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17.01.2012

Landesarbeitsgericht Hamm: Beschluss vom 14.06.2011 – 14 Ta 295/11

1. Die hinreichende Erfolgsaussicht für eine unter der Bedingung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe erhobene Klage gegen eine Kündigung besteht nunmehr wieder.

2. Die Richtigkeit der Auffassung, dass ein solcher Antrag nicht geeignet ist, die Dreiwochenfrist des § 4 S. 1 KSchG zu wahren, ist aufgrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Berücksichtigung des Grundrechts auf effektiven Rechtsschutz bei der Auslegung und Anwendung von tariflichen Ausschlussfristen, die eine gerichtliche Geltendmachung verlangen (vgl. BVerfG, 1. Dezember 2010, 1 BvR 1682/07, NZA 2011, 354), zweifelhaft geworden und als offene Rechtsfrage in einem Hauptsacheverfahren erneut zu überprüfen.

3. Dies gilt auch für die Annahme, dass die nachträgliche Zulassung einer solchen Klage nicht möglich ist.


Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird unter ihrer Zurückweisung im Übrigen der Beschluss des Arbeitsgerichts Herne vom 5. November 2010 (5 Ca 2865/10) abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

Dem Antragsteller wird Prozesskostenhilfe für den ersten Rechtszug mit Wirkung vom 2. November 2010 bewilligt, soweit er sich gegen die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung vom 4.Oktober 2010 wendet.

Zur Wahrnehmung seiner Rechte in diesem Rechtszug wird ihm im Umfang der Bewilligung Rechtsanwalt S1 aus H1 beigeordnet.

Die Bewilligung erfolgt mit der Maßgabe, dass der Antragsteller keinen eigenen Beitrag zu den Kosten der Prozessführung zu leisten hat.

Im Übrigen wird der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Hälfte der Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Kündigungsschutzklage. Er war seit dem 28. Oktober 2010 bei dem Antragsgegner beschäftigt und wurde von diesem mit Schreiben vom 4. Oktober 2010 fristlos, hilfsweise fristgemäß gekündigt mit der Begründung, der Antragsteller habe am 4. Oktober weder seine Arbeit angetreten noch sich gemeldet. Der Zugang der Kündigung ist nicht vorgetragen, sie lag dem Prozessbevollmächtigten des Antragstellers am 14. Oktober 2010 vor. Mit dem am 21. Oktober 2010 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten hat der Antragsteller die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt und nach deren Bewilligung die Erhebung einer Kündigungsschutzklage angekündigt. Am 2. November 2010 ging die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst vollständigen Belegen ein.

Mit Schreiben vom 22. Oktober 2010 teilte das Arbeitsgericht dem Antragsteller Folgendes mit: "& im o. g. Verfahren wird auf § 4 KSchG hingewiesen." Es erfolgte keine unbedingte Erhebung der Kündigungsschutzklage. Auch nach Erlass der hier angefochtenen Entscheidung, mit der der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Hinweis auf diese unterbliebene Klageerhebung und die Versäumung der Frist des § 4 S. 1 KSchG zurückgewiesen wurde, hat der Antragsteller weder eine unbedingte Kündigungsschutzklage erhoben noch einen Antrag auf nachträgliche Zulassung einer solchen Klage gestellt.

II.

Die gemäß § 46 Abs. 2 S. 3, § 78 S. 1 ArbGG, § 127 Abs. 2 S. 2 und 3, §§ 567 ff. ZPO zulässige und als sofortige Beschwerde auszulegende Beschwerde des Antragstellers ist begründet. Dem Antragsteller kann die Bewilligung von Prozesskostenhilfe trotz der unter dieser Bedingung erfolgten Erhebung der Kündigungsschutzklage entgegen der bisherigen Rechtsprechung auch der erkennenden Kammer nicht wegen fehlender Erfolgsaussicht im Sinne des § 114 ZPO insgesamt verweigert werden.

1. Gemäß § 114 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Insoweit ist es erforderlich, aber auch ausreichend, dass bei summarischer Prüfung eine gewisse Wahrscheinlichkeit für ein Obsiegen des Antragstellers besteht und das Prozesskostenhilfegesuch den gesetzlichen Mindestanforderungen genügt. Der Rechtsstandpunkt des Antragstellers muss aus der Sicht des Gerichts zumindest vertretbar und ein Prozesserfolg unter Berücksichtigung des gegnerischen Prozessvorbringens wahrscheinlich sein (vgl. Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, Beratungshilfe, 5. Auflage, 2010, Rn. 408 f. m.w.N.). Verweigert werden darf die Prozesskostenhilfe nur dann, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist (vgl. BVerfG, 13. Juli 2005, 1 BVR 175/05, NJW 2005, 3489). § 114 ZPO sieht die Gewährung von Prozesskostenhilfe bereits dann vor, wenn nur hinreichende Erfolgsaussichten für den beabsichtigten Rechtsstreit bestehen, ohne dass der Prozesserfolg schon gewiss sein muss (vgl. BVerfG, 10. August 2001, 2 BvR 569/01, AP GG Art. 19 Nr. 10). Der Rechtsstandpunkt der Prozesskostenhilfe begehrenden Partei muss vom Gericht aufgrund ihrer Sachdarstellung und der vorhandenen Unterlagen mindestens für vertretbar gehalten werden (vgl. Zöller/Geimer, ZPO, 28. Auflage, 2010, § 114 Rn. 19). Insbesondere darf keine vorweggenommene Entscheidung der Hauptsache im Rahmen der Prozesskostenhilfeprüfung erfolgen (vgl. Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, a.a.O., Rn. 409, Zöller/Geimer, a.a.O.).

2. Bei Anwendung dieser Grundsätze im vorliegenden Fall besteht hinreichende Erfolgsaussicht für die beabsichtigte Feststellungsklage, soweit sie sich gegen die außerordentliche Kündigung richtet, obwohl der Antragsteller diese lediglich unter der Bedingung der Prozesskostenhilfebewilligung erhoben, trotz des arbeitsgerichtlichen Hinweises vom 22. Oktober 2010 eine unbedingte Klageerhebung nicht nachgeholt und auch keinen Antrag auf nachträgliche Klagezulassung gestellt hat.

a) Die Erhebung einer Kündigungsschutzklage (worunter im Folgenden im Hinblick auf den Geltungsbereich des § 4 KSchG jede gegen die Wirksamkeit einer Kündigung gerichtete Feststellungsklage gemeint ist) unter der Bedingung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe wahrt nach der bisherigen Rechtsprechung fast aller Landesarbeitsgerichte nicht die Dreiwochenfrist des § 4 S. 1 KSchG (vgl. LAG Hamm, 23. November 2009, 14 Ta 357/09, juris m.w.N., auch abrufbar unter nrwe.de). Soweit aber ein Schriftsatz die formellen und gesetzlichen Anforderungen an eine Klageschrift erfüllt, kommt die Deutung, dass dieser Schriftsatz nicht als unbedingt erhobene Klage bestimmt war, nur in Betracht, wenn sich dies aus den Begleitumständen mit einer jeden vernünftigen Zweifel ausschließenden Deutlichkeit ergibt (std. Rspr. des BGH, vgl. statt aller BGH, 17. Dezember 2008, XII ZB 185/08, NJWRR 2009, 433). Insoweit besteht eine hinreichende Erfolgsaussicht für eine Kündigungsschutzklage im Hinblick auf die Wahrung der Frist des § 4 S. 1 KSchG, wenn ein als "Klage und Prozesskostenhilfegesuch" überschriebener Schriftsatz mit der Erklärung, dass Klage erhoben und um die Anberaumung eines Gütetermins gebeten werde, eingeleitet wird, im Anschluss daran die Erklärung enthält, der Antragsteller beantrage zunächst die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und werde danach beantragen, die Unwirksamkeit einer Kündigung festzustellen, sich an die Anträge die Begründung einer Kündigungsschutzklage anschließt und der Schriftsatz ordnungsgemäß unterzeichnet ist (vgl. LAG Hamm, 23. November 2009, a.a.O.).

Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers hat für diesen lediglich einen als "Prozesskostenhilfeantrag für eine Klage" überschriebenen Schriftsatz vom 15. Oktober 2010 eingereicht. Er hat ausdrücklich den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe gestellt und sodann erklärt, "nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird Klage mit folgenden Anträgen erhoben:", nämlich eine Kündigungsschutzklage gegen eine Kündigung vom 4. Oktober 2010 sowie für den Fall des Scheiterns der Güteverhandlung ein Weiterbeschäftigungsantrag. Trotz der danach erfolgten Begründung der Kündigungsschutzklage sowie des Prozesskostenhilfeantrags einerseits, der Unterzeichnung des Schriftsatzes durch den Prozessbevollmächtigten des Antragstellers andererseits ergibt sich aus der Einleitung dieses Schriftsatzes eindeutig, dass nur ein Prozesskostenhilfeantrag gestellt werden soll. Die in der Begründung erfolgte Auseinandersetzung mit der Kündigung dient lediglich der Darlegung der hinreichenden Erfolgsaussicht, ist jedoch kein Indiz dafür, dass der Antragsteller unbedingt eine Kündigungsschutzklage erheben will und die daran geknüpfte Bedingung der Prozesskostenhilfebewilligung lediglich der Vorbehalt einer Klagerücknahme sein soll.

Das Arbeitsgericht hat den Antragsteller auf diesen Mangel des Prozesskostenhilfeantrags mit seinem Schreiben vom 22. Oktober 2010 hingewiesen. Mehr als der Hinweis auf § 4 KSchG war, weil der Antragsteller anwaltlich vertreten und dieser nunmehr zur Aufklärung der Rechtslage bezüglich der Wahrung der Klagefrist des § 4 KSchG durch eine bedingte Klageerhebung verpflichtet war, nicht erforderlich. Hierauf hat der Antragsteller nicht mehr reagiert.

b) Eine hinreichende Erfolgsaussicht für die beabsichtigte Klage gegen die außerordentliche Kündigung kann trotzdem festgestellt werden, weil die Richtigkeit der Auffassung, dass eine unter der Bedingung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe stehende Kündigungsschutzklage nicht geeignet ist, die Dreiwochenfrist des § 4 S. 1 KSchG zu wahren, aufgrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Berücksichtigung des Grundrechts auf effektiven Rechtsschutz bei der Auslegung und Anwendung von tariflichen Ausschlussfristen, die eine gerichtliche Geltendmachung verlangen (vgl. BVerfG, 1. Dezember 2010, 1 BvR 1682/07, NZA 2011, 354), zweifelhaft geworden und deswegen als offene Rechtsfrage in einem Hauptsacheverfahren zu überprüfen ist.

aa) Verfahrenskosten dürfen dem Betroffenen die Anrufung des Gerichts nicht praktisch unmöglich machen. Eine derartige rechtsschutzhemmende Wirkung liegt vor, wenn das Kostenrisiko die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Einzelnen übersteigt (vgl. BVerfG, 1. Dezember 2010, a.a.O.). Durch die Schaffung des Prozesskostenhilferechts hat der Gesetzgeber generell für bedürftige Parteien Kostenbarrieren beseitigt, die sich aus ihrer fehlenden wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ergeben. Die Vorschriften der §§ 114 ff. ZPO sind wie § 42 Abs. 3 GKG (vgl. dazu BVerfG, a.a.O.) als Ausprägungen des Grundrechts auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG anzusehen. Dies ist z. B. bei der Auslegung und Anwendung von Verfallfristen, die eine gerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen verlangen, zu berücksichtigen, wenn zunächst die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt wird, weil die Auslegung und Anwendung einer materiell-rechtlich wirkenden Ausschlussfrist Rückwirkungen auf die gerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen hat (vgl. dazu LAG Hamm, 14. Juni 2011, 14 Ta 768/10, (demnächst) juris bzw. nrwe.de).

Entsprechendes dürfte nunmehr auch für eine Kündigungsschutzklage gelten, die eine wirtschaftlich bedürftige Partei unter der Bedingung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe erhebt. Für die Auslegung und Anwendung der § 4 bis § 7 KSchG ist das Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz zu beachten. Bei der Dreiwochenfrist des § 4 S. 1 KSchG handelt es sich nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. BAG, 11. Dezember 2008, 2 AZR 472/08, NZA 2009, 692) um eine prozessuale Klageerhebungsfrist. Deren Auslegung und Anwendung wirkt sich unmittelbar auf das Recht aus, die Unwirksamkeit der Kündigung gerichtlich geltend zu machen.

bb) Allerdings soll nach der bisherigen allgemeinen Auffassung eine solche Klageerhebung weder geeignet sein, die Klagefrist nach § 4 S. 1 KSchG zu wahren, noch stelle die Mittellosigkeit einer Partei einen Grund für eine nachträgliche Klagezulassung dar (vgl. LAG Hamm, 23. November 2009, a.a.O., m.w.N).

(1) Bereits der Wortlaut des § 4 Satz 1 KSchG sei eindeutig. Er verlange eine Klagerhebung innerhalb der Dreiwochenfrist. Dies bedeute eine unbedingte Klagerhebung (vgl. LAG Schleswig Holstein, 24 Mai 2007, 4 Ta 147/07, juris). Eine Klagerhebung sei als Prozesshandlung grundsätzlich bedingungsfeindlich. Eine Prozesshandlung könne zwar von einer innerprozessualen Bedingung abhängig gemacht werden. Eine bedingte Klagerhebung sei aber begrifflich unmöglich, weil eine innerprozessuale Bedingung nur dann vorliegen könne, wenn bereits ein unbedingtes Prozessrechtsverhältnis bestehe (vgl. LAG Schleswig-Holstein, 12. Juli 2004, 2 Ta 113/04, juris).

Einer Klage unter der aufschiebenden Bedingung der Prozesskostenhilfebewilligung komme auch keine rückwirkende Kraft zu (vgl. LAG Nürnberg, 23. Oktober 2003, 7 Ta 174/03, LAGE ZPO 2002 § 114 Nr. 1; Sächsisches LAG, 23. Dezember 2005, 3 Ta 362/05, EzA-SD 2006, Nr. 14, 13 (Leitsatz), vollständig unter juris; a.A. LAG Niedersachsen, 7. August 2002, 10 Ta 242/02, MDR 2002, 1195 im Wege einer verfassungskonformen Auslegung des § 270 Abs. 3 ZPO a.F. [jetzt § 167 ZPO]). Die Klage soll erst mit Bewilligung der Prozesskostenhilfe ihre Wirkung entfalten und sei bis dahin rechtlich nicht existent. Damit liege eine aufschiebende Bedingung vor. Eine existente Klage könne deswegen erst zu dem Zeitpunkt angenommen werden, zu dem die Bedingung eintrete. Dem Bedingungseintritt komme aber keine rückwirkende Kraft zu (vgl. LAG Nürnberg, 23. Oktober 2003, a.a.O.).

(2) Weiter soll eine Mittellosigkeit des Arbeitnehmers kein Hinderungsgrund für die Klagerhebung sein, aufgrund dessen angenommen werden könne, er sei unverschuldet daran gehindert gewesen, rechtzeitig Klage gegen die Kündigung zu erheben, so dass eine nachträgliche Klagezulassung gemäß § 5 KSchG ausscheide. Denn die Klageerhebung beim Arbeitsgericht stelle inhaltlich nur geringe Anforderungen. Der Antragsteller eines Kündigungsschutzverfahrens könne die Kündigungsschutzklage völlig kostenfrei mit Hilfe der Rechtsantragsstelle des Arbeitsgerichts ohne Gebührenvorschuss erheben. In erster Instanz sei eine anwaltliche Vertretung zudem nicht zwingend geboten. Wolle der Antragsteller sich sodann der Hilfe eines Rechtsanwalts bedienen, könne er nach Klagerhebung den Antrag auf Prozesskostenhilfe stellen und die Entscheidung hierüber abwarten. Werde der Antrag abgelehnt, so entstehe im Falle der Klagerücknahme vor streitiger Verhandlung keine Gebühr (vgl. LAG Köln, 11. März 1996, 10 Ta 22/06, NZA-RR 1996, 453; LAG Nürnberg, 23. Oktober 2003, a.a.O.; Sächsisches LAG, a.a.O.; LAG Schleswig-Holstein, 12. Juli 2004, a.a.O.; 24 Mai 2007, a.a.O.; LAG Nürnberg, 23. Oktober 2003, 7 Ta 174/03, LAGE ZPO 2002 § 114 Nr. 1).

cc) Es erscheint zweifelhaft, ob hieran festgehalten werden kann, was die Erfolgsaussicht der vorliegenden Klage begründet.

(1) Es ist zutreffend, dass § 4 S. 1 KSchG seinem Wortlaut nach vom Arbeitnehmer, welcher die Unwirksamkeit einer Kündigung geltend machen will, die Erhebung einer Klage auf Feststellung verlangt, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung aufgelöst worden ist. Auch § 6 KSchG sieht für die Einräumung einer verlängerten Anrufungsfrist vor, dass "im Klagewege geltend gemacht" wird, dass eine rechtswirksame Kündigung nicht vorliege. Ob deswegen anders als bei einer tariflichen Ausschlussfrist, welche eine gerichtliche Geltendmachung verlangt (vgl. dazu LAG Hamm, 14. Juni 2011, a.a.O.; Temming, jurisPR-ArbR 20/2011 Anm. 2), die Auslegung nicht möglich ist, dass eine unter der Bedingung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe stehende Klageerhebung die Voraussetzungen in § 4, § 6 KSchG erfüllt, ist im Hinblick auf das Grundrecht auf effektiven Rechtschutz zumindest fraglich geworden, so dass eine hinreichende Erfolgsaussicht nicht mehr verneint werden kann.

Jedenfalls nach Sinn und Zweck der Frist des § 4 S. 1 KSchG, alsbald nach einer Kündigung Klarheit über den Bestand des Arbeitsverhältnisses zu schaffen (vgl. BAG 23. Februar 1978,2 AZR 462/76, AP SchwbG § 12 Nr. 3), könnte es auch in der vorliegenden Fallkonstellation nur um die Frage gehen, ob das Handeln des Arbeitnehmers so gedeutet werden kann, dass er die zum Erhalt eines prozessualen Rechts erforderliche Handlung rechtzeitig vorgenommen hat. Durch einen Prozesskostenhilfeantrag, dem der Entwurf einer Kündigungsschutzklage beigefügt ist oder dieser wie hier im Rahmen der Antragsbegründung enthalten ist, wird dem Arbeitgeber hinreichend deutlich gemacht, dass der Bestand des Arbeitsverhältnisses weiterhin streitig ist. Dem Gegner ist vor Bewilligung von Prozesskostenhilfe Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, es sei denn, dies erscheint aus besonderen Gründen unzweckmäßig (§ 118 Abs. 1 S. 1 ZPO). Bei einer ordnungsgemäßen Behandlung des Gesuchs durch das Arbeitsgericht erfährt der Arbeitgeber demnach von der Absicht, dass der Arbeitnehmer gegen die Kündigung vorgehen will. Die Bedingung der Prozesskostenhilfebewilligung ändert nichts daran, dass nur noch von ihr die endgültige gerichtliche Durchsetzung abhängen soll.

(2) Darüber hinaus ist es unrichtig, dass die Mittellosigkeit des Antragstellers kein Hinderungsgrund für eine Klageerhebung ist. Die Auffassung, dass die Klageerhebung vor dem Arbeitsgericht kein Kostenrisiko für eine wirtschaftlich im Sinne des § 114 ZPO bedürftige Partei enthalte, ist (nunmehr) falsch (gleicher Ansicht schon zur alten Rechtslage: LAG Niedersachsen, 25. März 1999, a.a.O.). Zwar wird weiterhin kein Kostenvorschuss erhoben, allerdings ist eine gebührenfreie Klagerücknahme nur noch dann möglich, wenn dadurch das Verfahren vor streitiger Verhandlung insgesamt erledigt wird (Nr. 8210 Abs. 2 KV-GKG).

Zudem hat jede Partei erstinstanzlich ihre Anwaltskosten selbst zu tragen, so dass es für eine bedürftige Partei von Belang ist, ob sie die anfallende Verfahrensgebühr (Nr. 3100 Anlage 1 RVG) ganz oder nur teilweise zu tragen hat und ob sie aufgrund eines Gütetermins zusätzlich eine Terminsgebühr (Nr. 3104 Anlage 1 RVG) zahlen muss, wenn ein Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch bis dahin noch nicht erfolgt ist. Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass die bedürftige Partei zunächst selbst ggf. mit Hilfe der Rechtsantragsstelle Klage erheben und Prozesskostenhilfe beantragen sowie die Entscheidung hierüber abwarten kann. Der unbemittelten Partei kann es gerade bei einer Kündigungsschutzklage, welche regelmäßig die Erforderlichkeit der Beiordnung eines Anwalts gemäß § 121 Abs. 2 Alt. 1 ZPO begründet, nicht verwehrt werden, sich einerseits zur effektiven Durchsetzung ihres Kündigungsschutzbegehrens eines Rechtsanwalts zu bedienen und andererseits zur Minimierung ihres Kostenrisikos vor Durchführung des Erkenntnisverfahrens zunächst einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu stellen (so schon allgemein LAG Niedersachsen, 25. März 1999, a.a.O.).

Die Beachtung des Grundrechts auf effektiven Rechtsschutz könnte daher zumindest die bisherige Verweigerung der nachträglichen Klagezulassung obsolet machen, weil wie beispielsweise im Fall der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Berufungs- und/oder der Berufungsbegründungsfrist aufgrund einer Prozesskostenhilfebewilligung nach Ablauf der Fristen eine entsprechende Auslegung und Anwendung des § 5 KSchG geboten sein kann.

dd) Im Übrigen ist bislang höchstrichterlich nicht entschieden, ob unter Berücksichtigung des Grundrechts auf effektiven Rechtsschutz im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfG, 1. Dezember 2010, a.a.O.) wie schon vom Landesarbeitsgericht Niedersachsen (7. August 2002, a.a.O.) angenommen § 167 ZPO verfassungskonform dahin auszulegen und anzuwenden ist, dass die Stellung des Prozesskostenhilfeantrags unter gleichzeitiger Einreichung des Entwurfs der Klageschrift und vollständiger Prozesskostenhilfeunterlagen rückwirkend die Frist des § 4 KSchG wahrt, sofern unverzüglich nach positiver oder negativer rechtskräftiger Entscheidung über das Prozesskostengesuch die Klage zugestellt wird. Auch dieser Aspekt begründet im vorliegenden Fall eine hinreichende Erfolgsaussicht der beabsichtigten Klage.

c) Das Arbeitsgericht wird nunmehr zu prüfen haben, ob der Prozesskostenhilfeantrag als solches die Frist des § 4 S. 1 KSchG gewahrt hat oder zumindest nach Zustellung der Kündigungsschutzklage wahrt. Das gilt auch für die Anforderungen, die an einen ordnungsgemäßen Antrag zu stellen sind, bis zu welchem Zeitpunkt sie erfüllt sein müssen und ob sie im vorliegenden Fall erfüllt sind. Über eine nachträgliche Zulassung ist dagegen nicht mehr zu befinden, nachdem der Antragsteller einen solchen Antrag nicht gestellt hat und nun nach Ablauf von sechs Monaten nach Ende der Klagefrist (spätestens am 4. November 2010) gemäß § 5 Abs. 3 Satz 2 KSchG auch nicht mehr stellen kann.

3. Die Prozesskostenhilfe war ab Vorliegen des vollständigen Prozesskostenhilfeantrags nach Eingang der Erklärung nebst Belegen (2. November 2010) zu bewilligen.

Aufgrund der tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten einer Kündigungsschutzklage war es erforderlich, dem Antragsteller einen Rechtsanwalt beizuordnen (§ 121 Abs. 2 Alt.1 ZPO).

Der Antragsteller ist ausweislich seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht in der Lage, einen Beitrag zu den Kosten der Prozessführung zu leisten.

4. Dagegen schied eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe aus, soweit sich der Antragsteller gegen die Wirksamkeit der hilfsweise ausgesprochenen ordentlichen Kündigung wendet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat noch keine sechs Monate bestanden, zudem hat der Antragsteller nicht vorgetragen, dass der Betrieb des Antragsgegners regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt. Ebenso wenig sind Gründe vorgetragen oder ersichtlich, die eine Unwirksamkeit der Kündigung nach § 138, § 242 BGB begründen könnten. Der Umstand, dass der Antragsteller erkrankt war und deswegen entgegen den Angaben im Kündigungsschreiben nicht unentschuldigt gefehlt hat, führt nicht zur Sittenwidrigkeit der Kündigung oder zum Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben. Zudem hat der Antragsteller der Angabe des Antragsgegners im Kündigungsschreiben nicht widersprochen, dass er seine Arbeitsunfähigkeit nicht angezeigt hat.

5. Im Hinblick auf den nur teilweisen Erfolg der Beschwerde entspricht es billigem Ermessen, dem Antragsteller die Hälfte der Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen (Nr. 8614 KV-GKG).

Gründe für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde bestehen nicht.

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