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03.11.2009 · IWW-Abrufnummer 092658

Oberlandesgericht Karlsruhe: Urteil vom 19.02.2009 – 12 U 249/08

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Geschäftsnummer: 12 U 249/08
8 O 205/08 Landgericht Karlsruhe
Verkündet am 19. Februar 2009

Oberlandesgericht Karlsruhe
12. Zivilsenat

Im Namen des Volkes

Urteil

In dem Rechtsstreit XXX

wegen Forderung

hat der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe im schriftlichen Verfahren mit Sach- und Streitstand vom 18. Februar 2009 unter Mitwirkung von XXX
für Recht erkannt:

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 07.10.2008 - 8 0 205/08 - im Kostenpunkt aufgehoben und im übrigen wie folgt geändert:

Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger wegen der gegen ihn geltend gemachten Ansprüche der Geschädigten xxx aus dem Ereignis vom 05.11.2006 bedingungsgemäß Deckungsschutz zu gewähren.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits mit Ausnahme der Kosten, die durch Anrufung des unzuständigen Amtsgerichts Karlsruhe entstanden sind, die der Kläger trägt.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt bedingungsgemäßen Deckungsschutz aus einer bei der Beklagten bestehenden Haftpflichtversicherung.

Der am 24.02.1988 geborene Kläger war vom 01.06.2005 bis 27.09.2007 bei der Beklagten über einen Familienhaftpflichtversicherungsvertrag versichert (vgl. die Versicherungsbestätigungen zur Gruppenversicherung des Bundes der Versicherten e.V. vom 27.05.2005 und 05.10.2007). Dem Versicherungsvertrag liegen die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für Haftpflichtversicherungen (AHB) sowie die Besonderen Bedingungen und Risikobeschreibungen (BBR) zum BBV-Rahmenvertrag zur Haftpflichtversicherung für Privatpersonen zugrunde.

Der Kläger schlug am 05.11.2006 in einem Festzelt in Tussenhausen einem anderen so fest mit einem Maßkrug auf den Kopf, dass dieser Maßkrug zerbrach. Durch die umher fliegenden Scherben des Maßkrugs wurden mehrere in unmittelbarer Nähe stehende Personen, u.a. xxx, verletzt. Der Kläger wurde wegen dieses Vorfalls durch Urteil des Amtsgerichts - Jugendschöffengerichts - Kaufbeuren vom 02.04.2007 - 6 Ls 151 Js 24389/06 Jug - rechtskräftig verurteilt. Hinsichtlich der Verletzten xxx erfolgte die Verurteilung wegen fahrlässiger Körperverletzung.

Mit Schreiben vom 13.07.2007 wurde der Schadensfall gegenüber der Beklagten angezeigt, die am 20.09.2007 den Deckungsschutz endgültig ablehnte.

Am 21.11.2007 erkannte der Kläger Schadensersatzansprüche der Geschädigten xxx schriftlich an. Mit Schreiben vom 04.01.2008 widerruf er die Anerkenntniserklärung.

Der Kläger wurde von der Geschädigten xxx vor dem Landgericht Memmingen auf Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld in Anspruch genommen. Erstinstanzlich hat der Kläger die gegen ihn erhobenen Forderungen auf 5.944,06 € beziffert.

Der Kläger meint, dass die Beklagte aus dem Versicherungsverhältnis zum Deckungsschutz für die von der Geschädigten xxx erhobenen Ansprüche verpflichtet ist.

Nachdem der Kläger in erster Instanz zunächst beantragt hatte, festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet sei, dem Kläger aufgrund des Ereignisses vom 05.11.2006 bedingungsgemäßen Versicherungsschutz aus dem Haftpflichtversicherungsvertrag zu leisten, hat er nach Hinweis des Gerichts die Klage teilweise zurückgenommen und zuletzt beantragt, den Kläger von den bisher geltend gemachten Schadensersatzansprüchen der Geschädigten xxx in Höhe von 5.177,80 EUR und der AOK Bayern in Höhe von 766,26 EUR wegen des Ereignisses vom 05.11.2006 freizustellen,

hilfsweise für den Fall der Unzulässigkeit des Hauptantrages
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 5.944,06 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat Klagabweisung beantragt.

Die Beklagte meint, der Anspruch des Klägers entfalle nach § 4 Abs. 2 Nr. 1 AHB, da der Kläger vorsätzlich gehandelt habe. Außerdem habe er durch die Abgabe des schriftlichen Anerkenntnisses gegen die Obliegenheit aus § 5 Abs. 5 AHB verstoßen, was die Beklagte ebenfalls zur Leistungsverweigerung berechtige. Vorsorglich weist die Beklagte darauf hin, dass im streitgegenständlichen Versicherungsvertrag eine Selbstbeteiligung in Höhe von 150 € vereinbart sei.

Der Rechtsstreit wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Karlsruhe vom 14.05.2008 an das Landgericht Karlsruhe verwiesen.

Das Landgericht hat die Klage durch Urteil vom 07.10.2008 abgewiesen. Es hat ausgeführt, dass der Kläger keinen Deckungsschutz verlangen könne, da die Beklagte gem. §§ 5 Nr. 5, 6, 7 AHB von ihrer Leistungspflicht freigeworden sei. Indem der Kläger die Ansprüche der Geschädigten xxx mit Schreiben vom 21.11.2007 anerkannt habe, habe er eine Obliegenheitsverletzung gem. § 5 Nr. 5 AHB begangen. Diese Obliegenheit treffe gem. § 7 Nr. 1 AHB auch die Versicherten, die - wie hier der Kläger - nicht selbst Versicherungsnehmer seien. Durch das Schreiben vom 04.01.2008 habe er das abgegebene Anerkenntnis nicht beseitigen können. Aufgrund der erfolgten Obliegenheitsverletzung, die geeignet gewesen sei, die Intereressen des Versicherers zu beeinträchtigen, sei die Beklagte von ihrer Leistungsverpflichtung frei; ein vorsätzliches Handeln des Klägers sei gem. § 6 Abs. 3 VVG a.F. zu vermuten, wobei der Kläger diese Vermutung nicht entkräftet habe.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt, wobei er nach Hinweis des Gerichts seinen Antrag in der Berufungsinstanz wie folgt formuliert:

Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger wegen der gegen ihn geltend gemachten Ansprüche der Geschädigten xxx aus dem Ereignis vom 05.11.2006 bedingungsgemäß Deckungsschutz zu gewähren.

Die Beklagte begehrt Zurückweisung der Berufung. Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil und hält sich auch wegen einer Verletzung der Aufklärungsobliegenheit für leistungsfrei, weil der Kläger sich vom Tatort entfernt und auch nicht auf die Ladungen der Polizei reagiert habe.

Der Rechtsstreit vor dem Landgericht Memmingen, in dem der Kläger von der Geschädigten xxx in Anspruch genommen wurde, endete am 06.11.2008 durch Vergleich, in dem sich der Kläger verpflichtete, an die Geschädigte zur Abgeltung sämtlicher Ansprüche einen Betrag in Höhe von € 3.000 (bei Zahlung bis zum 31.05.2009 € 2.500) zu zahlen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrags wird auf die vorbereiteten Schriftsätze nebst sämtlicher Anlagen aus beiden Instanzen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet.

Der Kläger hat aus dem Haftpflichtversicherungsvertrag einen Anspruch gegen die Beklagte auf Gewährung bedingungsgemäßen Deckungsschutzes hinsichtlich der Ansprüche der Geschädigten xxx. Der Kläger ist gem. II. 1 b BBR über den von seinen Eltern bei der Beklagten geschlossenen Haftpflichtversicherungsvertrag mitversichert. Die Voraussetzungen einer Deckungspflicht der Beklagten liegen vor. Die Beklagte ist weder wegen vorsätzlicher Herbeiführung der Verletzungen der geschädigten noch wegen Obliegenheitsverletzungen leistungsfrei.

1. Der Anspruch des Klägers scheitert insbesondere nicht an einem Vorsatz des Klägers (§ 4 Abs. 2 Nr. 1 AHB).

Der Kläger hat den Schaden hinsichtlich der Geschädigten xxx nicht vorsätzlich verursacht. Der Vorsatz im Sinne von § 4 Abs. 2 Nr. 1 AHB muss anders als bei § 823 Abs. 1 BGB nicht nur die haftungsbegründende Verletzungshandlung, sondern auch die Verletzungsfolgen umfassen. Damit können dem Versicherungsnehmer solche Schadensfolgen nicht zugerechnet werden, die er nicht oder nicht in ihrem wesentlichen Umfang als möglich erkannt und für den Fall ihres Eintritts gewollt oder im Sinne bedingten Vorsatzes billigend in Kauf genommen hat. Die Voraussetzungen des gesteigerten Verschuldens in der Form des Vorsatzes müssen vom Versicherer bewiesen werden (BGH VersR 1998, 1011 sowie Voit/Knappmann in Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., § 4 AHB, Rn. 82 - 84 m.w.N. aus der Rechtsprechung).

Die Beklagte hat ein vorsätzliches Handeln des Klägers im Hinblick auf die bei der Geschädigten xxx eingetretenen Verletzungen nicht bewiesen. Auch wenn sich die Geschädigte in unmittelbarer Nähe der Person befand, auf deren Kopf der Kläger den Bierkrug zertrümmert hat, ist nicht ohne weiteres davon auszugehen, dass der Kläger die Möglichkeit ihrer Verletzung erkannt und für den Fall ihres Eintritts zumindest billigend in Kauf genommen hätte. Den klägerischen Vortrag, dass dieser bei Ausführung der Tat überhaupt nicht daran gedacht habe, umherstehende Personen zu verletzen, hat die Beklagte nicht widerlegt. Sie hat insbesondere nicht dargetan, dass der Kläger die Geschädigte xxx im Moment der Tatausführung wahrgenommen oder dass er sich Gedanken über die Reichweite des Flugs der Glassplitter gemacht hat. Allein die unmittelbare Nähe reicht somit entgegen der Ansicht der Beklagten für die Annahme eines vorsätzlichen Handelns des Klägers nicht aus. Weitere Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger die Gefahr der Verletzung als möglich erkannt hat, hat die Beklagte nicht vorgetragen.

Im übrigen geht auch das Jugendschöffengericht bei dem Amtsgericht Kaufbeuren in seinem Urteil vom 02.04.2007 davon aus, dass der Kläger hinsichtlich der Verletzungen der Geschädigten xxx lediglich fahrlässig gehandelt hat. In den Urteilsgründen führt es aus, dass davon auszugehen sei, dass er sich über eine Verletzung durch umher fliegende Glassplitter keine Gedanken gemacht habe.

2. Die Leistungspflicht der Beklagten ist ferner entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht nach § 5 Abs. 5 AHB ausgeschlossen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Haftpflichtversicherung kann sich eine Versicherung wegen einer Obliegenheitsverletzung seitens des Versicherungsnehmers, die nach der endgültigen Leistungsablehnung durch die Versicherung erfolgte, nicht mehr auf Leistungsfreiheit berufen (vgl. BGH VersR 1966, 625; VersR 1981, 321 m.w.N.). Die schriftliche Anerkennung der Ansprüche der Geschädigten xxx durch den Kläger erfolgte zu einem Zeitpunkt, als die Beklagte durch Schreiben vom 20.09.2007 den Deckungsschutz bereits endgültig abgelehnt hatte. Zum Zeitpunkt der angeblichen Obliegenheitsverletzung waren damit nach der dargestellten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Obliegenheiten bereits entfallen.

3. Die Beklagte ist auch nicht wegen Verletzung einer „Aufklärungsobliegenheit“ frei geworden..

§ 6 AHB sieht eine Leistungsfreiheit der Beklagten für den Fall vor, dass der Versicherungsnehmer eine Obliegenheit nach § 5 AHB verletzt. Nach § 5 Abs. 3 AHB ist dieser verpflichtet, alles zu tun, was zu einer Klarstellung des Schadensfalls dient, sofern ihm dabei nichts Unbilliges zugemutet wird. Eine Obliegenheit, deren Verletzung zur Leistungsfreiheit des Versicherers führen kann, wird mit dieser Formulierung nicht wirksam vereinbart. Hierzu bedarf es einer klaren und bestimmten Fassung, aus der der Versicherungsnehmer deutlich entnehmen kann, welches konkrete Verhalten ihm abverlangt wird (BGH VersR 1985, 979; Römer/Langheid, VVG, 2. Aufl., § 6 Rdn.16). Eine solche fehlt in Bezug auf das nunmehr von der Beklagten dem Kläger abverlangte Verhalten. Unter die konkretisierten Sachverhalte in § 5 Abs. 3 AHB lässt es sich nicht einordnen.

Soweit nach der Rechtsprechung auch die Verletzung von in den Vereinbarungen nicht näher konkretisierten Obliegenheiten zur Leistungsfreiheit führen kann, handelt es sich um strafrechtliche sanktionierte Verhaltenspflichten wie das Verbot des Verlassens der Unfallstelle bei Unfällen im Straßenverkehr (BGH VersR 2000, 222). Eine solche Verhaltenspflicht ist hier jedoch nicht verletzt.

4. Der Klagantrag auf bedingungsgemäßen Versicherungsschutz berücksichtigt die von der Beklagten behauptete Vereinbarung eines Selbstbehaltes in Höhe von € 150,00.

II.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §§ 91 Abs. 1, 281 Abs. 3 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Gründe für eine Zulassung der Revision gem. § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.

RechtsgebietAHBVorschriften§ 4 Abs. 2 Nr. 1 AHB

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