Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww

27.01.2012

Hessisches Landesarbeitsgericht: Urteil vom 26.10.2011 – 6 Sa 481/11


Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Gießen vom 3. März 2011 - 1 Ca 12/11 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, auf welcher Grundlage die Leistungen der betrieblichen Altersversorgung anzupassen sind.

Der Kläger hat Anspruch auf eine betriebliche Altersversorgung gemäß der Betriebsvereinbarung Nr. 1 vom 18. Dezember 1959. Hier heißt es:

1.) Mit Zustimmung des engeren Verbandsausschusse wird mit Wirkung vom 1. Oktober 1958 den Betriebsangehörigen, die 10 Jahre ununterbrochen im Dienste des B (CCC) stehen und ihm ihre volle Arbeitskraft ausschließlich zur Verfügung gestellt haben, eine beamtenmäßige Alters- und Hinterbliebenenversorgung zugesichert.

...

3.) Für die Berechnung der Hundertsätze der Versorgungs- und Hinterbliebenenbezüge und die Feststellung der ruhegeldfähigen Dienstzeit gelten die landesgesetzlichen Bestimmungen.

4.) Die Versorgung wird in der Weise gewährt, dass auf die Sätze einer beamtenmäßigen Alters- und Hinterbliebenenversorgung die dem Inhaber dieser Zusage aus der Sozialversicherung und der Zusatzversorgungskasse der Gemeinden und Gemeindeverbände des Landes Hessen zustehende Renten voll angerechnet werden. Voraussetzung für eine betriebliche Altersversorgung ist also die Zugehörigkeit zu beiden Versicherungen, wobei die Arbeitgeberanteile in der gleichen Weise wie bisher vom B übernommen werden.

Der Inhaber der Versorgungszusage hat dem B jederzeit die Vollständigkeit seiner Versicherungsunterlagen für die Zeit der Berufstätigkeit sowie für die Ersatz- und Ausfallzeiten nachzuweisen.

...

Wegen der weiteren Einzelheiten der Betriebsvereinbarung wird auf die zu den Akten gereichte Abschrift (Anlage B3 zum Schriftsatz der Beklagten vom 25. Januar 2011) verwiesen.

Mit Schreiben vom 5. Oktober 1983 teilte die Beklagte den seinerzeitigen Beziehern einer Betriebsrente (des sog. A-Zuschusses) folgendes mit:

Unsere betriebliche Altersversorgung

seit Bestehen unserer betrieblichen Alters- und Hinterbliebenenversorgung sind die Leistungen jeweils der Einkommensentwicklung im öffentlichen Dienst angepasst worden. Bis zum Jahr 1981 waren die Erhöhungen sowohl nach dem Beamtenrecht, als auch nach dem Tarifrecht für Angestellte und Arbeiter des öffentlichen Dienstes immer einheitlich. Im Jahr 1982 waren dagegen die Anhebungen im Beamtenrecht und im Tarifrecht zeitlich, im Jahr 1983 zeitlich und inhaltlich verschieden.

Aus einer Reihe von Gründen hatten wir uns im Jahr 1982 dazu entschieden, uns grundsätzlich an die Entwicklung des Beamtenversorgungsrechtes anzulehnen. Die Anpassungen der Jahre 1982 und 1983 wurden auch dementsprechend vorgenommen.

Zu dieser Entscheidung gab es sehr unterschiedliche Meinungen. Dies hat seine Ursache darin, dass in unserer beamtenmäßigen Alters- und Hinterbliebenenversorgung wesentliche Elemente sowohl aus dem Beamtenrecht, als auch aus dem Tarifrecht enthalten sind.

Nach sehr eingehenden Überlegungen und Abwägung aller Argumente sind wir zum Ergebnis gekommen, dass die Anpassungen jetzt und künftig nicht nach dem Beamtenrecht, sondern nach dem Tarifrecht vorgenommen werden. Die entsprechende Nachzahlung erhalten Sie mit der Zahlung für den Monat Dezember 1983.

In der Folge erhöhte die Beklagte die Leistungen der betrieblichen Altersversorgung entsprechend den Tariflohnerhöhungen, der für sie geltenden Tarifverträge. Ab dem 1. Januar 1995 waren dies die Tarifverträge der Arbeitgebervereinigung energiewirtschaftlicher Unternehmen e.V. (AVE).

Mit Schreiben aus Januar 2008 teilte die Beklagte mit, dass der Vorstand beschlossen habe, die Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nicht mehr, wie bisher, entsprechend den Anpassungen des AVE-Vergütungstarifvertrages vorzunehmen, sondern diese rückwirkend zum 1. Januar 2007 gemäß den Bestimmungen des Landesbeamtenrechtes anzupassen und auf die Tarifanpassungen entsprechend dem Landesbeamtenrecht die überobligatorischen Erhöhungen aus den letzten drei Jahren vor dem jeweiligen Anpassungsstichtag aufgrund einer anzuwendenden Verjährungsfrist anzurechnen, so dass zum 1. April 2008 keine Erhöhung der bisher nach dem AVE-Tarifvertrag dynamisierten betrieblichen Altersversorgung erfolge.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit der vorliegenden Klage, mit der er beantragt hat,

1. festzustellen, dass die Beklagte jedenfalls bis zum 6. September 2020 verpflichtet ist, die Anpassung der Betriebsrente des Klägers (sog. A-Zuschuss) unter Zugrundelegung der jeweiligen tariflichen Regelung (AVE-Vergütungstarifvertrag) vorzunehmen;

2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn € 6.925,07 zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Januar 2011 zu zahlen.

Die Beklagte hat durch Spaltungs- und Übernahmevertrag vom 27. August 2010 die Betriebsteile "Betriebsführung und Dienstleistungen Stromnetz" sowie "Billing und Forderungsmanagement" gemäß § 123 Abs. 2 Nr. 1 Umwandlungsgesetz abgespalten. Die Betriebsteile werden von der A netz AG in D aufgenommen. Der Übergang ist mit einer Eintragung der Spaltung im Handelsregister der Beklagten am 6. September 2010 gem. § 131 Abs. 1 Nr. 1 Umwandlungsgesetz wirksam geworden.

Das Arbeitsgericht hat dem Feststellungsantrag und dem in rechnerischer Höhe (vgl. bezüglich der Berechnung Schriftsatz des Klägers vom 8. Februar 2011) unstreitigen Zahlungsantrag bis auf den auf Dezember 2007 entfallenden Anteil stattgegeben; die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben. Es hat angenommen, dass das Schreiben der Beklagten vom 5. Oktober 1983 eine Gesamtzusage beinhaltet, die dem Kläger einen vertraglichen Anspruch auf Anpassung seiner Betriebsrente entsprechend den Erhöhungen des AVE-Vergütungstarifvertrages gewähre. Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien, sowie der Erwägungen des Arbeitsgerichtes wird auf die angegriffene Entscheidung Bezug genommen.

Gegen dieses ihr am 29. März 2011 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 5. April 2011 Berufung eingelegt und diese am 30. Mai 2011 begründet. Die Beklagte rügt, das Arbeitsgericht nehme unzutreffend das Vorliegen einer Gesamtzusage an und verkenne überdies, dass eine solche Gesamtzusage an der nach §§ 16, 17 Abs. 3 S. 3 BetrAVG durchzuführenden Günstigkeitsprüfung hätte scheitern müssen. Ferner scheitere die Wirksamkeit der Gesamtzusage auch an der fehlenden Zustimmung des Betriebsrates nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG.

Die Beklagte meint, eine Gesamtzusage liege deshalb nicht vor, weil das Schreiben vom 5. Oktober 1983 nur an die seinerzeitigen Bezieher der Betriebsrente gerichtet gewesen sei. Es habe nur ca. 110 Personen gegeben, die nach Anrechnung der gesetzlichen Rente und der ZVK-Rente einen Anspruch auf den A-Zuschuss hatten. Das Schreiben sei erkennbar nicht darauf gerichtet gewesen, die aktiven Arbeitnehmer über eine Änderung hinsichtlich der Anpassung des A-Zuschusses zu unterrichten. Gegen die Annahme, dass die Beklagte eine konstitutive Erklärung abgeben wollte, spreche auch, dass der Aufsichtsrat nicht beteiligt wurde, was aufgrund der wirtschaftlichen Bedeutung hätte geschehen müssen.

Die Beklagte meint weiter, die Gesamtzusage - so man eine solche annehme - scheitere auch an der fehlenden Mitbestimmung des Betriebsrates. Eine von der Betriebsvereinbarung vom 18. Dezember 1959 abweichende Regelung sei nur zugunsten der Arbeitnehmer möglich. Zwar seien die tariflichen Erhöhungen in der Jahren nach 1983 tatsächlich regelmäßig höher ausgefallen, als die Anpassungen nach dem Beamtenrecht. Dies sei jedoch - was maßgeblich sei - 1983 noch nicht absehbar gewesen. Die Beklagte meint auch, die Anpassung nach Tarifrecht sei eine Regelung mit der zu Ungunsten der Arbeitnehmer von § 16 BetrVG abgewichen werde. Es habe sich 1983 nicht beurteilen lassen, ob die Tarifparteien bereit und in der Lage sein würden, den Anstieg des Verbraucherpreisindex stets durch entsprechende Tariflohnerhöhungen auszugleichen. Aus diesem Grund sei die vermeintliche Gesamtzusage unwirksam.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichtes Gießen vom 3. März 2011 - 1 Ca 12/11 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das angegriffene Urteil.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und den übrigen Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Parteien haben sich mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt. Mit Beschluss vom 1. September 2011 wurde das schriftliche Verfahren angeordnet.

Die Berufung der Beklagten ist gemäß § 64 Abs. 2b ArbGG statthaft, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes € 600,00 übersteigt. Sie ist auch form- und fristgerecht eingelegt worden und damit insgesamt zulässig (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG iVm § 520 ZPO).

In der Sache ist die Berufung jedoch unbegründet. Das Berufungsgericht folgt dem Arbeitsgericht im Ergebnis und in der Begründung.

Der Feststellungsantrag ist zulässig. Mit der Klage soll der Inhalt des Versorgungsverhältnisses und damit eines Rechtsverhältnisses iSv § 256 Abs. 1 ZPO geklärt werden. Feststellungsklagen müssen sich nicht auf das Rechtsverhältnis im Ganzen beziehen, sondern können sich auch auf einzelne, daraus entstehende Rechte, Pflichten oder Folgen begrenzen (vgl. BAG Urteil vom 21. November 2006 - 3 AZR 309/05 - AP Nr. 7 zu § 1b BetrAVG und BAG Urteil vom 27. März 2007 - 3 AZR 299/06 - AP' Nr. 68 zu § 1 BetrAVG Zusatzversorgungskassen).

Ebenso besteht das erforderliche Feststellungsinteresse. Ein Klärungsbedürfnis ergibt sich aus den unterschiedlichen Auffassungen der Parteien über die Anpassung der Betriebsrente. Der Feststellungsantrag führt auch zu einer prozesswirtschaftlich sinnvollen Erledigung des Rechtsstreites. Er ist geeignet, den einzigen Streitpunkt zwischen den Parteien abschließend zu klären.

Die Klage ist begründet.

Der Anspruch auf Anpassung des sog. A-Zuschusses unter Zugrundelegung der Tariflohnerhöhungen folgt aus dem Schreiben der Beklagten vom 5. Oktober 1983, welches als Gesamtzusage zu qualifizieren ist.

Eine Gesamtzusage liegt vor, wenn ein Arbeitgeber einseitig bekannt gibt, dass er jedem Arbeitnehmer, der die von ihm abstrakt festgelegten Voraussetzungen erfüllt, eine bestimmte Leistung gewährt. Der Arbeitnehmer erwirbt einen einzelvertraglichen Anspruch auf diese Leistung, wenn er die vom Arbeitgeber genannten Anspruchsvoraussetzungen erfüllt, ohne dass es einer besonderen Erklärung der Annahme des in der Zusage enthaltenen Angebotes bedarf (vgl. BAG Urteil vom 04 Juni 2008 - 4 AZR 421/07 - AP Nr. 4 zu § 151 BGB). Gesamtzusagen werden bereits dann wirksam, wenn sie gegenüber den Arbeitnehmer in einer Form verlautbart werden, die den einzelnen Arbeitnehmer typischerweise in die Lage versetzen, von der Erklärung Kenntnis zu nehmen (vgl. BAG Urteil vom 11. Dezember 2007 - 1 AZR 953/06 - AP Nr. 37 zu § 77 BetrVG 1972 Betriebsvereinbarung).

Ob eine Gesamtzusage vorliegt und welchen Inhalt sie hat, richtet sich gemäß §§ 133, 157 BGB nach den für Willenserklärungen geltenden Regeln. Gesamtzusagen sind als "typisierte Willenserklärungen" nach objektiven, vom Einzelfall unabhängigen Kriterien auszulegen. Maßgeblich ist der Erklärungssinn aus der Sicht des Empfängers (vgl. BAG Urteil vom 16. Oktober 2007 - 9 AZR 170/07 - BAGE 124, 210). Die Auslegung der Gesamtzusage durch das Berufungsgericht unterliegt der uneingeschränkten revisionsrechtlichen Überprüfung (vgl. BAG Urteil vom 28. Juli 2005 - 3 AZR 463/04 - AP Nr. 59 zu § 16 BetrAVG).

In Anwendung dieser Grundsätze ist das Schreiben vom 5. Oktober 1983 als Gesamtzusage zu qualifizieren, mit der allen nach der Betriebsvereinbarung von 1959 anspruchsberechtigten Arbeitnehmern einer beamtenmäßigen Alters- und Hinterbliebenenversorgung die Anpassung dieser Versorgung nach Tarifrecht zugesagt wurde. Dem steht nicht entgegen, dass das Schreiben nur an aktuell (Stand Oktober 1983) einen A-Zuschuss beziehende ehemalige Arbeitnehmer der Beklagten versandt wurde. Dem Schreiben selbst lässt sich nämlich nicht entnehmen, dass die Beklagte ihre Zusage auf Anpassung der Betriebsrente nach Tarifrecht auf diesen Personenkreis beschränken wollte. Irgendwelche sachlichen Gründe für eine derartige Differenzierung sind auch nicht ersichtlich. Vielmehr heißt es im Schreiben, dass man nach sehr eingehenden Überlegungen und Abwägungen aller Argumente zu dem Ergebnis gekommen sei, dass die Anpassungen jetzt und künftig nicht nach dem Beamtenrecht, sondern nach Tarifrecht vorgenommen werden.

Die Verlautbarung war auch so, dass sie alle Arbeitnehmer der Beklagten mit einem Anspruch aus der Betriebsvereinbarung von 1959 auf eine beamtenmäßige Alters- und Hinterbliebenenversorgung in die Lage versetzte, von der Erklärung Kenntnis zu nehmen. Die Beklagte hat einseitig bekannt gegeben, dass jetzt und künftig Arbeitnehmer mit einem beamtenmäßigen Anspruch auf Alters- und Hinterbliebenenversorgung die Anpassung ihrer Betriebsrente nach Tarifrecht erhalten. Diese Zusage wird auch gegenüber den Arbeitnehmern wirksam, die das Schreiben vom 5. Oktober 1983 nicht erhalten haben. Darüber hinaus hat die Beklagte diese Zusage auch über 25 Jahre eingehalten, und zwar auch gegenüber Arbeitnehmern, an die sie das Schreiben vom 5. Oktober 1983 nicht adressiert hatte. Weder aus dem Wortlaut des Schreibens vom 5. Oktober 1983, noch aus sonstigen Umständen lässt sich entnehmen, dass die Arbeitnehmer einen etwaigen fehlenden Rechtsbindungswillen der Beklagten hätten erkennen können.

Die Gesamtzusage ist auch nicht nach § 87 Abs. 1 Ziff. 10 BetrVG unwirksam. Wohl besteht bei der Einführung und Ausgestaltung von betrieblicher Altersversorgung grundsätzlich ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. Die tatsächlich durchgeführte Mitbestimmung ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts Wirksamkeitsvoraussetzung für Maßnahmen zum Nachteil des Arbeitnehmers. Der Arbeitgeber soll sich nicht darauf berufen können, dass er mitbestimmungswidrig gehandelt hat (ständige Rechtsprechung seit BAG Urteil vom 16. September 1986 - GS 1/82 - BAGE 53,42; BAG Urteil vom 02. März 2004 - 1 AZR 271/03 - AP Nr. 31 zu § 3 TVG; BAG Urteil vom 15. April 2008 - 1 AZR 65/07 - AP Nr. 133 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung zu II. 3b). Es war aber schon 1983 absehbar, dass die Anpassungen der Besoldung der Beamten die Tariflohnerhöhungen im öffentlichen Dienst grundsätzlich nicht mehr übersteigen werden. Die Anpassung nach Tarifrecht, wie in der Gesamtzusage vorgesehen, ist für die Arbeitnehmer günstiger, als die Anpassung nach Beamtenbesoldung.

Die Gesamtzusage ist auch nicht nach § 17 Abs. 3 S. 3 BetrAVG unwirksam. Die Anpassungsvereinbarung stellt vorliegend auch unter Zugrundelegung einer Anpassung nach Tarifrecht keine Abweichung von § 16 BetrAVG zu Ungunsten der Arbeitnehmer dar, da jede Tariflohnerhöhung an die Rentner weiterzugeben ist und damit eine Anpassung regelmäßig häufiger erfolgt, als nach dem in § 16 BetrAVG vorgesehenen 3-Jahres-Zeitraum. Die Anpassungsvereinbarung darf zwar im Einzelfall nicht dazu führen, dass zwingende Grundwertungen des Betriebsrentenrechts beeinträchtigt werden oder gegen zwingende Bestimmungen des Betriebsrentenrechts verstoßen wird. Hierzu gehört auch die Anpassungsprüfungs- und entscheidungspflicht des Arbeitgebers nach § 16 BetrAVG, die die Betriebsrentner vor einer Auszehrung ihrer Betriebsrente infolge Kaufkraftverlust schützen soll (vgl. BAG Urteil vom 26. Mai 2009 - 3 AZR 369/07 - AP Nr. 67 zu § 16 BetrAVG). Der Kläger bedarf des über § 16 BetrAVG vermittelten Schutzes aber nicht. Er wird durch die Anpassung nach Tarifrecht hinreichend vor einer Auszehrung seiner Betriebsrente geschützt. Die Anpassung der Betriebsrente nach Tarifrecht gewährleistet ebenso wie die Anpassung nach Beamtenrecht einen im Vergleich zu § 16 BetrAVG angemessenen Risiko-Chancenausgleich. Nach § 16 Abs. 1 BetrAVG hat der Versorgungsschuldner alle drei Jahre eine Anpassung der laufenden Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zu prüfen und hierüber nach billigem Ermessen zu entscheiden. Zwar verlangen der Zweck der Versorgungsleistungen selbst und der Zweck des Betriebsrentengesetzes, dass die gesetzlich vorgeschriebenen Anpassungen vorzunehmen sind, solange und soweit der Versorgungsschuldner leistungsfähig ist. Deshalb ist die Anpassung der Regelfall, die Nichtanpassung ist die Ausnahme (vgl. BAG Urteil vom 26. Mai 2009 - 3 AZR 369/07 - aaO.). Da der Arbeitgeber bei der Anpassungsprüfung und -entscheidung nach § 16 BetrAVG seine wirtschaftliche Lage berücksichtigen darf und eine Anpassung entsprechend dem seit dem individuellen Rentenbeginn eingetretenen Kaufkraftverlust ganz oder teilweise ablehnen kann, wenn und soweit das Unternehmen dadurch übermäßig belastet würde (vgl. BAG Urteil vom 25. Juni 2002 - 3 AZR 226/01 - AP Nr. 51 zu § 16 BetrAVG), gibt § 16 BetrAVG dem Versorgungsgläubiger allerdings keine Anpassungsgarantie. Demgegenüber enthält die Gesamtzusage vom 5. Oktober 1983 eine von der wirtschaftlichen Lage des Versorgungsschuldners unabhängige Verpflichtung zur Anpassung. Der Versorgungsschuldner ist immer dann zur Anpassung verpflichtet, wenn die Tarifvertragsparteien die Vergütung erhöhen. Dies kann für den Versorgungsempfänger gegenüber einer Anpassung nach § 16 BetrAVG auch von Vorteil sein (vgl. BAG Urteil vom 30. November 2010 - 3 AZR 798/08 - DB 2011, 826-828 bezüglich einer Anpassungspflicht nach Beamtenrecht).

Darüber hinaus kommt nach Dafürhalten des Berufungsgerichtes auch ein Anspruch auf Anpassung nach Tarifrecht direkt aus der Betriebsvereinbarung von 1959 im Wege der Auslegung (§§ 133, 157 BGB) in Betracht. Diese Betriebsvereinbarung enthält keine Regelung bezüglich der Anpassung. Fest steht nur, dass eine beamtenmäßige Alters- und Hinterbliebenenversorgung zugesagt wurde, das heißt, dass eine Anpassung zu erfolgen hat. Allein aus dem Begriff "beamtenmäßige Alters- und Hinterbliebenenversorgung" lässt sich aber nicht entnehmen, dass die Anpassung gemäß der Erhöhung der Beamtenbesoldung zu erfolgen hat, da Berechnungsgrundlage des Gesamtversorgungsanspruchs des Klägers das Gehalt ist. Lediglich die Ermittlung der ruhegeldfähigen Dienstzeit und die Höhe des Gesamtversorgungsanspruchs erfolgt entsprechend dem Beamtenversorgungsgesetz. Die Anpassung erfolgt ersichtlich, um den Betriebsrentnern den Lebensstandard zu sichern, den auch ein aktiv Beschäftigter hat. Der aktiv Beschäftigte bei der Beklagten ist kein Beamter, sondern erhält als Vergütung Tarifgehälter, die gem. Tarifabschlüssen erhöht werden. Auch Sinn und Zweck der Anpassung spricht dafür, die Anpassung und die Erhöhung der Tarifgehälter vorzunehmen. Stellt man zusätzlich auf die jahrelange Durchführung der Anpassung nach Tarifrecht - spätestens seit 1983 - ab, so kommt hierin zum Ausdruck, dass die Parteien die Alters- und Hinterbliebenenversorgung gemäß der Betriebsvereinbarung von 1959 dahingehend ausgelegt haben. Die praktische Durchführung einer Regelung kann grundsätzlich bei der Auslegung Berücksichtigung finden.

Zur Klarstellung wurde der Feststellungstenor abgeändert, da unstreitig keine Erhöhung des A-Zuschusses vereinbart ist.

Entsprechend vorstehender Ausführungen kann der Kläger auch Zahlung verlangen.

Die Beklagte hat die Kosten ihres erfolglos eingelegten Rechtsmittels nach § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.

Die Zulassung der Revision erfolgte wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 72 Abs. 2 Ziff. 1 ArbGG).

VorschriftenBGB § 133, BGB § 157

Sprechen Sie uns an!

Kundenservice
Max-Planck-Str. 7/9
97082 Würzburg
Tel. 0931 4170-472
kontakt@iww.de

Garantierte Erreichbarkeit

Montag - Donnerstag: 8 - 17 Uhr
Freitag: 8 - 16 Uhr