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26.02.2004 · IWW-Abrufnummer 040533

Bundesfinanzhof: Urteil vom 11.12.2003 – IV R 40/02

Wird ein zusammenhängendes Grundstück an die Kanalisation angeschlossen und werden dadurch bisher als Weideland genutzte Flächen bebaubar, handelt es sich bei den darauf entfallenden Abwasserbaubeiträgen auch dann um nachträgliche Anschaffungskosten für den Grund und Boden, wenn ein im Übrigen aufstehendes Wohngebäude bereits über eine Sickergrube verfügte.


Gründe:

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Beteiligter der Betriebsgemeinschaft X, die aus ihm selbst und seiner Ehefrau besteht. Beide Ehegatten bewirtschaften in Form einer Ehegatten-Betriebsgemeinschaft (GbR) einen landwirtschaftlichen Betrieb. Der Gewinn wird durch Bestandsvergleich ermittelt; das Wirtschaftsjahr läuft vom 1. Juli eines Jahres bis zum 30. Juni des folgenden Jahres.

Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks A-Straße ... in B. Das insgesamt 16 574 qm große Grundstück gehörte in den Streitjahren (1994 und 1995) zu seinem Sonderbetriebsvermögen. Es besteht aus der Hofstelle mit insgesamt 5 785 qm, diese bebaut mit dem Wohngebäude (bebaute Fläche 257,5 qm) und zwei Wirtschaftsgebäuden (bebaute Fläche 2 110 qm), sowie Grün- und Ackerland (10 789 qm). Nach dem mit der Gemeinde (G) im November 1994 geschlossenen Vertrag über die Ablösung eines Abwasserbaubeitrages für das genannte Grundstück unterlag --nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG)-- eine Teilfläche von 3 879 qm der regulären Beitragspflicht; ein Beitrag wurde insoweit jedoch nicht erhoben. Für die Restfläche betrug der Ablösebeitrag nach § 6 des Niedersächsischen Kommunalabgabengesetzes in der damals geltenden Fassung i.V.m. der Abwasserbeseitigungssatzung der G 54 715,45 DM (12 695 qm á 4,31 DM). Hiervon stundete G den für die mit landwirtschaftlichen Gebäuden bebauten Flächen (2 110 qm) geschuldeten Beitrag (9 094,10 DM) so lange, wie das Grundstück zur Erhaltung der Wirtschaftlichkeit des Betriebs genutzt werden müsse. Die Betriebsgemeinschaft behandelte den Restbetrag in Höhe von 45 621,35 DM als sofort abzugsfähige Betriebsausgabe des Wirtschaftsjahres 1994/95.

Dementsprechend erließ der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehende gesonderte und einheitliche Gewinnfeststellungsbescheide für die Jahre 1994 und 1995. Nach einer Außenprüfung gelangte das FA zu der Auffassung, der gezahlte Ablösebeitrag stelle keinen sofort abzugsfähigen Aufwand dar, und änderte die ergangenen Bescheide entsprechend. Der Einspruch hatte insoweit Erfolg, als die auf den zum Wohnhaus gehörenden Grund und Boden entfallenden Beiträge mit 4 562 DM als Sonderbetriebsausgaben des Eigentümer-Ehegatten berücksichtigt wurden; im Übrigen wurde der Einspruch zurückgewiesen.

Mit der Klage wurde geltend gemacht, für das Wohnhaus sei eine Sickergrube vorhanden gewesen, die nun (lediglich) durch eine andere Erschließungsmaßnahme ersetzt worden sei. Insbesondere sei nicht von einer erstmaligen Erschließung bisher nicht entsorgter Grundstücksteile auszugehen. Ob sich das Grundstück aus nur einem Flurstück oder mehreren aneinander angrenzenden zusammensetze, sei unerheblich. Nur das Wohnhaus mit den erforderlichen Versorgungseinrichtungen werde zu Wohnzwecken genutzt; der übrige Teil des Grundstücks werde als Weideland genutzt und stehe nicht zur Bebauung an.

Dagegen wandte das FA ein, der Kläger könne nicht nur die Wohngebäudefläche, sondern auch die übrigen Flächen der Hofstelle an die zentrale Entsorgungseinrichtung anschließen. Diese erstmalige Erschließung der bisher nicht entsorgten Grundstücksteile führe zu einer Werterhöhung des Grundstücks und damit zu Herstellungskosten.

Die Klage hatte Erfolg. Das FG führte aus: Zwar stellten Zahlungen für die Ablösung von Abwasserbaubeiträgen grundsätzlich Erschließungskosten und damit Anschaffungskosten des Grund und Bodens dar (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 22. März 1994 IX R 52/90, BFHE 175, 29, BStBl II 1994, 842, und vom 3. Juli 1997 III R 114/95, BFHE 183, 504, BStBl II 1997, 811). Das gelte aber nicht, wenn vorhandene Erschließungseinrichtungen ersetzt und modernisiert würden, es sei denn, das Grundstück würde durch die Maßnahme in seiner Substanz oder in seinem Wesen verändert (BFH-Urteil vom 2. Mai 1990 VIII R 198/85, BStBl II 1991, 448, BFH/NV 1991, 29). Mit dem Merkmal der Substanz- und Wesensveränderung habe der BFH sein früheres Abgrenzungskriterium, nämlich die Werterhöhung (vgl. dazu Urteil vom 13. September 1984 IV R 101/82, BFHE 142, 247, BStBl II 1985, 49) aufgegeben. Die Aufgabe dieser Rechtsprechung werde auch durch das Urteil in BFHE 175, 29, BStBl II 1994, 842 bestätigt. Dies gelte für alle Einkunftsarten in gleicher Weise. Ein sachlicher Grund, bei der Ermittlung der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft anders zu verfahren, sei nicht ersichtlich. Die Erschließungskosten seien auch nicht als Sonderbetriebsausgaben des Klägers zu behandeln, so dass der Gewinn der Betriebsgemeinschaft als solcher herabzusetzen sei.

Mit der Revision macht das FA geltend, das angefochtene Urteil verletze den Grundsatz der Einzelbewertung (§ 6 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes --EStG--).

Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben, hilfsweise Aufwendungen auf das Sonderbetriebsvermögen nicht nach dem Gewinnverteilungsschlüssel, sondern dem Kläger allein zuzurechnen.

Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass der im Wirtschaftsjahr 1994/95 bezahlte und noch streitige Ablösebeitrag von 41 049 DM sofort abzugsfähig war.

1. a) Beiträge für die Zweiterschließung eines Grundstücks sind nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats wie bei einer Ersterschließung als nachträgliche Anschaffungskosten für den Grund und Boden zu aktivieren, wenn sich der Wert des Grundstücks aufgrund einer Erweiterung der Nutzbarkeit erhöht (Senatsurteil vom 12. Januar 1995 IV R 3/93, BFHE 177, 52, BStBl II 1995, 632, m.w.N.). Ein bebautes Wohngrundstück mit einer Sickergrube ist bereits "betriebsbereit" und verändert sich durch den Anschluss an eine neu angelegte Kanalisation nicht wesentlich (vgl. zum Ausbau einer bereits vorhandenen Straße das BFH-Urteil vom 19. Dezember 1995 IX R 5/95, BFHE 179, 133, BStBl II 1996, 134). Auch hat der BFH wiederholt entschieden, dass die Ersetzung einer funktionsfähigen Klär- oder Sickergrube durch den Anschluss an eine neu errichtete Abwasserentsorgung nicht zu einer solch wesentlichen Verbesserung der Nutzbarkeit des Grund und Bodens führt; in einem solchen Fall liegt kein aktivierungspflichtiger Herstellungsaufwand vor (Senatsbeschluss vom 28. Februar 2003 IV B 19/01, BFH/NV 2003, 1159; BFH-Urteil vom 23. Februar 1999 IX R 61/96, BFH/NV 1999, 1079, m.w.N.; zum Begriff der Anschaffungs- und Herstellungskosten vgl. BFH-Urteile vom 12. September 2001 IX R 39/97, BFHE 198, 74, BStBl II 2003, 569, und IX R 52/00, BFHE 198, 85, BStBl II 2003, 574).

In seinem Urteil in BFHE 177, 52, BStBl II 1995, 632 hat der Senat für den Fall der Zweiterschließung eines Grundstücks durch eine weitere Straße nicht darauf abgestellt, dass die ursprüngliche Erschließungsmaßnahme (ebenfalls in Gestalt einer Straße) sowohl das der privaten Nutzung dienende Wohnhaus als auch das eigentliche Betriebsgelände betraf, mithin der Grund und Boden entsprechend der unterschiedlichen Nutzung in zwei verschiedene Wirtschaftsgüter aufzuspalten war. Entscheidend war vielmehr, dass für einen bislang nicht erschlossenen Teil des Betriebsgeländes erstmalig eine Zufahrt zu einer öffentlichen Straße geschaffen worden war.

b) Im Streitfall besteht die Besonderheit, dass das fragliche Flurstück sowohl mit einem Wohngebäude als auch mit Wirtschaftsgebäuden bebaut war. Das FA hat indes nicht dargelegt, dass die Wirtschaftsgebäude (noch) nicht angeschlossen gewesen wären, aber eines Anschlusses an die Kanalisation bedurft hätten. Zwar stellt das für eigene Wohnzwecke genutzte Gebäude grundsätzlich ein anderes Wirtschaftsgut dar als die Wirtschaftsgebäude (vgl. BFH-Urteil vom 18. Mai 2000 IV R 84/99, BFHE 191, 547, BStBl II 2000, 470); das ändert aber nichts daran, dass das Wohngebäude in den Streitjahren --nicht anders als die Wirtschaftsgebäude-- noch für betriebliche Zwecke genutzt wurde und Teil des notwendigen Betriebsvermögens war (§ 13 Abs. 2 Nr. 2 EStG a.F.; vgl. z.B. Senatsurteil vom 16. Dezember 1999 IV R 53/99, BFH/NV 2000, 1078). Erschließungsmaßnahmen sind den bebauten Grundstücken daher einheitlich zuzuordnen, solange sich die Wohnungen noch im Betriebsvermögen befinden (Senatsbeschluss in BFH/NV 2003, 1159).

2. Aus der Vereinbarung des Klägers mit der G ergibt sich aber, dass für die Ermittlung des Ablösebeitrags nicht das gesamte Flurstück mit 16 574 qm herangezogen wurde, sondern eine Teilfläche mit insgesamt 3 879 qm davon ausgenommen war - offenbar weil es sich insoweit um ein Eckgrundstück handelt, das gesondert beitragspflichtig ist. Für die Ablösung wurde daher entsprechend der Satzung der G nur eine Fläche von 12 695 qm zugrunde gelegt, weil sie insgesamt eingeschossig bebaubar war. Sie wurde mit dem Einheitssatz von 4,31 DM vervielfältigt, so dass sich der insgesamt festgesetzte Ablösebeitrag von 54 715,45 DM ergab. Davon wurde der auf die mit landwirtschaftlichen Wirtschaftsgebäuden bebaute Grundstücksfläche entfallende Teil in Höhe von 9 094,10 DM gestundet. Dies entspricht einer bebauten Fläche von 2 110 qm, so dass sich der bezahlte Ablösebeitrag in Höhe von 45 621,35 DM --abzüglich des auf die Wohnhausflächen entfallenen Anteils von 4 562 DM-- auf die bisher nicht bebaute Restfläche von 10 585 qm bezieht, die nach den klägerischen Angaben als Weideland genutzt wurde. Grund für die Zahlung des so verbleibenden Ablösebeitrags von 41 059,35 DM war daher, dass mit dem Anschluss an die Kanalisation auch auf dieser Restfläche eine weitere Bebauung und die Aufteilung in mehrere Bauplätze denkbar wurde. Eine Entsorgung dieser Bauplätze durch die alte Sickergrube wäre dagegen nicht möglich gewesen. Daher ging mit dem Anschluss an die Kanalisation eine wesentliche Verbesserung der weiter als Weideland genutzten Restfläche i.S. von § 255 Abs. 2 Satz 1 des Handelsgesetzbuchs einher, die ein Erwerber entsprechend honorieren würde (vgl. Senatsurteil in BFHE 177, 52, BStBl II 1995, 632).

Damit kann auch dahinstehen, ob das gesamte Grundstück eine wesentliche Verbesserung erfahren hat.

3. Unter diesen Umständen ist über den Hilfsantrag des FA nicht mehr zu entscheiden.

RechtsgebietEStGVorschriftenEStG § 4 Abs. 4 EStG § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG § 13

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