicht eintreten können, weil diese aufgrund der Teilnehmerliste Kenntnis von der Anwesenheit bzw. Teilnahme seiner damaligen Lebensgefährtin gehabt habe. Denn dies trifft für den hier streitgegenständlichen Vorfall gar nicht zu. Aus der Rechnung über das Doppelzimmer geht nicht hervor, dass er zusammen mit seiner Lebensgefährtin dort übernachtet hat. Angaben, ob überhaupt eine zweite Person übernachtet hat, fehlen. Die Beklagte hat dem gegenüber vorgetragen, von der Teilnahme von Frau A. an der Einweihung vom 10.10.2008 keine Kenntnis gehabt zu haben. Aufgrund der vorgelegten Rechnung hat der Kläger damit auf Seiten der Beklagten einen entsprechenden Irrtum über die Berechtigung der gesamten Rechnungssumme hervorgerufen, was aufgrund der sodann erfolgten Überweisung durch die Buchhaltung der Beklagten zu einer Vermögensverfügung zu ihrem Nachteil und zu einem entsprechenden Schaden geführt hat.

Die Kammer folgt auch dem Arbeitsgericht auch darin, dass der subjektive Tatbestand des Betruges erfüllt ist. Der Kläger hat vorsätzlich und auch in Bereicherungsabsicht gehandelt. Insoweit wird auf Seite 15, 16 der angefochtenen Entscheidung (Bl. 250, 251 d. A.) Bezug genommen.

Nichts anderes gilt für die eingereichten Rechnungen für die Bewirtung von Kunden der Beklagten anlässlich der Geschäftsessen vom 03.11.2008, am 20. und 21.11.2008. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts (Seite 16 = Bl. 251 d. A.) Bezug genommen.

Die Kündigung ist nicht unverhältnismäßig; insbesondere war eine vorherige Abmahnung des Klägers nicht erforderlich.

Denn es handelt sich vorliegend um mehrere schwere Pflichtverletzungen, Vermögensdelikte, deren Hinnahme durch die Beklagte offensichtlich ausgeschlossen war. Insoweit wird auf Seite 17 (= Bl. 252 d. A.) der angefochten Entscheidung Bezug genommen.

Auch die letztlich durchzuführende Interessenabwägung endet zum Nachteil des Klägers. Denn der von ihm begangene Betrug in mehreren Fällen ist im Hinblick auf die Umstände des Einzelfalles für die Beklagte nicht hinnehmbar und führte zur Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auch nur für die Dauer der einzuhaltenden Kündigungsfrist.

Zwar ist auf der einen Seite zugunsten des Klägers seine Betriebszugehörigkeit zu berücksichtigen; sie ist mit über fünf Jahren allerdings nicht allzu lang. Auf der anderen Seite steht der vorsätzlich begangene, vollendete Betrug in mehreren Fällen als eine schwerwiegende Straftat mit entsprechendem Vermögensnachteil für die Beklagte. Damit ist für die Beklagte in einem besonders wichtigen Bereich im Hinblick auch für die dem Kläger angesichts seiner Arbeitstätigkeit zustehenden Freiräume das für die Zusammenarbeit notwendige Vertrauensverhältnis unwiderbringlich zerstört. Die Zusammenarbeit mit Angestellten in leitender Funktion setzt aufgrund ihrer besonderen Führungs- und Vorbildfunktion gegenüber den anderen Mitarbeitern ein besonders hohes Maß an Integrität voraus. Es genügt bereits ein einmaliger Vorfall, um die für die Zusammenarbeit notwendige Vertrauensbasis zu zerstören. Im Hinblick auf die Höhe des Vermögensschadens und die Fortsetzung des Fehlverhaltens gleich in mehreren Fällen kann nicht von einem Bagatelldelikt gesprochen werden.

Entgegen der Auffassung des Klägers ist die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB von der Beklagten eingehalten worden. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf Seite 18, 19 der angefochtenen Entscheidung (= Bl. 253, 254 d. A.) Bezug genommen.

Die außerordentliche Kündigung ist auch nicht wegen fehlender oder nicht ordnungsgemäßer Anhörung des Betriebsrats unwirksam (§ 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG).

Die Betriebsratsanhörung war zwar erforderlich, weil der Kläger nicht als leitender Angestellter im Sinne von § 5 Abs. 3 BetrVG anzusehen ist. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts in der angefochtenen Entscheidung (Seite 19 bis 21 = Bl. 254 bis 256 d. A.) Bezug genommen.

Der Betriebsrat wurde ordnungsgemäß zur außerordentlichen Kündigung am 27.11.2008 angehört. Dies folgt aus dem schriftsätzlichen Vorbringen der Parteien in beiden Rechtszügen sowie der vom Arbeitsgericht und schließlich auch vor dem Landesarbeitsgericht durchgeführten Beweisaufnahme.

Gemäß § 102 BetrVG ist der Betriebsrat vor jeder Kündigung, auch der zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer in einem Personalgespräch verabredeten (vgl. BAG 28.06.2005, NZA 2006, 48), durch den Arbeitgeber anzuhören. Anhörung bedeutet insoweit mehr als bloße Information, jedoch weniger als Beratung. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, etwaige Bedenken des Betriebsrats, die dieser rechtzeitig vorträgt, zur Kenntnis zu nehmen, auf sie einzugehen, sie zu erwägen, auf ihre Begründetheit zu überprüfen und ernsthaft in seine Kündigungsüberlegungen einzubeziehen. Insoweit muss der Arbeitgeber dem Betriebsrat neben den Sozialdaten des Arbeitnehmers die Kündigungsgründe mitteilen. Damit sind nicht nur die wichtigsten Kündigungsgründe gemeint, vielmehr hat der Arbeitgeber den Betriebsrat über alle Tatsachen und subjektiven Vorstellungen zu unterrichten, die ihn zu der Kündigung veranlassen (BAG 24.11.1983, EzA § 102 BetrVG 1972 Nr. 54). Denn § 102 BetrVG soll dem Betriebsrat die Möglichkeit geben, durch seine Stellungnahme auf den Willen des Arbeitgebers einzuwirken und ihn durch Darlegung von Gegengründen unter Umständen von seiner Planung, den Arbeitnehmer zu entlassen, abzubringen. Andererseits muss der Arbeitgeber dem Betriebsrat nur diejenigen Gründe mitteilen, die nach seiner subjektiven Sicht die Kündigung rechtfertigen und für seinen Kündigungsentschluss maßgebend sind (BAG 13.05.2004, NZA 2004, 1037). Das ist auch dann der Fall, wenn er kündigungsrechtlich objektiv erhebliche Tatsachen nicht mitteilt, weil er auf sie die Kündigung zunächst nicht stützen will. Denn eine nur bei objektiver Würdigung unvollständige Mitteilung führt nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung nach § 102 BetrVG (BAG 11.12.2003, EzA § 102 BetrVG 2001 Nr. 5). Zu berücksichtigen ist zudem, dass der Arbeitgeber nur die aus seiner Sicht tragenden Umstände mitteilen muss (subjektive Determinierung der Mitteilungspflicht des Arbeitgebers; BAG 15.07.2004, EzA § 1 KSchG Soziale Auswahl Nr. 54; vgl. Dörner/Luczak/Wildschütz, aaO., Kap. 4, Rz. 439 ff.).

Ist die Anhörung des Betriebsrats schließlich aus Gründen fehlerhaft, die in seinem Verantwortungsbereich liegen, so ist das für die Wirksamkeit der Anhörung und damit die Kündigung grundsätzlich ohne Bedeutung (BAG 14.06.2004, NZA 2004, 1330; 12.03.2009, EzA § 626 BGB 2002 Nr. 26), selbst wenn sie dem Arbeitgeber bekannt sind, es sei denn, dass er sie selbst veranlasst bzw. beeinflusst hat (BAG 24.06.2004, aaO.; 06.10.2005, NZA 2006, 990). Das gilt auch dann, wenn der Arbeitgeber nach den Umständen weiß, erkennen oder zumindest vermuten kann, dass die Behandlung der Angelegenheit durch den Betriebsrat nicht ordnungsgemäß erfolgt ist (BAG 24.06.2004, aaO., 06.10.2005, aaO.). Teilt z. B. der Betriebsratsvorsitzende, obwohl vom Arbeitgeber umfassend informiert, dem Betriebsratgremium vor der Beschlussfassung nicht mit, dass der Arbeitnehmer vor einer verhaltensbedingten Kündigung mehrfach ordnungsgemäß abgemahnt worden ist, ist die Kündigung nicht unwirksam. Denn der Arbeitgeber hat seiner Unterrichtungspflicht durch die Information des Betriebsratsvorsitzenden genügt (LAG Schleswig-Holstein, 26.09.2002, ARST 2003, 190 Ls.). Zum Verantwortungsbereich des Arbeitgebers gehört es allerdings, wenn der Betriebsratsvorsitzende oder ein sonstiges Betriebsratsmitglied fristgemäß Stellung nimmt, der Arbeitgeber aber weiß, dass eine Betriebsratssitzung gar nicht stattgefunden hat (BAG 06.10.2005, NZA 2006, 990).

Vorliegend ist davon auszugehen, dass Herr D. den Anhörungsbogen betreffend die hier streitgegenständliche außerordentliche Kündigung des Klägers schriftlich gefertigt, Herr B. diese sodann am Vormittag des 27.11.2008 unterzeichnet hat und des Weiteren, dass der Anhörungsbogen, von wem auch immer, am Vormittag des 27.11.2008 sodann dem Betriebsratsvorsitzenden Herrn F. übermittelt worden ist. Insoweit wird auf Seite 21 bis 25 der angefochtenen Entscheidung (= Bl. 256 bis 260 d. A.) Bezug genommen.

Hinsichtlich des Anspruchs auf Bonuszahlung, Urlaubsabgeltung und deren Berechnung wird auf Seite 25 bis 27 der angefochtenen Entscheidung (= Bl. 260 bis 262 d. A.) Bezug genommen.

Hinsichtlich der dem Grunde nach zwischen den Parteien nicht streitigen Karenzentschädigung und den Berechnungen wird auf Seite 27 bis 29 der angefochtenen Entscheidung (= Bl. 262 bis 264 d. A.) Bezug genommen.

Auch das Berufungsvorbringen des Klägers rechtfertigt keine abweichende Beurteilung des hier maßgeblichen Lebenssachverhalts.

Dies gilt zum einen hinsichtlich der Einwendungen gegen den "an sich" zur außerordentlichen Kündigung geeigneten Umstand. Denn insoweit behauptet der Kläger wiederum lediglich unsubstantiiert, auch andere Mitarbeiter der Beklagten hätten bei entsprechenden Gelegenheiten ihre Ehefrauen/Lebenspartnerinnen mitgenommen. Dass sie die dadurch verursachten Mehrkosten bei der Beklagten abgerechnet haben, trägt er nicht im Einzelnen vor. Auch im weiteren werden keinerlei konkrete Tatsachen vorgetragen, aus denen sich ergeben könnte, dass eine entsprechende Verfahrensweise bei der Beklagten üblich gewesen sein soll. Schließlich hat die Beklagte auch zu Recht darauf hingewiesen, dass es jedenfalls keinen Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht in diesem Zusammenhang gibt.

Das Berufungsvorbringen beschränkt sich im Übrigen im Rahmen des § 626 BGB darauf, aus der Sicht des Klägers - verständlicherweise - deutlich zu machen, dass er mit der angefochtenen Entscheidung nicht einverstanden ist. Da die Kammer die insofern ausführlich angestellten Überlegungen des Arbeitsgerichts aber voll umfänglich teilt, sind weitere Ausführungen dazu nicht veranlasst.

Das Berufungsvorbringen ist auch nicht geeignet, vernünftige Zweifel daran zu begründen, dass die notwendige Anhörung des Betriebsrats gemäß § 102 BetrVG nicht ordnungsgemäß erfolgt sein soll. Zwar hat der Kläger behauptet, es sei bei der Beklagten üblich, das notwendige Anhörungsverfahren im Hinblick auf die jeweiligen Unterlagen nachträglich zu dokumentieren, mit Wissen und Wollen des Betriebsratsvorsitzenden. Die in beiden Rechtszügen durchgeführte Beweisaufnahme begründet für diese - ungewöhnliche - Annahme aber keinerlei vernünftige Anhaltspunkte.

Der Zeuge D. hat nachvollziehbar ausgesagt, dass er den Anhörungsbogen weisungsgemäß - wie von ihm arbeitsvertraglich geschuldet und auch sonst üblich - gefertigt hat. Der Zeuge B. hat bekundet, dass er diesen Bogen unterzeichnet und - wie auch immer - an den Betriebsratsvorsitzenden weitergeleitet hat, der bestätigt hat, ihn erhalten zu haben. Dass im Rahmen der Beweisaufnahme und des schriftsätzlichen Vorbringens insoweit im Detail Abweichungen aufgetreten sind, ist nicht nur nicht ungewöhnlich, sondern spricht eher für die Glaubwürdigkeit der Zeugen, schon im Hinblick auf den Zeitablauf. d. h. den zwischen den streitgegenständlichen Vorfällen und der jeweiligen Zeugeneinvernahme liegenden erheblichen Zeitraum.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Aussage der Zeugin A.. Denn selbst wenn der Zeuge B. die von ihr dargestellte Aussage im Rahmen des persönlichen Gesprächs getätigt haben sollte, rechtfertigt dies keine andere Beurteilung der Rechtsmäßigkeit der Anhörung. Denn was immer der Zeuge im Einzelnen auch gemeint haben sollte, ergibt sich daraus keineswegs zwingend der Schluss, dass er vom Kündigungsvorgang als solchem erst am Tag nach Ausspruch der Kündigung tatsächlich etwas erfahren haben soll. Vielmehr spricht alles dafür, dass er im Falle entsprechende Äußerungen im Rahmen der konkreten Gesprächssituation unter Umstände eine gewisse Schutzdistanz zwischen sich als Person und der Beklagten als Arbeitgeber, die die Kündigung erklärt hatte, aufbauen wollte, dass ihm die Gesamtsituation letztlich unangenehm war. Denn vernünftige Anhaltspunkte dafür, dass der Zeuge B. als Personalverantwortlicher die Unterschrift unter den Anhörungsbogen, der an den Betriebsrat gerichtet war, nicht selbst geleistet hat, oder aber diesen Bogen erst im Nachhinein gefertigt haben sollte, bestehen nicht.

Erst recht ergeben sich aus dem vom Kläger im Rahmen des vorliegenden Arbeitsrechtsstreits angestrengten Ermittlungsverfahren 8044 Js 24425/10 keine gegenteilige Anhaltspunkte.

Zwar hat eine vormalige Personalleiterin, Frau T., als Zeugin ausgesagt, es sei allgemeine Praxis bei der Beklagten gewesen, Betriebsratsanhörungen zu fingieren. Eigene Kenntnisse insoweit konnte sie aber nur für die Zeit ihrer Beschäftigung bei der Beklagten bekunden. Dies war zum einen ein Zeitraum lange vor der streitgegenständlichen Kündigung, d. h. die Zeugin war zu diesem Zeitpunkt bereits ausgeschieden. Zum anderen bezog sich die von ihr behauptete Praxis nicht auf die Tätigkeit von Herrn B. als Personalleiter und - wohl - ihren Nachfolger. Im Übrigen haben die dort vernommenen Zeugen, durchweg Betriebsratsmitglieder und ehemalige Betriebsratsmitglieder, im Wesentlichen übereinstimmend ausgesagt, dass es in der Belegschaft bzw. Teilen der Belegschaft massive Beschwerden über das Verhalten des Klägers im Betrieb der Beklagten gab, die an den Betriebsrat als Gremium herangetragen wurden. Dabei ging es insbesondere um das Verhalten des Klägers bezogen auf seine jetzige Ehefrau im Betrieb, aber auch das Gebaren im Hinblick auf Spesenabrechnungen. Letzteres war offensichtlich deshalb von Belang, weil die Arbeitnehmer der Beklagten im gleichen Zeitraum aufgrund der angespannten wirtschaftlichen Situation erhebliche Anstrengungen mittragen mussten, um den Bestand der Arbeitsverhältnisse letztlich nicht zu gefährden. Dieses Verhalten des Klägers war, so die Zeugen unisono, Gegenstand einer ganzen Reihe von Betriebsratssitzungen, was letztlich zu dem Ergebnis führte, dass der Betriebsrat als Gremium mit einer etwaigen Kündigung des Arbeitsverhältnisses zwischen den Prozessparteien nicht nur einverstanden war, sondern diese sogar ausdrücklich wünschte. Vor diesem Hintergrund ist es besonders fern liegend, davon auszugehen, dass die Beklagte irgendeine Veranlassung gehabt haben könnte, ein fehlerhaftes Beteiligungsverfahren gemäß § 102 BetrVG durchzuführen, da sie ohne weiteres davon ausgehen konnte, dass der Betriebsrat ohne größere Diskussion und insbesondere ohne Vorbehalte der Kündigung zustimmen würde. Vor diesem Hintergrund ist auch nachvollziehbar, dass das Oberlandesgericht Koblenz letztlich durch Beschluss vom 18.07.2011 den Antrag des Klägers, gegen Herrn F. und Herrn B. die Erhebung der öffentlichen Klage zu beschließen, als unzulässig verworfen hat, nachdem zuvor die Staatsanwaltschaft Trier mit Bescheid vom 08.03.2011 das Verfahren gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt hatte. In Bezug auf beide Beschuldigte wurde jeweils der hinreichende Tatverdacht einer falschen uneidlichen Aussage (vor dem Arbeitsgericht) verneint.

Hinsichtlich der vom Kläger weiterhin geltend gemachten (höheren) Zahlungsansprüche werden zum einen weder neue, nach Inhalt, Ort, Zeitpunkt und beteiligten Personen substantiierte Tatsachenbehauptungen aufgestellt, die eine abweichen Beurteilung rechtfertigen könnten. Zum anderen fehlt es auch an nachvollziehbaren rechtlichen Argumenten, die eine Abänderung der Entscheidung des Arbeitsgerichts rechtfertigen könnten.

Dem gegenüber hat die Berufung der Beklagten Erfolg.

Denn entgegen der angefochtenen Entscheidung des Arbeitsgericht ist der ausgeurteilte Karenzentschädigungsbetrag ein Brutto-, und nicht ein Nettobetrag. Zum einen hat der Kläger im erstinstanzlichen Rechtszug ausweislich des Klageantrags und auch der dazugehörigen Klagebegründung eine Nettoverurteilung gar nicht geltend gemacht; zum anderen enthält sein Vorbringen in beiden Rechtszügen keinerlei tatsächliche Anhaltspunkte dafür, warum die Karenzentschädigung ausnahmsweise in seinem Fall als Nettoleistung geschuldet sein könnte. Darauf hat die Beklagte zutreffend hingewiesen. Soweit der Kläger im Berufungsverfahren lediglich darauf hingewiesen hat, der von der Beklagten gezahlte Betrag berücksichtige im Rahmen einer unrichtigen Berechnung das Arbeitslosengeld, führt dies zu keiner Abänderung der angefochtenen Entscheidung, weil sich der ausgeurteilte Betrag weder dem Grunde noch der Höhe nach mit dieser Frage überhaupt auseinandersetzt.

Nach alledem war die Berufung des Klägers zurückzuweisen und die angefochtene Entscheidung auf die Berufung der Beklagten teilweise abzuändern.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 91, 92 ZPO.

Für eine Zulassung der Revision war angesichts der gesetzlichen Kriterien des § 72 ArbGG keine Veranlassung gegeben.

VorschriftenBGB § 626, BetrVG § 102

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