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  • · Fachbeitrag · Thema des Monats

    Erstattung von Inkassokosten seit dem 9.10.13

    von RiOLG Frank-Michael Goebel, Koblenz

    | Das Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken wurde am 8.10.13 verkündet (BGBl. I 13, 3714) und trat bzw. tritt in zwei Stufen in Kraft. Die verschärften Berufsregeln ( FMP 13, 138 ), die erweiterten Aufsichtsbefugnisse (FMP 13, 139) sowie die neuen Bußgeldregeln (FMP 13, 141) gelten ebenso wie die Neuregelung der Erstattungsfähigkeit von Inkassokosten (§ 4 Abs. 5 RDGEG) seit dem 9.10.13. Die neuen Informations- und Mitteilungspflichten ( FMP 13, 158 ) sind mit einer Übergangsregelung versehen und treten erst am 1.11.14 in Kraft. Der folgende Beitrag erläutert die Einzelheiten zur Erstattungsfähigkeit von Inkassokosten. |

    1. Kostenerstattung wie beim Rechtsanwalt

    Nach § 4 Abs. 5 RDGEG sind Inkassokosten von registrierten Inkassodienstleistern für außergerichtliche Inkassodienstleistungen, die eine nicht titulierte Forderung betreffen, nur bis zur Höhe der einem Rechtsanwalt nach den Vorschriften des RVG zustehenden Vergütung erstattungsfähig.

     

    PRAXISHINWEIS | § 4 Abs. 5 RDGEG gilt nur für Vergütungsforderungen von Inkassounternehmen, bei denen der Vergütungsanspruch nach dem 8.10.13 entstanden ist, also nicht für Altforderungen. Vergütungsforderungen (Gebühren und Auslagen), die entsprechend der vor dem 9.10.13 geltenden Rechtslage, mithin unter Beachtung der Schadensminderungspflicht nach § 254 BGB und der aktuellen Rechtsprechung des BGH zur Anwendung der Toleranzrechtsprechung (11.7.12, VIII ZR 323/11; 5.2.13, VI ZR 195/12) berechtigt entstanden sind, bleiben von der Neuregelung unberührt. Das ergibt sich aus § 4 Abs. 5 RDGEG i.V.m. § 60 RVG sowie aus Art. 14 GG. Der Eingriff in eine materiell-rechtlich entstandene Forderung würde sich als entschädigungspflichtige Enteignung darstellen. Für einen solchen Schritt fehlt nicht nur eine erforderliche gesetzliche Regelung, sondern auch ein hierauf gerichteter erkennbarer Wille des Gesetzgebers.

     

    2. Umfang der Anwendung des RVG

    Entgegen dem missverständlichen Wortlaut der Vorschrift ergibt sich aus dem Gesetzeszweck (Transparenz) wie dem Gesetzgebungsverfahren, dass die 
Erstattung der Vergütung des Inkassodienstleisters nicht nur der Summe nach den Vergütungsanspruch des Rechtsanwalts nicht übersteigen darf, sondern auch in den Einzelgebühren und den Auslagen jeweils die Einzelbestimmung des RVG Maßstab der Erstattungsfähigkeit dem Grunde wie der Höhe nach ist. Der Inkassodienstleister muss also seit dem 9.10.13 im Außenverhältnis nach den Gebührenziffern und Anmerkungen der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG und den Bestimmungen des RVG im Übrigen abrechnen und die Terminologie des RVG beachten. Kontoführungsgebühren sind damit - ungeachtet der Frage, ob und in welchem Umfang sie überhaupt jemals erstattungsfähig waren - seit dem 9.10.13 nicht mehr im Außenverhältnis zum Schuldner geltend zu machen.

    3. Verordnungsermächtigung

    Das BMJ kann bei Forderungen gegenüber Privatpersonen Höchstsätze für die erstattungsfähigen Gebühren festlegen, insbesondere für das erste Mahnschreiben und für sog. Massenforderungen, also Konstellationen bei denen monatlich mehr als 100 gleichartige Forderungen dem Inkassounternehmen von ein und demselben Gläubiger übergeben werden.

    4. Das darf der Gläubiger jetzt als Inkassokosten verlangen

    Eine solche Verordnung existiert bisher nicht, sodass sich die Erstattungsfähigkeit von Inkassokosten bei den Forderungen gegenüber Privatpersonen als Schuldnern ebenso wie bei Massenforderungen zunächst uneingeschränkt nach § 4 Abs. 5 S. 1 RDGEG i.V.m. dem RVG richtet. Mit dem ersten Mahnschreiben fällt also eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VVRVG von 0,5 bis 1,3 an, (nur) bei umfangreichen oder schwierigen Fällen auch eine Geschäftsgebühr von 1,3 bis 2,5 nach der Anm. zu Nr. 2300 VVRVG.

     

    PRAXISHINWEIS | Über dem Durchschnitt und damit umfangreich wäre die 
Angelegenheit etwa, wenn schon vor der Mandatsanzeige Ermittlungen zum Aufenthaltsort erforderlich sind, weil der Mandant mitteilt, dass der aktuelle Wohnsitz des Schuldners unbekannt ist und eine einfache Melderegisterauskunft zu keinem Ermittlungserfolg geführt hat.

     

    Die Frage, in welcher Höhe die Geschäftsgebühr mit dem ersten Schreiben erhoben werden kann, ist von der Frage zu trennen, wie sich die Höhe der Gebühr dann noch verändern kann. Wird die Angelegenheit der vorgerichtlichen Forderungsbeitreibung nämlich erst im weiteren Verlauf umfangreich, darf die Geschäftsgebühr durchaus angepasst werden.

     

    Es wird künftig also entscheidend darauf ankommen, darzulegen, dass die Angelegenheit umfangreich oder schwierig war, um die Schwellengebühr von 1,3 überschreiten zu können. Eine umfangreiche oder schwierige Angelegenheit kann in folgenden Fällen begründet werden:

     

    Checkliste / Begründung für eine umfangreiche Angelegenheit

    • Forderung mit Auslandsbezug.
    • Einsatz vom Fremdsprachenkenntnissen (Schneider/Wolf, AnwK RVG, 6. Aufl., VV 2300, Rn. 13).
    • Vielfache Wohnungswechsel des Schuldners mit der Notwendigkeit von Aufenthaltsermittlungen.
    • Mehrfacher Schriftverkehr mit zusätzlichen Telefonaten, die über kurze Mitteilungen, Sachstandsanfragen und Informationsbeschaffung hinausgehen; Austausch widerstreitender Argumente (Schneider/Wolf, a.a.O., Rn. 11).
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    • Praxishinweis: Die Geschäftsgebühr sollte auch die frühere Besprechungsgebühr ersetzen. Besprechungen sollten deshalb eine Erhöhung der Geschäftsgebühr über den Rahmen einer 1,3-Schwellengebühr hinaus 
erlauben (Gerold/Schmidt/Mayer, RVG, 19. Aufl., VV 2300 Rn. 28).
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    • Umfassendes Aktenstudium (Schneider/Wolf, a.a.O., Rn. 14).
    • Aufwendige Recherche einer streitigen Rechtsfrage in Rechtsprechung und Schrifttum (AG Köln AGS 05, 287).
    • Außendienstbesuch (z.B. 1,8-Gebühr bei der Teilnahme an einer vorgerichtlichen Sachverständigenbegutachtung nach vorheriger Fertigung von drei Schriftsätzen, AG Ansbach AGS 07, 237).
     

    Daneben können weitere Gebühren wie die Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VVRVG anfallen.

     

    PRAXISHINWEIS | Dabei ist die neue Streitwertbegrenzung nach § 31b RVG zu beachten. Handelt es sich um eine reine Zahlungsvereinbarung, also das Versprechen einer Teil-, Raten- oder Abfindungszahlung gegen die Zusage auf eine Titulierung oder eine Vollstreckungsmaßnahme zu verzichten, ist als Streitwert nur 20 Prozent der Hauptforderung anzusetzen. Anders verhält es sich nur, wenn die Vereinbarung zusätzliche Regelungen insbesondere materiell-rechtlicher Art enthält (verjährungsverlängernde Vereinbarung, Schuldanerkenntnis, Sicherungsübereignungen oder -abtretungen, Schweigepflichtentbindungen etc.).

     

    In besonderen Fällen sind noch die Erhöhungsgebühr nach Nr. 1008 VVRVG sowie die Hebegebühr nach Nr. 1009 VVRVG in den Fokus zu nehmen.

     

    PRAXISHINWEIS | Im Hinblick auf die Hebegebühr sind allerdings die strengen Voraussetzungen zu beachten unter denen eine Erstattung in Betracht kommt. Drei Fallkonstellationen sind denkbar (hierzu Enders, RVG, 15. Aufl., Rn. 465):

    • Der Schuldner zahlt an das Inkassounternehmen ohne hierzu aufgefordert zu sein, insbesondere um eine Zwangsvollstreckung zu vermeiden,
    • der Schuldner hat sich in einem Vergleich ausdrücklich zur Zahlung an das Inkassounternehmen verpflichtet oder
    • es liegen besondere Gründe in der Person oder in dem Verhalten des Schuldners vor (unregelmäßige Zahlungen, Beitreibung nur durch langwierige Pfändungen), die die Einschaltung eines Inkassounternehmens rechtfertigen.
     

    5. Nicht nur Gebühren, sondern auch Auslagen sind betroffen

    Die Auslagen bestimmen sich nach Teil 7 der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG. Vorrangig können danach Auslagen nach den Nr. 7001 bis 7008 VVRVG erstattungsfähig sein, nachrangig weitere Auslagen, die nicht zu den allgemeinen 
Geschäftskosten nach der Vorbem. 7 Abs. 1 VVRVG gehören. Hierbei ist zwischen den allgemeinen Büro- und Grundkosten zu unterscheiden, die nicht erstattungsfähig sind und den konkreten Aufwendungen für die Forderungsbeitreibung gerade im angesprochenen und abzurechnenden Einzelfall.

     

    Checkliste / Nicht erstattungsfähige Auslagen

    • Miete der Büroräume
    • Löhne und Gehälter der Angestellten
    • Kosten für die Anschaffung und Unterhaltung von Hard- und Software
    • Aufwendungen für Literatur
    • Grundgebühren für rechtliche Recherchen (z.B. juris) mit Ausnahme konkreter Einzelkosten für eine Recherche
    • Grundgebühren für die Telekommunikation
    • Mitgliedsbeitrag bei einer Kreditauskunft oder einer Fachvereinigung
    • Kosten für allgemeines Büromaterial (Papier, Ordner, Stifte, Formulare)
    • Fahrtkosten im Ortsverkehr und Kosten für die Bahncard
    • Porto für die eigene Rechnung
     

    Checkliste / Erstattungsfähige Auslagen

    • Vom Rechtsanwalt/Inkassounternehmen verauslagte Gerichts- und Gerichtsvollzieherkosten
    • Aktenversendungspauschale (Nr. 9003 KVGKG)
    • Auf den Fall bezogene Auskunft bei einer Kreditauskunft (Gerold/Schmidt, RVG, Vorbem. 7 Rn. 4)
    • Gezielte Recherchekosten in einer juristischen Datenbank
    • Kosten für die Ermittlung der Anschrift des Schuldners (Gerold/Schmidt, RVG, Vorbem. 7 Rn. 13; LG Hannover AnwBl. 89, 687)
    • Detektivkosten
    • Kosten für Registerauskünfte (Handelsregister; Gewerberegister, Schuldnerverzeichnis; Elektronisches Grundbuch)
    • Kosten für die Übersetzung von Dokumenten in ausländischer Sprache
    • Außendienstbesuch eines externen Außendienstes, sofern die Kosten niedriger liegen als die Titulierung und die Einholung einer Vermögensauskunft mit gütlicher Einigung
    Maßstab für die Erstattungsfähigkeit einer Auslage ist also, dass sie im konkreten Einzelfall angefallen ist und allein hierauf bezogene Kosten angefallen sind und dass die Maßnahme als solches auch unter dem Blickwinkel der Schadensminderungspflicht vom Gläubiger aus der ex-ante-Sicht als notwendig und erforderlich betrachtet werden durfte.

     

    • Beispiel

    Der Aufenthalt des Schuldners - wegen einer Forderung von unter 500 EUR 
gegen die bisher keine sachlichen Einwendungen erhoben wurden und auch nicht zu erwarten sind - ist unbekannt. Registerabfragen waren erfolglos, Rufnummern von Vermieter, Nachbarn oder ähnlichen Auskunftspersonen sind nicht 
bekannt. Die (fiktiven) Voraussetzungen für eine öffentliche Zustellung liegen vor. Hier müsste der Gläubiger Klage erheben, weil eine öffentliche Zustellung des Mahnbescheids nicht statthaft ist, § 688 Abs. 2 ZPO, sodass drei Gerichtsgebühren von 105 EUR zuzüglich der Kosten der öffentlichen Zustellung anfallen. 
Anschließend kann der Gerichtsvollzieher nach § 755 ZPO mit der Aufenthaltsermittlung beauftragt werden, was bei der Abfrage der Meldebehörden (§ 755 
Abs. 1 ZPO) und der anschließenden Nutzung von auch nur einer der drei Auskunftsmöglichkeiten weitere Kosten von über 50 EUR verursacht. Vor dem Hintergrund der zu erwartenden Drittauslagen von über 150 EUR zuzüglich der Kosten des Rechtsdienstleisters von weiteren knapp 200 EUR kann es günstiger sein, eine Detektei/Außendienst mit der Ermittlung vor Ort zu beauftragen, wenn die Kosten bei 50 bis 70 EUR liegen und bei Auffinden des Schuldners mit der Unterzeichnung eines kostengünstigen Schuldanerkenntnisses mit verjährungsverlängernder Vereinbarung zu rechnen ist.

     

    6. Fazit

    Die Neuregelung macht die Erstattungsfähigkeit von Inkassokosten für die vorgerichtliche Forderungsbeitreibung für den Schuldner transparenter. Dies sollte für den Inkassodienstleister den Vorteil haben, dass die Berechtigung der Inkassokosten dem Grunde wie der Höhe nach seltener in Zweifel gezogen werden. Die gesetzliche Regelung ist noch nicht erschöpft. Das BMJ kann Höchstsätze für die Gebühren mit einer Verordnung festlegen. In welchem Rahmen dies möglich ist, lesen Sie in der Dezember-Ausgabe von FMP.

    Quelle: Ausgabe 11 / 2013 | Seite 191 | ID 42387473