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29.09.2009 · IWW-Abrufnummer 093194

Oberlandesgericht Frankfurt/Main: Urteil vom 29.04.2009 – 4 U 149/08

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


4 U 149/08

Gründe:

I.

Der Kläger, Eigentümer des Grundstücks .... in O1, beauftragte die Beklagte (erstinstanzlich die Beklagte zu 1), ein Unternehmen der Baubranche, das den Bau und die Sanierung von Gebäuden als Generalunternehmer betreut, mit der Fachplanung einschließlich der Erstellung des Leistungsverzeichnis sowie der Bauleitung und Bauüberwachung von Sanierungs- und Renovierungsarbeiten an seinem Haus. Auf der Grundlage eines von der Beklagten erstellten Leistungsverzeichnisses beauftragte der Kläger eine Firma A als Generalübernehmer mit der Ausführung.

Im Dezember 2006 war das Dach entfernt, die Giebelwände des Hauses standen frei. Am 18.01.2007 stürzten die Giebelwände ein, die weder fachgerecht gesichert noch anderweitig abgestützt waren.

Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Urteil unter Abweisung der weitergehenden Klage die Beklagte zum Schadensersatz in Höhe von 14.276,26 ¤ nebst Zinsen verurteilt. Zur Begründung hat es ausgeführt, selbst wenn die Beklagte - was vom Kläger bestritten wird - auf die Notwendigkeit einer Absicherung hingewiesen habe, habe dieser Hinweis zur Erfüllung ihrer Bauleitungspflichten nicht ausgereicht, sondern sie habe auch dafür Sorge tragen müssen, dass diesem Hinweis Folge geleistet werde.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das erstinstanzliche Urteil verwiesen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten mit dem Ziel der Klagabweisung. Mit der Berufung macht sie geltend, sie habe die von ihr vertraglich geschuldeten Überwachungspflichten nicht verletzt. Bei einem Ortstermin Anfang 2007 seien "die anwesenden Vertreter der Firma A wie auch der Bevollmächtigte des Klägers B ausdrücklich" darauf hingewiesen worden, dass eine Abstützung der freistehenden Giebelwände notwendig sei. Im Übrigen wären die Giebelwände angesichts der Stärke des Sturms Kyrill am 18.01.2007 auch bei einer Abstürzung eingestürzt. Schließlich bestreitet sie weiterhin, dass die vorgelegten Rechnungen ausschließlich Arbeiten zum Gegenstand gehabt hätten, die durch den Einsturz der Giebelwände verursacht worden seien, sowie dass der Kläger diese Rechnungen bezahlt habe oder zur Zahlung verpflichtet gewesen sei.

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens des Sachverständigen SV1. Wegen des Ergebnisses des Gutachtens wird auf die schriftliche Stellungnahme des Sachverständigen vom 12.01.2009, Blatt 212 ff. d. A., sowie auf seine mündlichen Erläuterungen entsprechend Sitzungsprotokoll vom 29.04.2009 Bezug genommen.

II.

Die an sich statthafte, auch form- und fristgerecht eingereichte Berufung ist unbegründet.

Das Landgericht hat die Beklagte zu Recht im zuerkannten Umfang zum Schadensersatz verurteilt. Dem Kläger steht der entsprechende Anspruch zu, weil die Beklagte hat ihre Bauüberwachungsverpflichtung aus dem mit dem Kläger zustande gekommenen Vertrag schuldhaft verletzt hat (§ 280 Abs. 1 BGB).

Das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien stellt sich als Werkvertrag dar; dies gilt auch hinsichtlich der Bauüberwachung, die allgemein als Hauptleistungsverpflichtung aus dem Werkvertrag angesehen wird (OLG Naumburg BauR 2006, 2089).

1. Das Landgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Beklagte mit dem von ihr behaupteten (streitigen) Hinweis auf die Notwendigkeit einer Abstützung der freistehenden Giebelwände bei einer Baubesprechung Anfang des Jahres 2007 ihrer Überwachungspflicht nicht genügt hat.

Bei wichtigen Bauabschnitten muss derjenige, der die Bauüberwachung innehat, sich persönlich oder durch erprobte Erfüllungsgehilfen unmittelbar von der Ordnungsmäßigkeit der Ausführung der Arbeiten überzeugen. Gerade bei gefahrträchtigen kritischen Bauabschnitten muss der Bauüberwachende seine Verpflichtung besonders sorgfältig erfüllen (vgl. Werner/Pastor, Der Bauprozess, 12. Aufl., 2008, Rn. 1500 ff mwN).

Um einen derartigen kritischen Bauabschnitt handelte es sich hier. Unstreitig war das Dach bereits im Laufe des Dezembers abgedeckt worden, um in der Folgezeit die Decke des Obergeschosses ausführen zu können. Wie gefahrträchtig der Bauabschnitt nach Entfernung des Daches war, ist durch den Sachverständigen SV1 in besonderer Weise deutlich geworden. Nach seinen überzeugenden Ausführungen hätten die Giebelwände nämlich ohne weiteres auch ohne Auftreten eines Sturms einstürzen können, weil sie schon beim Einwirken von Windlasten, wie sie von der einschlägigen DIN zur Berechnung der Standsicherheit von Bauwerken vorausgesetzt werden, diesen nicht standgehalten hätten. Angesichts einer derartigen Gefährdung der Standsicherheit der Wände nach Entfernung des Daches hätte die Beklagte dafür Sorge tragen müssen, dass schon unmittelbar mit Entfernung des Daches auch eine Abstützung für die Giebelwände herbeigeführt wurde. Gleichwohl hat die Beklagte - folgt man ihrem eigenen Vortrag - erst Anfang 2007 die Generalunternehmerin und den Kläger auf die Notwendigkeit der Abstützung der Wände hingewiesen. Mit einem solchen allgemeinen Hinweis anlässlich einer Baubesprechung hat die Beklagte indes ihrer Bauüberwachungspflicht nicht genügt. Diese Beurteilung gilt auch dann, wenn der ergänzende Sachvortrag der Beklagten in zweiter Instanz berücksichtigungsfähig wäre, dass es sich bei diesem Ortstermin Anfang Januar 2007 nicht um eine allgemeine Baubesprechung sondern um einen Termin gehandelt habe, in dem gezielt Standsicherheitsfragen überprüft werden sollten. Denn dass eine Abstützung der Giebelwände notwendig war, wussten in diesem Zeitpunkt nicht nur das bauausführende Unternehmen sondern auch der Kläger, zumal in dem von der Beklagten erstellten Leistungsverzeichnis die entsprechenden Werkleistungen aufgeführt waren. Bauüberwachung bedeutet mehr als den Hinweis auf den Inhalt des Leistungsverzeichnisses. Die Beklagte hätte ausdrücklich darauf hinweisen müssen, dass die Giebelwände schon einer üblichen Windbelastung möglicherweise nicht standhalten würden; sie hätte gegenüber dem bauausführenden Unternehmen ausdrücklich darauf dringen müssen, dass entsprechende Sicherungsmaßnahmen unverzüglich getroffen wurden und sie hätte zeitnah nach einem entsprechenden Hinweis überprüfen müssen, ob das bauausführende Unternehmen entsprechend tätig geworden war. Das Verschulden der Beklagten wiegt umso schwerer, weil sie auch angesichts der unstreitigen Unwettervorwarnungen vom 16.01.2007 untätig geblieben ist. Angesichts der konkreten Gefährdungslage, die dadurch gegeben war, hatte die Beklagte erneut konkrete Veranlassung zur Überprüfung, ob ihrem angeblich erteilten Hinweis auf die Notwendigkeit einer Abstützung der Giebelwände Folge geleistet war. Auch dies hat sie unterlassen.

Die Beklagte hat damit ihre vertraglichen Pflichten schuldhaft verletzt.

Die von der Beklagten zur Stützung ihrer gegenteiligen Auffassung in Bezug genommene Rechtsprechung ist nicht einschlägig. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass der Kläger allein aufgrund des von der Beklagten behaupteten Hinweises auf die Notwendigkeit einer Abstützung, wie sie sich ja bereits aus dem Leistungsverzeichnis ergab, das Risiko einer Nichtabstützung hätte übernehmen wollen. Es kann aus den dargestellten Gründen auch keine Rede davon sein, dass ein weiterer Hinweis deshalb entbehrlich gewesen wäre, weil der erste Hinweis die Informations-, Warn- und Schutzpflichten erfüllt habe. Die Objektüberwachung soll gerade sicherstellen, dass der Auftraggeber vor bestimmten Schäden bewahrt wird, sodass der Objektüberwacher demgemäß auch überprüfen muss, ob sein Hinweis konkret in der jeweiligen Situation umgesetzt wird.

2. Soweit sich die Beklagte darauf berufen hat, die Giebelwände wären auch im Falle einer ordnungsgemäßen Abstützung eingestürzt, beruft sie sich auf ein rechtmäßiges Alternativverhalten, für das sie die Beweislast trägt. Nach dem Ergebnis des Gutachtens des Sachverständigen - insoweit wird auf die Darstellung des wesentlichen Inhalts des Gutachtens vorstehend unter Ziffer 1. verwiesen - ist ihr dieser Beweis nicht gelungen.

3. Dem Kläger steht der Schadensersatzanspruch in dem vom Landgericht zuerkannten Umfange zu.

Das Bestreiten der Schadenshöhe seitens der Beklagten ist nicht ausreichend. Die zum Nachweis der Höhe des Schadens vorgelegten Rechnungen der Gemeinde O1 vom 01.03. und 02.05.2007 betreffen das Grundstück des Klägers und beziehen sich unter Angabe des konkreten Datums des Schadensfalls vom 18.01.2007 auf eine konkrete Hilfeleistung bezogen auf das Grundstück des Klägers. Die Bezeichnung des Grundstücks des Klägers fehlt zwar in der ...-Rechnung vom 15.11.2007; gleichwohl lässt sich auch diese Rechnung plausibel dem Schadensfall zuordnen, weil sie auf einen Schadensfall in O1 wegen einer "Gebäudesicherung nach Sturm" am 18.01.2007 Bezug nimmt und von keiner Partei behauptet worden ist, es seien in der Gemarkung O1 an diesem Tag Schäden an anderen Gebäuden infolge des Sturms eingetreten, die den Einsatz des ... notwendig gemacht hätten. Ebenso unerheblich ist der Umstand, dass die Rechnungen, deren Erstattung der Kläger geltend macht, teils an seine Steuerberater adressiert wurden, da diese unstreitig nicht Inhaber des Schadensersatzanspruchs sind und diesen auch kein Schaden erwachsen ist. Ob der Kläger die Rechnungen ausgeglichen hat, ist rechtlich ohne Relevanz, weil bereits die Geltendmachung dieser Ausgleichsansprüche gegen den Kläger für diesen zivilrechtlich den Schaden begründet.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Nichtzulassung der Revision beruht auf § 543 Abs. 2 ZPO.

RechtsgebietBGBVorschriftenBGB § 280

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