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08.02.2012

Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern: Urteil vom 14.09.2011 – 3 Sa 17/11

Die Ablehnung eines Altersteilzeitvertrages entspricht regelmäßig billigem Ermessen im Sinne des § 315 BGB, wenn der Arbeitgeber die fehlende Wiederbesetzungsmöglichkeit der frei werdenden Stelle im Rahmen einer Prognose nachvollziehbar darlegt.


Tenor:

1. Auf die Berufung des beklagten Landes wird das Urteil des Arbeitsgerichtes Schwerin vom 17.11.2010 abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über einen Anspruch der Klägerin gegen das beklagte Land auf Abschluss eines Altersteilzeitvertrages.

Die am 16.08.1953 geborene Klägerin ist als Lehrerin an der Grundschule in P. (Schulartgruppe 1) tätig. Sie ist Teilnehmerin an der zwischen dem beklagten Land und den Gewerkschaften und Berufsverbänden am 08.12.1995 abgeschlossenen Rahmenvereinbarung zum Lehrerpersonalkonzept in der Neufassung vom 28.04.2005 (LPK). Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet zudem der Tarifvertrag zur Regelung der Altersteilzeitarbeit vom 05.05.1998 in der Fassung des Änderungstarifvertrages Nummer 2 vom 30.06.2000 (TV ATZ) Anwendung. Die Klägerin beantragte zunächst am 11.09.2008 den Abschluss eines Altersteilzeitvertrages beginnend ab dem 01.09.2009. Nach einem Gespräch mit einer Mitarbeiterin des staatlichen Schulamtes in Schwerin im Mai 2009 änderte die Klägerin ihren Antrag auf den Beginn des Altersteilzeitvertrages zum 01.12.2009 ab.

In der Schulamtsleiterdienstberatung am 21.09.2009 wies das beklagte Land an, keine Maßnahmen nach dem Lehrerpersonalkonzept inklusive Altersteilzeitverträge mehr zu genehmigen. Mit Erlass vom 20.11.2009 entschied das Bildungsministerium des beklagten Landes, dass Altersteilzeitanträge der Lehrkräfte, die 60 Jahre bzw. älter sind, zu bearbeiten sind (Blatt 105 -Band I- der Akte). Am 26.11.2009 erging ein weiterer Erlass des Bildungsministeriums mit dem Inhalt, dass die Anträge der Lehrkräfte, die das 58. Lebensjahr erreicht haben, zu bearbeiten sind (Blatt 106 -Band I- der Akte). Mit Erlass vom 04.12.2009 legte das beklagte Land fest, dass Altersteilzeitverträge in der Altersgruppe 55 bis 57 Jahre mangels Ersetzbarkeit der Lehrkräfte in den Schulartgruppen 1 und 3 nur noch in begründeten Ausnahmefällen abgeschlossen werden sollten (Blatt 37 -Band I- der Akte).

Als Hintergrund für diese respektive Handhabung ging das beklagte Land von der folgenden Personalbedarfsanalyse für Grundschulen und Grundschulteile (berechnet in Vollzeitäquivalenten) aus:

Schuljahr

2009/ 2010

2010/ 2011

2011/ 2012

2012/ 2013

2013/ 2014

2014/ 2015

2015/ 2016

2016/ 2017

2017/ 2018

2018/ 2019

2019/ 2020

2020/ 2021

Personalbedarf

2.420

2.455

2.455

2.432

2.429

2.394

2.408

2.424

2.454

2.478

2.471

2.447

Personalbestand

2.480

2.457

2.451

2.433

2.425

2.408

2.379

2.338

2.283

2.215

2.184

2.117

Differenz

-60

-2

4

-1

4

-14

29

86

171

263

287

330

In diesen Zusammenhang legte das beklagte Land die unter Fortführung des Ministeriums für Verkehr, Bau und Landesentwicklung Mecklenburg-Vorpommerns herausgegebene 4. Landesprognose zur Bevölkerungsentwicklung in Mecklenburg-Vorpommern bis zum Jahr 2030 (Stand: April 2009) sowie die Unterrichtsversorgungsordnung für das Schuljahr 2008/2009 (Mitteilungsblatt des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur Nr. 5/2008, Seite 419) und die Unterrichtsverpflichtung der Lehrkräfte für das Schuljahr 2008/2009 (Mitteilungsblatt, aaO., Seite 438) zu Grunde. Unter Einbeziehung von Teilzeitarbeit ging es von einem durchschnittlichen Beschäftigungsumfang in Höhe von 98 Prozent aus.

Mit Schreiben vom 15.12.2009 lehnte das beklagte Land den Antrag der Klägerin auf Abschluss eines Altersteilzeitvertrages ab (Blatt 6 -Band I- der Akte).

Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage die Zustimmung zu einem Altersteilzeitvertrag mit Beginn zum 01.12.2009 im Blockmodell und dem Beginn der Freistellungsphase ab dem 11.07.2013 (Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.11.2016).

Die Klägerin hat beantragt,

das beklagte Land zu verurteilen, dem Abschluss eines Altersteilzeitvertrages auf der Grundlage der Anlage 6 zum Lehrerpersonalkonzept in Verbindung mit dem Tarifvertrag zur Regelung der Altersteilzeit vom 5. Mai 1998 in der jeweils gültigen Fassung, beginnend ab dem 01.12.2009, hilfsweise ab dem nächstmöglichen Zeitpunkt, zuzustimmen.

Das beklagte Land hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Mit Urteil vom 17.11.2010 hat das Arbeitsgericht Schwerin der Klage statt gegeben und im wesentlichen ausgeführt, das beklagte Land habe nicht rechtzeitig innerhalb von drei Monaten nach Eingang über den Antrag der Klägerin entschieden. Hätte es den Antrag rechtzeitig bearbeitet, so hätte es ihn auch bewilligen müssen.

Gegen diese, dem beklagten Land am 17.12.2010 zugegangene Entscheidung richtet sich die am 21.01.2011 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangene Berufung. Die Berufungsbegründung ist bei dem erkennenden Gericht nach entsprechender Fristverlängerung am 28.03.2011 eingegangen.

Das beklagte Land hält an der erstinstanzlich geäußerten Rechtsauffassung fest. Es gebe nach dem Lehrerpersonalkonzept keine Pflicht, einen Antrag auf Altersteilzeit binnen drei Monaten nach Eingang zu bescheiden. Keinesfalls könne von einer Art "Zustimmungsfiktion" ausgegangen werden. Dieser Umstand folge bereits daraus, dass einem Schweigen grundsätzlich keine Bedeutung im Sinne einer rechtsgeschäftlichen Willenserklärung beigemessen werden könne. In der Prognoseentscheidung zur Personalbedarfsanalyse seien alle bekannten Umstände berücksichtigt worden.

Das beklagte Land beantragt:

1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Schwerin vom 17.11.2010 zu dem Aktenzeichen 1 Ca 682/10 wird abgeändert und die Klage abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung des beklagten Landes zurückzuweisen.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass aus der nicht fristgerechten Bearbeitung des gestellten Altersteilzeitvertrages eine Vertragsverletzung folge, die jedenfalls als Schadensersatzfolge die Verpflichtung des beklagten Landes zum Abschluss eines Altersteilzeitvertrages beinhalte.

Es müsse insgesamt bestritten werden, dass durch das beklagte Land durch die Anweisungen von 20.11.2011, 26.11.2011 oder 04.12.2011 eine unternehmerische Entscheidung dahingehend getroffen worden sei, das Altersteilzeitverträge nicht mehr abzuschließen seien. Insoweit handele es sich vielmehr lediglich um interne Anweisungen.

Der Vortrag des beklagten Landes, bei der Personalbedarfsanalyse seien bereits die einem mangelnden Bedarf an Lehrkräften entgegen wirkenden Faktoren wie die Erhöhung des Mindestbeschäftigungsumfanges, die beabsichtigten Neueinstellungen im Umfang von jährlich 60 Vollzeitkräften sowie die Reduzierung der Förderschulbesuchsquoten eingearbeitet worden, sei unrichtig. Dieser Vortrag werde bestritten.

In der mündlichen Verhandlung vom 14.09.2011 ist durch Vernehmung des Zeugen V. S. durch das erkennende Gericht Beweis erhoben worden. Hinsichtlich des Beweisthemas wird auf das Protokoll über die öffentliche Sitzung vom 08.06.2011 (Blatt 249 bis 252 -Band II- der Akte) verwiesen. Bezüglich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 14.09.2011 (Blatt 306-311 der Akte) Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrages der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf die jeweiligen Schriftsätze nebst Anlagen der Parteien Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist zulässig und begründet.

Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts Schwerin ist eine Rechtsgrundlage für den von der Klägerin erhobenen Anspruch auf Abschluss eines Altersteilzeitvertrages gegen das beklagte Land nicht gegeben.

I. Die Klägerin hat gegen das beklagte Land keinen Anspruch auf Abschluss eines Altersteilzeitvertrages nach § 2 TV ATZ, der - soweit hier von Bedeutung - wie folgt lautet:

"§ 2 Vorraussetzungen der Altersteilzeitarbeit

(1) Der Arbeitgeber kann mit Arbeitnehmern, die

(a) das 55. Lebensjahr vollendet haben,

(b) eine Beschäftigungszeit (z.B. § 19 BAT/BAT-O) von fünf Jahren vollendet haben und

(c) innerhalb der letzten fünf Jahre vor Beginn der Altersteilzeitarbeit mindestens 1080 Kalendertage in einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch gestanden haben,

die Änderung des Arbeitsverhältnisses in ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis auf der Grundlage des Altersteilzeitgesetzes vereinbaren; das Altersteilzeitarbeitsverhältnis muss ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis im Sinne des Dritten Buches Sozialgesetzbuch sein.

(2) Arbeitnehmer, die das 60. Lebensjahr vollendet haben und die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 1 erfüllen, haben Anspruch auf Vereinbarung eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses. Der Arbeitnehmer hat den Arbeitgeber drei Monate vor dem geplanten Beginn des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses über die Geltendmachung des Anspruchs zu informieren; von dem Fristerfordernis kann einvernehmlich abgewichen werden.

(3) Der Arbeitgeber kann die Vereinbarung eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses ablehnen, soweit dringende dienstliche bzw. betriebliche Gründe entgegenstehen.

(4) Das Altersteilzeitarbeitsverhältnis soll mindestens für die Dauer von zwei Jahren vereinbart werden. Es muss vor dem 1. Januar 2010 beginnen.

..."

Ergänzend ist in den Anwendungsregelungen zur Anlage 6 des LPK - Maßnahme Altersteilzeit - vom 01.08.2005 folgendes festgelegt worden:

"1. Allgemeines

(1) Die Anwendungsregelungen finden Anwendung auf Altersteilzeitverträge, die auf der Grundlage des Tarifvertrages zur Regelung der Altersteilzeit-Arbeit (TV ATZ vgl. Anlage) vom 5. Mai 1998 (in der jeweils gültigen Fassung) abgeschlossen werden.

(2) Für Lehrer ... gelten darüber hinaus nachfolgende Regelungen:

2. Antragstellung für die Maßnahme Altersteilzeit gemäß LPK

(1) Alle Teilnehmer des Lehrerpersonalkonzeptes ab dem 55. Lebensjahr können einen Antrag auf Altersteilzeit gemäß LPK stellen.

(2) Ab Vollendung des 58. Lebensjahres besteht für alle Lehrkräfte ... ein Rechtsanspruch auf die Inanspruchnahme der Altersteilzeitmaßnahme.

(3) ...

(4) Ein Antrag auf Teilnahme an der Altersteilzeit kann mehrfach hintereinander gestellt werden. Die Bearbeitungszeit beträgt bis zum Beginn der Maßnahme drei Monate.

(5) Die Auswahl der in Frage kommenden Lehrkräfte ... erfolgt durch die zuständige Schulaufsichtsbehörde unter Berücksichtigung der Regelungen des Personalvertretungsgesetzes Mecklenburg-Vorpommern (PersVG M-V). Es wird in diesem Verfahren geprüft, ob älteren Lehrkräften ... bei Eintritt in die Altersteilzeit der Vorrang vor jüngeren Beschäftigten eingeräumt werden kann.

(6) Lehrkräfte ..., die mit Hilfe einer ärztlichen Bescheinigung oder sonst auf geeignete Weise gesundheitliche Schwierigkeiten glaubhaft machen können, die aber nicht den Grad einer Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit erreichen, sollen vorrangig Berücksichtigung finden.

(7) Dem Abschluss des Altersteilzeitvertrages dürfen keine personalwirtschaftlichen oder dienstlichen Belange entgegenstehen.

..."

Auf die vorgenannten Vorraussetzungen kann sich die Klägerin nicht rechtswirksam berufen.

1. Auf einen Rechtsanspruch auf Abschluss eines Altersteilzeitvertrages gemäß § 2 Abs. 2 TV ATZ auch unter Berücksichtigung der weiteren Festlegungen in Ziffer 2. Abs. 2 der Anwendungsregelungen zur Anlage 6 - Maßnahme Altersteilzeit - zum LPK kann sich die am 16.08.1953 geborene Klägerin bereits deshalb nicht berufen, weil sie im Zeitpunkt der Entscheidung über ihren Antrag weder das 60. noch das 58. Lebensjahr vollendet hatte.

2. Auch nach Maßgabe des § 2 Abs. 1 TV ATZ verfügt die Klägerin über keinen Anspruch gegen das beklagte Land auf Abschluss eines Altersteilzeitvertrages.

Zwar erfüllt die Klägerin die dort genannten Vorraussetzungen.

Jedoch ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet, den Antrag auf Änderung des Arbeitsvertrages allein deshalb anzunehmen, weil der Arbeitnehmer die in § 2 Abs. 1 TV ATZ genannten Vorraussetzungen erfüllt. Die Tarifvertragsparteien haben die Entscheidung über die verlangte Vertragsänderung in das Ermessen des Arbeitgebers gestellt. Mit der Formulierung "kann" wird regelmäßig ausgedrückt, dass dem Berechtigten die Entscheidung überlassen wird, ob er tätig wird oder nicht. Der Arbeitgeber ist in diesem Zusammenhang aber nicht frei in der Ausübung seines Ermessens. Die Tarifvertragsparteien haben mit der Kann-Bestimmung in § 2 Abs. 1 TV ATZ nicht nur die Selbstverständlichkeit wiederholt, dass der Arbeitgeber Vertragsfreiheit genießt und mit seinen Arbeitnehmern Altersteilzeitverträge schließen kann. Der Arbeitnehmer hat vielmehr Anspruch darauf, dass der Arbeitgeber bei der Entscheidung über seinen Antrag billiges Ermessen entsprechend § 315 Abs. 1 BGB wahrt (BAG vom 15.09.2009 - 9 AZR 643/08 - NZA-RR 2010, Seite 551; BAG Urteil vom 14.10.2008 - 9 AZR 511/07 - ZTR 2009, Seite 306). Diesbezüglich umfasst die Billigkeitskontrolle auch die Prüfung, ob die Ermessenausübung dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz widerspricht (BAG vom 24.01.2007 - 4 AZR 629/06 - ZTR 2007, Seite 566).

Eine Entscheidung nach § 315 BGB setzt voraus, dass die beiderseitigen Interessen abgewogen und dabei alle wesentlichen Umstände angemessen berücksichtigt werden. Entspricht die Entscheidung nicht der Billigkeit, so ist sie für den anderen Teil nicht verbindlich mit der Folge, dass die Bestimmung durch Urteil getroffen wird (§ 315 Abs. 3 BGB).

Maßgeblich für die Beurteilung nach § 315 BGB ist der Zeitpunkt, in dem der Arbeitgeber die Ermessensentscheidung getroffen hat (BAG Urteil vom 15.09.2009 -9 AZR 643/08- aaO.).

Es ist anerkannt, dass der Arbeitgeber berechtigt ist, den Antrag eines noch nicht 60jährigen Arbeitnehmers aus anderen als den in § 2 Abs. 3 TV ATZ genannten dringenden betrieblichen oder dienstlichen Gründen abzulehnen. Die Vorschrift bezieht sich lediglich auf Arbeitnehmer im Sinne von § 2 Abs. 2 TV ATZ, also auf Arbeitnehmer ab Vollendung des 60. Lebensjahres (BAG vom 15.09.2009 - 9 AZR 643/08 - aaO.).

Welche tatsächlichen Umstände in die Ermessensabwägung einzubeziehen sind, richtet sich nach dem jeweiligen Regelungsgegenstand. Da die Tarifvertragsparteien nach den Festlegungen im TV ATZ keine besonderen Umstände aufgeführt haben, die der Arbeitgeber bei seiner Entscheidung über einen Antrag auf Altersteilzeit nach § 2 Abs. 1 TV ATZ zu berücksichtigen hat, kommen alle sachlichen Gründe in Betracht, die sich aus einem Wechsel des Arbeitnehmers in die Altersteilzeit ergeben (BAG vom 14.10.2008 - 9 AZR 517/07 - ZTR 2009, Seite 306). Dazu können auch finanzielle Gründe gehören (BAG vom 10.05.2005 - 9 AZR 294/04 - APTVG § 1 Altersteilzeit Nr. 20).

Beruft sich der Arbeitgeber darauf, den Arbeitsplatz nicht wieder besetzen zu können, kann es im Einzelfall genügen, wenn er unter Berücksichtigung der vom Arbeitnehmer geschuldeten Arbeitsaufgabe und des Umfangs der durch den Wechsel in die Altersteilzeit frei werdenden Stelle die fehlende Wiederbesetzungsmöglichkeit nachvollziehbar darlegt. Der Arbeitnehmer, der trotz einer in sich nachvollziehbaren und damit plausiblen Begründung des Arbeitgebers weiter die fehlerhafte Ermessensausübung rügt, muss das seinerseits näher konkretisieren (BAG vom 15.09.2009 - 9 AZR 643/08 - aaO.).

Gemessen an den vorgenannten Vorraussetzungen lässt sich unter Berücksichtigung des Vortrages der Parteien sowie nach der durchgeführten Beweisaufnahme eine ermessensfehlerhafte Entscheidung des beklagten Landes nicht feststellen. Danach ist ein sachlicher Grund für die ablehnende Entscheidung des beklagten Landes gegeben [a)]. Zudem kann sich die Klägerin auf eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes nicht berufen [b)]. Auch die durchzuführende Interessenabwägung führt zu keinem anderen Ergebnis [c)].

a) Das beklagte Land hat unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme einen ausreichenden sachlichen Grund für die Ablehnung des Antrages der Klägerin auf Abschluss eines Altersteilzeitvertrages dargelegt. Es hatte danach ein anerkennenswertes Interesse an einer Sicherstellung der Unterrichtsversorgung, bezogen auf die hier maßgebliche Schulartgruppe 1 (Grundschulen). Maßgeblich ist in diesem Zusammenhang die Prognose zum Zeitpunkt der Ermessensentscheidung im Dezember 2009.

Die von dem beklagten Land für die angestellte Prognose herangezogenen Umstände waren im Übrigen auch schon bei Eingang des Altersteilzeitantrages der Klägerin vorhanden, so dass es entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts Schwerin unerheblich ist, ob das beklagte Land den Antrag rechtzeitig beschieden hat. Ein Anspruch auf Abschluss eines Altersteilzeitvertrages lässt sich nicht aus einem Fristversäumnis herleiten. Weder der TV ATZ noch das LPK enthalten eine Frist für den Arbeitgeber zur Entscheidung über den Altersteilzeitantrag. Nach § 2 Abs. 2 Satz 2 TV ATZ hat der Arbeitnehmer, der wegen Vollendung des 60. Lebensjahres bereits einen Anspruch auf Altersteilzeit hat, seinen Arbeitgeber drei Monate vor dem geplanten Beginn über die Geltendmachung dieses Anspruchs zu informieren. Hierbei handelt es sich um eine vom Arbeitnehmer, nicht aber vom Arbeitgeber zu beachtende Frist. Das LPK ist hingegen kein Tarifvertrag, sondern eine sonstige Koalitionsvereinbarung (BAG Urteil vom 15.09.2009 - 9 AZR 685/08 - AP Nr. 186 zu § 611 BGB Lehrer, Dozenten). Es erwähnt in Ziffer 2. Abs. 4 Satz 2 der Anlage 6 zum LPK eine Bearbeitungszeit von drei Monaten bis zum Beginn der Maßnahme. Diese Festlegung verpflichtet den Arbeitgeber nicht, spätestens drei Monate nach Antragstellung hierüber zu entscheiden. Vielmehr berechnet sich die Bearbeitungszeit nach dem Wortlaut ausgehend von dem geplanten Beginn der Altersteilzeit, d. h. rückwärtsgewandt. Ebenso wenig ist der Arbeitgeber verpflichtet, den Antrag spätestens drei Monate vor dem geplanten Beginn zu bescheiden. Der Arbeitgeber bewegt sich auch dann noch innerhalb der dreimonatigen Bearbeitungszeit, wenn er am letzten Tag vor dem beabsichtigten Beginn der Altersteilzeit entscheidet. Es handelt sich um eine Bearbeitungszeit, nicht aber um eine Bearbeitungsfrist. Das LPK weist den Antragsteller lediglich darauf hin, mit welcher Bearbeitungszeit er zu rechnen hat, wenn er die Altersteilzeit zu einem bestimmten Termin beginnen möchte. Ein Überschreiten dieser Zeitspanne ist auf der Grundlage der vorstehenden Erörterungen nicht mit rechtlichen Folgen verbunden (zutreffend LAG M-V vom 13. Juli 2011 - 2 Sa 49/11 -; Juris).

Das beklagte Land hat nachvollziehbar dargelegt, dass eine Nachbesetzung des Arbeitsplatzes der Klägerin während der geplanten Freistellungsphase von Juli 2013 bis November 2016 voraussichtlich nicht möglich sein wird. Zwar trifft der Einwand der Klägerin zu, dass die Kinder teilweise noch nicht einmal geboren seien. Da jede Prognose jedoch zwangsläufig mit einer Vielzahl von Unwegbarkeiten verbunden ist, genügt es, wenn ausgehend von den bislang bekannten Daten eine gewisse Wahrscheinlichkeit für den erwarteten Entwicklungsverlauf spricht. Nicht zu beanstanden ist die Annahme eines etwa gleich bleibenden Personalbedarfs in der Größenordnung von rund 2400 Lehrkräften. Größere Veränderungen bei den Geburtenzahlen sind jedenfalls bis Ende 2016 nicht zu erwarten, wie sich aus der vom beklagten Land zitierten 4. Landesprognose zur Bevölkerungsentwicklung ergibt. Plausibel erscheint auch die Zahl der zu Grunde gelegten Neueinstellungen. Das beklagte Land ist allerdings nicht gehalten, weitere gegebenenfalls kostenträchtige Anstrengungen wie z.B. Anwerbekampagnen in anderen Bundesländern zu unternehmen, um Nachbesetzungen darüber hinaus zu ermöglichen. Der Erfolg solcher Maßnahmen ist nur schwer einzuschätzen. Deshalb ist es nicht zu beanstanden, wenn das beklagte Land angesichts derartiger Unsicherheiten an den bereits vorhandenen Lehrkräften festhält. Jedenfalls muss es nicht das Risiko von späteren Unterrichtsausfällen in Kauf nehmen, um auf diese Weise Lehrkräften den Wechsel in die Altersteilzeit zu ermöglichen. Das beklagte Land hat - anders als in dem vom BAG am 15.09.2009 entschiedenen Rechtsstreit (9 AZR 643/08 aaO.) nicht nur vage Befürchtungen geäußert, sondern an Hand konkreter Daten eine durchaus wahrscheinliche Entwicklung des Unterrichts- und Personalbedarfs dargestellt. Ob diese Ausführungen auch zum Nachweis von dringenden dienstlichen Gründen im Sinne des § 2 Abs. 3 TV ATZ genügen würden, kann dahinstehen, da der Tarifvertrag in der Altersgruppe der Klägerin derartige Anforderungen nicht stellt.

Soweit die Klägerin die von dem beklagten Land prognostizierte Unterdeckung an Lehrkräften in der Schulartgruppe 1 bis zum Schuljahr 2016/2017 unter Hinweis auf eine jedenfalls nicht hinreichende Berücksichtigung des Einstellungskorridors, eine unzureichende Betrachtung der Ausgleichsstunden sowie eine nicht nachvollziehbare Darstellung der tatsächlichen Abgänge im Bereich der diesbezüglichen Lehrerschaft substanziell bestritten hat, so geht dieser Vortrag auf der Grundlage der durchgeführten Beweisaufnahme ins Leere.

Zwar ist entgegen der Auffassung des beklagten Landes der Klägerin darin zuzustimmen, dass im Falle des substantiierten Bestreitens der einer Prognoseentscheidung zu Grunde liegenden Umstände eine Beweisaufnahme durchzuführen ist. Dies gilt unabhängig von der - zutreffenden - Erwägung, dass hinsichtlich eines Vortrages zu einer Prognoseentscheidung nicht die gleichen Anforderungen gestellt werden können wie an den notwendigen Darlegungen zu den betriebsbedingten Gründen im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG. Gleichwohl kann auch die notwendige Plausibilität einer Prognoseentscheidung nur dann durch das jeweils erkennende Gericht festgestellt werden, wenn die dem zu Grunde liegenden Tatsachen durch das Gericht positiv festgestellt werden können.

Jedoch ist zu Lasten des Vortrages der Klägerin im Rahmen der durchgeführten Beweisaufnahme der insoweit erhebliche Vortrag des beklagten Landes zu den Grundlagen der Prognoseentscheidung bestätigt worden.

Denn der vernommene Zeuge Herr S. hat die Hintergründe der vorgenommenen Prognoseentscheidung detailliert wiedergegeben. Er hat bestätigt, dass im Einzelnen die jeweiligen Altersabgänge ebenso berücksichtigt worden sind wie die sogenannten Anrechnungsstunden. Auch hat er bestätigt, dass der für die Schulartgruppe 1 vorgesehene Einstellungskorridor Eingang in die Prognoseentscheidung gefunden hat. Ebenfalls hat er bestätigt, dass hinsichtlich der jährlich zu berücksichtigenden Fluktuation ein Prozentsatz von 1,4 zu Grunde gelegt worden ist. Schließlich hat der Zeuge nachvollziehbar ausgeführt, dass unter Berücksichtigung des Umstandes, dass nicht alle Lehrkräfte in Vollzeit beschäftigt sein werden, von einem durchschnittlichen Beschäftigungsumfang von 98 Prozent für die Prognoseentscheidung ausgegangen worden ist.

An der Glaubwürdigkeit des Zeugen selbst sowie an der Glaubhaftigkeit seiner Aussage bestehen nach Auffassung der Kammer keinerlei Zweifel.

Der Zeuge hat die jeweiligen Schritte der vorgenommenen Prognoseentscheidung in sich schlüssig und widerspruchsfrei ausgeführt und den Eindruck vermittelt, sich sehr genau mit der Materie befasst zu haben. Zu keinem Zeitpunkt der Zeugenvernehmung ist der Eindruck entstanden, die Aussagen seien ohne Hintergrundwissen einstudiert. Im Gegenteil hat der Zeuge das jeweilige konkrete Zahlenwerk teilweise aus vorhandenen Unterlagen zitiert und die diesbezüglichen Hintergründe aus eigener Wahrnehmung überzeugend geschildert.

Danach bestehen nach Auffassung der Kammer keine durchgreifenden Zweifel an dem Umstand, dass das beklagte Land der Entscheidung zur Ablehnung des Altersteilzeitvertrages mit der Klägerin eine nachvollziehbar und in sich tragende Prognoseentscheidung zu Grunde gelegt hat. Damit ist die notwendige sachliche Grundlage der Ermessensentscheidung im Sinne des § 315 BGB zu Gunsten des beklagten Landes zur Überzeugung der Kammer zu bejahen.

b) Soweit sich die Klägerin zur Begründung ihres Anspruches auf eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes beruft und sich diesbezüglich in Ergänzung des erstinstanzlichen Vortrages auf die mit den Arbeitnehmerinnen B. (geboren 18.12.1953), K. (geboren 23.02.1953), N. (geboren 02.02.953) sowie T. (geboren 11.07.1953) geschlossenen Altersteilzeitverträge bezieht, so vermag die Kammer dem nicht zu folgen. Denn die entsprechenden Altersteilzeitverträge sind am 04.06.2009 (3mal) und am 23.03.2009 (1mal) und mithin allesamt vor der Entscheidung des beklagten Landes im November 2009 geschlossen worden, künftig nur noch in Ausnahmefällen Maßnahmen nach dem LPK durchführen zu wollen.

Dass die Abweichung von der bisherigen Praxis auf Grund der notwendigen Anpassung an die festgestellte Situation im November 2009 nicht zu beanstanden war, ist durch das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern bereits mehrfach unter Hinweis darauf festgestellt worden, dass das Interesse des beklagten Landes hinsichtlich einer unveränderten Fortführung der Arbeitsverhältnisse ab Herbst 2009 ein anderes - höheres - Gewicht mit der Folge erhalten habe, dass es dementsprechend höhere Anforderungen an die Begründung von Altersteilzeitverträgen habe stellen können.

Dem schließt sich die Kammer an, so dass insoweit im Entscheidungszeitpunkt über den Antrag der Klägerin unterschiedliche Sachverhalte gegeben waren, die mithin einer Prüfung im Rahmen des Gleichbehandlungsgrundsatzes nicht zugänglich sind.

Dies gilt ebenfalls für die von der Klägerin angesprochenen und am 30.11.2009 (4mal) und am 15.12.2009 (1mal) abgeschlossenen Altersteilzeitverträge der Arbeitnehmerinnen B. (geboren 01.10.1951), J. (geboren 13.06.1951), L. (geboren 06.03.1950), M. (geboren 01.08.1951) sowie W. (geboren 08.11.1951).

Denn diese Arbeitnehmerinnen hatten im Entscheidungszeitpunkt alle das 58. Lebensjahr vollendet und verfügten mithin nach der eigenen Verwaltungspraxis des beklagten Landes (Ziffer 2. Abs. 2 der Anwendungsregelungen zur Anlage 6 des LPK - Maßnahme Altersteilzeit -) über einen Rechtsanspruch auf Abschluss eines Altersteilzeitvertrages, so dass auch diesbezüglich von einer Vergleichbarkeit mit der Klägerin nicht ausgegangen werden kann.

Der Hinweis der Klägerin auf Frau K. geht in diesem Zusammenhang ebenfalls ins Leere. Das beklagte Land hat insoweit durch die Klägerin unwidersprochen vorgetragen, dass der zu Grunde liegende Altersteilzeitvertrag bereits im Jahr 2006 abgeschlossen worden sei.

Eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ist demnach unter Berücksichtigung des gegebenen Sach- und Streitstandes für die Kammer nicht feststellbar.

c) Entgegen der Auffassung der Klägerin kann der von ihr geltend gemachte Anspruch auch nicht auf der Grundlage der Bearbeitung ihres Antrages am 15.12.2009 unter schadensersatzrechtlichen Gesichtspunkten bejaht werden.

Dies ergibt sich zum einen bereits aus den Ausführungen unter Ziffer 1. 2. a) dieser Entscheidung. Zum anderen ist nicht ersichtlich, dass die Entscheidung des beklagten Landes bis zum Ablauf der "Bearbeitungsfrist" am 30.11.2009 abweichend ausgefallen wäre. Denn zu diesem Zeitpunkt war die Aufgabe der bis dato geübten Verwaltungspraxis bereits beschlossen.

3. Schließlich sind auch unter personalvertretungsrechtlichen Gesichtspunkten keine Umstände gegeben, den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch zu tragen.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Revisionszulassungsgründe im Sinne des § 72 Abs. 2 ArbGG sind nicht ersichtlich.

VorschriftenBGB § 315

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