Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 01.08.2007 | Vermögensauseinandersetzung

    Der Streit um das Gemeinschaftskonto nach Trennung und Scheidung

    von VRiOLG Dieter Büte, Bad Bodenteich/Celle

    In der letzten Ausgabe haben wir über wichtige Beratungspunkte beim Streit über das Einzelkonto berichtet (FK 07, 119). Der folgende Beitrag erläutert die Besonderheiten beim Streit um ein Gemeinschaftskonto.  

     

    Checkliste: Gemeinschaftskonten („Oder-Konten“) nach Trennung und Scheidung
    • Form: Gemeinschaftskonten können in Form eines „Oder-Kontos“ oder eines „Und-Kontos“ geführt werden. Sie lauten auf den Namen beider Ehepartner. Diese können bei Und-Konten die Dispositionen nur gemeinsam treffen. Die Inhaber bilden, sofern keine Gesamthandsgemeinschaft vorliegt, eine Bruchteilsgemeinschaft nach §§ 741 ff. BGB und sind Mitgläubiger der Forderung (BGH NJW 91, 420: auch zur Möglichkeit der Umwandlung von Konten). Gemeinschaftskonten entstehen durch Vereinbarung, wenn mehrere Personen für die Bank erkennbar Mitgläubiger der Guthabenforderung werden sollen. Dafür reicht aber die Einräumung der Zeichnungsbefugnis nicht aus (OLG Hamburg NZG 00, 784; Staudinger/Langbein, BGB, 13. Aufl., 1993 ff., § 741 Rn. 102 ). Gemäß § 747 S. 2 BGB können die Kontoinhaber nur gemeinschaftlich über die Forderung verfügen, außer sie haben ausdrücklich etwas anderes mit der Bank vereinbart (zur Möglichkeit der Pfändung des Anteils jedes einzelnen Mitinhabers: Wagner, WM 91, 1145, 1150). Bei Insolvenz verliert der Gemeinschuldner seine Mitverfügungsbefugnis, ohne dass dadurch aber die Bruchteilsgemeinschaft berührt wird (zur Möglichkeit der Aufhebung der Gemeinschaft nach § 749 BGB vgl. Schebesta, WM 85, 1329, 1332). Bei Oder-Konten steht die Verfügungsbefugnis jedem Ehegatten allein zu (zu den Vor- und Nachteilen vgl. Gernhuber, WM 97, 645; zu steuer- und erbrechtlichen Fragen vgl. Werkmüller, ZEV 00, 440; v. Münch, FPR 06, 481). In der Praxis kommt das Und-Konto bei Ehegatten wegen der Schwerfälligkeit nur selten vor. Im Folgenden wird deshalb nur das Oder-Konto behandelt.

     

    • Außenverhältnis: Oder-Konten begründen eine Gesamtgläubigerschaft (BGH FamRZ 00, 948) und damit ein eigenes Forderungsrecht gegenüber der Bank. Abweichend von § 428 BGB darf diese aber nicht nach Belieben an jeden der Kontoinhaber leisten, sondern nur an den, der die Auszahlung verlangt (LG Frankfurt NJW-RR 04, 775: zur Auszahlungsanweisung beider Ehegatten). Nachteilig ist, dass Gläubiger des jeweils anderen Ehegatten in das Konto vollstrecken können (OLG Dresden FamRZ 03, 1943) und beide für ein vom anderen verursachtes Debet haften (Wever, Vermögensauseinandersetzung der Ehegatten außerhalb des Güterrechts, 4. Aufl., Rn. 720).

     

    • Innenverhältnis: Oder-Konten berechtigen, soweit nichts anderes bestimmt ist, im Innenverhältnis zu gleichen Teilen, § 430 BGB. Auf die Frage, wer das Guthaben auf dem Konto eingezahlt hat, ob es sich um ein Privat- oder Geschäftskonto handelt und ob das Guthaben aus dem Arbeitseinkommen des allein verdienenden Ehegatten stammt, kommt es nicht an (BGH FamRZ 90, 370: ausländisches Schwarzgeld). Die Vereinbarung im Innenverhältnis ist so auszulegen, dass auf Ausgleichsansprüche nur verzichtet wird, als Abhebungen vom Konto während des Zusammenlebens erfolgen (OLG Karlsruhe FamRZ 90, 629; OLG Saarbrücken EzFamR 03, 136). § 430 BGB stellt eine eigenständige Anspruchsgrundlage dar (BGH, a.a.O.). Ergänzend gelten auch hier die Regeln der Bruchteilsgemeinschaft und insbesondere § 742 BGB (OLG Hamm FamRZ 90, 59).

     

    • Ausgleichsansprüche nach § 430 BGB: Da das Kontoguthaben beiden Ehegatten zu je 1/2 zusteht, kann derjenige, der weniger als die Hälfte erhalten hat, nach § 430 BGB vom anderen einen Ausgleich verlangen (BGH, a.a.O.). Ausnahme: Die Ehegatten haben etwas anderes bestimmt. Dies kann sich auch aus stillschweigenden Vereinbarungen, dem Zweck und der Handhabung des Kontos oder den Vorschriften über die eheliche Lebensgemeinschaft ergeben (BGH, a.a.O.). Eine andere Bestimmung liegt aber nicht darin, dass nur ein Ehegatte überwiegend auf das Konto eingezahlt hat (BGH, a.a.O.). I.d.R. liegt bei intakter Ehe ein „konkludenter Verzicht auf Ausgleich“ vor (OLG Zweibrücken FamRZ 91, 820). Ausgleichsansprüche bestehen aber, sofern die Verwendung der Gelder einen Missbrauch des der Kontoerrichtung zugrunde liegenden Vertrauensverhältnisses darstellt (OLG Düsseldorf FamRZ 99, 1504). Dies ist der Fall, wenn ein Ehegatte die Beträge nicht mehr familiären Zwecken zukommen lässt, sondern sie vorwiegend für sich allein verwendet. Insoweit ist kein konkludenter Verzicht auf die Ausgleichsansprüche anzunehmen, sodass ein Anspruch nach § 430 BGB besteht (OLG Saarbrücken FamRB 03, 237). Illoyale Abhebungen zeigen, dass die Ehe an sich nicht mehr intakt war (Haußleiter/Schulz, Vermögensauseinandersetzung bei Trennung und Scheidung, 4. Aufl., Kap. 6 Rn. 255). Rückschlüsse lassen sich aus der Höhe des Betrags entnehmen, über die ein Ehegatte – unberechtigt – allein verfügt hat (OLG Zweibrücken, a.a.O.).

     

    • Ausgleichsansprüche infolge von Abhebungen nach der Trennung: Da mit der Trennung der Ehegatten das besondere Vertrauensverhältnis, das Grundlage für die Errichtung des Gemeinschaftskontos war, i.d.R. entfällt und die Geschäftsgrundlage der Vereinbarungen über das Innenverhältnis wegfällt, die der Verwirklichung der ehelichen Lebensgemeinschaft gedient haben, besteht regelmäßig ein Ausgleichsanspruch nach § 430 BGB, wenn ein Ehegatte nach der endgültigen Trennung (BGH FamRZ 90, 370) mehr als die Hälfte vom Gemeinschaftskonto abhebt (BGH, a.a.O.). Etwas anderes kann gelten, wenn die Abhebung – wie bei einem Einzelkonto – über den Hälftebetrag hinaus dem mutmaßlichen Willen des anderen Ehegatten entsprochen hat, insbesondere wenn das Geld für den Unterhalt der restlichen Familienmitglieder verwendet worden ist.

     

    Praxishinweis: Räumendie Bankformulare kein einseitiges Widerrufsrecht ein, besteht bei Oder-Konten keine Möglichkeit, durch eine einseitige Sperre die Verfügungsbefugnis des anderen einzuschränken (BGH NJW 91, 420). Daher sollte gegenüber der Bank erklärt werden, dass keine Überziehungen gestattet sind. Effektiv ist nur das sofortige Abheben des hälftigen Anteils (v. Münch, FPR 06, 481).

     

    Bei objektiver Evidenz des Missbrauchs einer umfassenden Kontovollmacht kann auch eine Haftung des Kreditinstituts in Betracht kommen. Zwar trägt grundsätzlich der Vertretene das Risiko des Vollmachtsmissbrauchs. Den Vertragspartner trifft keine Prüfungspflicht, ob und inwieweit der Vertreter im Innenverhältnis gebunden ist, von der nach außen unbeschränkten Vertretungsmacht nur begrenzt Gebrauch zu machen. Gegen einen erkennbaren Missbrauch der Vertretungsmacht ist der Vertretene im Verhältnis zum Vertragspartner jedoch geschützt, wenn der Vertreter von seiner Vertretungsmacht in ersichtlich verdächtiger Weise Gebrauch gemacht hat, sodass beim Vertragspartner begründete Zweifel bestehen mussten, ob nicht ein Treueverstoß des Vertreters gegenüber dem Vertretenen vorliegt. Objektive Evidenz des Missbrauchs liegt vor, wenn sich die Notwendigkeit der Rückfrage des Geschäftsgegners beim Vertretenen geradezu aufdrängt (BGH NJW 94, 2082).

     

    • Beweislast: Da für den Ausgleichsanspruch nach § 430 BGB vermutet wird, dass beiden Ehegatten je 1/2 des Guthabens zusteht, muss derjenige, der mehr als die Hälfte beansprucht, eine entsprechende Bestimmung darlegen (BGH FamRZ 97, 607). Bei Oder-Konten hat ein Ehegatte im Prozess daher nur darzutun, dass dem anderen durch die Leistung des Schuldners mehr zugeflossen ist, als seinem Anteil entspricht. Auch bei Abhebungen während intakter Ehe muss ein Ehegatte, dem mehr als sein hälftiger Anteil zugeflossen ist, eine der Ausgleichspflicht entgegenstehende Gestaltung des Innenverhältnisses nachweisen (Büte, Zugewinnausgleich bei Ehescheidung, 3. Aufl., Rn. 426). Meist liegt eine anderweitige Bestimmung i.S. eines konkludenten Verzichts auf Ausgleichsansprüche vor, weil die praktizierte Handhabung dem übereinstimmenden Willen der Ehegatten entsprochen hat. Das gilt jedoch nicht mehr bei der Abhebung ungewöhnlich hoher Summen (v. Münch, FPR 06, 481). Wer hier eine andere Bestimmung aufgrund der Verwendung für familiäre Zwecke behauptet, trägt dafür die Beweislast (OLG Zweibrücken FamRZ 91, 820).
     

     

    Quelle: Ausgabe 08 / 2007 | Seite 138 | ID 109719