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  • 28.05.2009 | Ausbildungsunterhalt

    Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten auf Ausbildung, Fortbildung oder Umschulung

    von RA Thurid Neumann, FA Familienrecht, Konstanz

    In der Praxis wird selten geprüft, ob ein Anspruch auf Ausbildungsunterhalt nach § 1575 Abs. 1 BGB besteht, obwohl die Voraussetzungen vorliegen und der Anspruchsteller durch den Ausbildungsunterhalt die Möglichkeit bekommt, in der Zukunft wirtschaftlich besser gestellt zu werden. Gerade im Hinblick auf die Stärkung der wirtschaftlichen Eigenverantwortung sollte der Ausbildungsunterhalt in der Praxis mehr Beachtung finden.  

     

    § 1575 Abs. 1 BGB

    (1) Ein geschiedener Ehegatte, der in Erwartung der Ehe oder während der Ehe eine Schul- oder Berufsausbildung nicht aufgenommen oder abgebrochen hat, kann von dem anderen Ehegatten Unterhalt verlangen, wenn er diese oder eine entsprechende Ausbildung sobald wie möglich aufnimmt, um eine angemessene Erwerbstätigkeit, die den Unterhalt nachhaltig sichert, zu erlangen und der erfolgreiche Abschluss der Ausbildung zu erwarten ist. Der Anspruch besteht längstens für die Zeit, in der eine solche Ausbildung im Allgemeinen abgeschlossen wird; dabei sind ehebedingte Verzögerungen der Ausbildung zu berücksichtigen.  

     

     

    In der folgenden Checkliste werden die Voraussetzungen von § 1575 BGB aufgezeigt.  

     

    Checkliste: Voraussetzungen für Ausbildungsunterhalt, § 1575 BGB
    • Ehebedingte Nichtaufnahme oder ehebedingter Abbruch der Schul- oder Berufsausbildung:
    Der Anspruchsteller muss eine Schul- oder Berufsausbildung in Erwartung der Ehe oder während der Ehe nicht aufgenommen oder abgebrochen haben, z.B. wegen der Geburt eines Kindes oder wegen eines Ortswechsels (Palandt, BGB-Kommentar, 68. Auflage, § 1575 Rn. 1).

     

    Die Darlegungs- und Beweislast trägt der Anspruchsteller (Wendl-Staudigl, Das Unterhaltsrecht in der familienrechtlichen Praxis, 7. Auflage, § 4 Rn. 148). Hat der Anspruchsteller die Schul- oder Berufsausbildung bereits vor der Ehe abgebrochen, muss er darlegen und beweisen, dass der Abbruch ehebedingt war.

     

    Er muss bereits feste Berufspläne gehabt haben und konkrete Maßnahmen getroffen haben (OLG Bamberg FamRZ 81, 150). Die bloße Mitteilung von Berufswünschen ist nicht ausreichend (OLG Frankfurt FamRZ 85, 712). Es muss z.B. schon eine Anmeldung bei einer Ausbildungsstätte vorliegen (OLG Bamberg a.a.O.).
    Hat der Anspruchsteller die Schul- oder Berufsausbildung erst während der Ehe abgebrochen, ist es nicht erforderlich, dass der Abbruch ehebedingt war (BGH FamRZ 80, 126).

     

    Praxishinweis:
    Bestand der Ausbildungsanspruch bereits gemäß § 1361 BGB vor der Ehescheidung, besteht dieser gemäß § 1575 Abs. 1 BGB auch nach der Ehescheidung fort (BGH FamRZ 85, 782).

     

    • Ursprüngliche oder entsprechende Ausbildung:
    Der Anspruchsteller muss die in Erwartung der Ehe oder während der Ehe nicht aufgenommene oder abgebrochene Schul- oder Berufsausbildung oder eine entsprechende Ausbildung aufnehmen.

     

    Ob eine Ausbildung der ursprünglich beabsichtigten Ausbildung entspricht, beurteilt sich nicht nach fachlichen Gesichtspunkten. Es kommt vielmehr auf die Gleichwertigkeit in der sozialen Zuordnung an (OLG Köln FamRZ 96, 867). Eine deutlich höherwertigere Ausbildung ist demnach nicht geschuldet (OLG Frankfurt FamRZ 95, 879). Die Promotion nach Abschluss eines Hochschulstudiums, die lediglich die Arbeitsmarktchancen verbessern soll, führt ebenfalls nicht zu einem Ausbildungsunterhalt (OLG Düsseldorf FamRZ 87, 708).

     

    Eine andere, vom Niveau her gleichwertige Ausbildung darf dann nicht aufgenommen werden, wenn die abgebrochene Ausbildung bereits weit fortgeschritten war (Wendl-Staudigl, a.a.O., Rn. 150). Vielmehr muss die abgebrochene Ausbildung fortgesetzt werden.

     

    Die beabsichtigte Ausbildung muss auch den Neigungen des Anspruchstellers entsprechen. Durch eine einmal vor der Ehe eingeschlagene Berufsrichtung entsteht keine Vermutung (Köln a.a.O.).

     

    Der Anspruchsteller muss darauf achten, dass er keine besonders zeit- und kostenintensive Ausbildung wählt, es sei denn, außergewöhnliche Gründe würden dies rechtfertigen (BGH FamRZ 84, 561).

     

    Zudem muss sich der Anspruchsteller in einem planmäßigen Ausbildungsverhältnis befinden (Palandt, a.a.O., Rn. 2). Eine Anspruchstellerin, die als Mitunternehmerin in einem Buchhandel selbstständig tätig ist, erfüllt diese Voraussetzungen nicht (BGH FamRZ 87, 795). Eine niveausteigernde Zweit- oder Drittausbildung ist nicht zu finanzieren, wenn der Anspruchsteller bereits eine abgeschlossene Berufsausbildung absolviert hat, die ihn in die Lage versetzt, eine angemessene Erwerbstätigkeit auszuüben (BGH NJW 85, 1695).

     

    Praxishinweis:
    Anders als bei einer angemessenen Erwerbstätigkeit nach § 1574 Abs. 2 BGB kann eine angemessene Erwerbstätigkeit im Sinne von § 1575 BGB auch ein höheres Niveau beinhalten. § 1575 BGB soll ehebedingte Nachteile ausgleichen, die einem Ehegatten in seinem beruflichen Fortkommen mit Rücksicht auf die Ehe entstanden sind (BGH FamRZ 85, 782). Im Gegensatz zu § 1574 Abs. 2 BGB setzt § 1575 BGB nicht voraus, dass der Anspruchsteller ohne die Ausbildung keine angemessene Erwerbstätigkeit finden kann (BGH FamRZ 87, 795). § 1575 BGB soll dem Anspruchsteller daher einen besseren Ausbildungsstand und bessere Erwerbstätigkeiten ermöglichen, als es angemessene Erwerbstätigkeiten im Sinne von § 1574 Abs. 2 BGB sind.

     

    • Aufnahme sobald wie möglich:
    Die Ausbildung muss sobald wie möglich nach der Ehescheidung aufgenommen werden, d.h. ohne schuldhaftes Zögern. Ehebedingte Verzögerungen sind unbeachtlich, z.B. wegen Kinderbetreuung oder wegen Krankheit (Palandt, a.a.O., § 1575 Rn. 2). Der Anspruchsteller hat Anspruch auf eine Überlegungszeit. Unter Umständen kann auch ein Zeitraum von 14 Monaten zwischen Ehescheidung und Aufnahme der Ausbildung noch als „so bald wie möglich“ gelten, wenn der Anspruchsteller erfolglos versucht hat, aufgrund seiner früheren Erfahrungen aus einem abgebrochenen Ausbildungsverhältnis eine Erwerbstätigkeit zu finden (OLG Köln a.a.O.). Nimmt der Anspruchsteller die Ausbildung sobald wie möglich auf, besteht der Unterhaltsanspruch auch bereits für die Zeit bis zur Aufnahme der Ausbildung (OLG Hamm FamRZ 83, 181).

     

    • Erwartung des erfolgreichen Abschlusses mit Unterhaltssicherung:
    Die Schul- oder Berufsausbildung muss notwendig sein, um eine angemessene Erwerbstätigkeit zu erlangen, die den Unterhalt nachhaltig sichert. Erforderlich ist eine Prognose unter Berücksichtigung von Alter und Arbeitsmarkt (Palandt, a.a.O., Rn. 2). Ein Ehegatte, der zwar eine angemessene Erwerbstätigkeit aufnehmen könnte, jedoch durch eine Ausbildung eine ohne die Ehe schon früher erreichte Verbesserung seines Status im Erwerbsleben anstrebt, hat auch einen Anspruch auf Ausbildungsunterhalt. Lediglich eine Ausbildung zum bloßen Vergnügen ist nicht zu finanzieren (BGH FamRZ 87, 795).

     

    • Abschluss innerhalb der normalen Ausbildungsdauer:
    Der Abschluss der Schul- oder Berufsausbildung muss gemäß § 1575 Abs. 1 S. 2 BGB innerhalb normaler Ausbildungszeit zu erwarten sein, also z.B. nicht innerhalb der Mindeststudiendauer, sondern innerhalb der üblichen Studiendauer (Palandt, a.a.O., Rn. 2). Der Anspruchsteller muss die Ausbildung zielstrebig und fleißig durchziehen.

     

    Gemäß § 1575 Abs. 1 S. 2 BGB sind ehebedingte Ausbildungsverzögerungen (z.B. wegen der Betreuung eines gemeinschaftlichen Kindes) hinzunehmen. Aber auch das Alter und der Gesundheitszustand des Anspruchstellers sowie konkrete äußere Umstände sind zu berücksichtigen.

     

    Verzögerungen aus rein persönlichen Gründen sind keine ehebedingten Verzögerungen (BGH FamRZ 80, 126).

     

    Die Erfolgsaussicht muss zudem nicht nur bei der Aufnahme, sondern bei der gesamten Ausbildung bestehen. Der Ausbildungsanspruch erlischt daher nicht nur mit Ablauf der üblichen Ausbildungszeit, sondern auch wenn keine Erfolgsaussichten für einen Abschluss mehr bestehen (Wendl-Staudigl, a.a.O., § 4 Rdnr. 152).

     

    • Unterhaltshöhe:
    Geschuldet ist der volle Unterhalt nach § 1578 Abs. 1 S. 1 BGB einschließlich zusätzlicher Ausbildungskosten gemäß § 1578 Abs. 2 BGB. Öffentliche Förderungen sind grundsätzlich zu berücksichtigen, es sei denn, sie sind subsidiär (Palandt, a.a.O., Rn. 4).

     

    • Zumutbarkeit:
    Wegen des Gegenseitigkeitsprinzips muss dem Verpflichteten die Zahlung des Ausbildungsunterhalts zumutbar sein (Palandt, a.a.O., Rn. 2).

     

    Praxishinweis: Findet der Anspruchsteller nach Abschluss der Ausbildung keine entsprechende Erwerbstätigkeit oder scheitert die Ausbildung unverschuldet, so hat dieser einen Unterhaltsanspruch nach § 1573 Abs. 1, Abs. 3 BGB (OLG Hamm FamRZ 83, 181). Dann besteht unter Umständen gemäß § 1573 Abs. 1, § 1574 Abs. 3 BGB ein weiterer Anspruch auf Ausbildungsunterhalt, wenn der Anspruchsteller ohne die zusätzliche Ausbildung keine angemessene Erwerbstätigkeit finden kann (Wendl-Staudigl, a.a.O., Rn. 147). In diesem Fall bleibt gemäß § 1575 Abs. 3 BGB bei der Bestimmung der dem Anspruchsteller angemessenen Erwerbstätigkeit der erreichte höhere Ausbildungsstand unberücksichtigt.

     

    • Fortbildungs- oder Umschulungsanspruch nach § 1575 Abs. 2 BGB:
    Der Unterschied zum Ausbildungsanspruch liegt in diesem Fall darin, dass der Anspruchsteller bereits über eine abgeschlossene Berufsausbildung verfügt oder bereits Berufserfahrung hat. Im Übrigen sind die Voraussetzungen gleich.

     

    Praxishinweis: Eine Fortbildungs- oder Umschulungsmaßnahme darf kein Hochschulstudium sein (BGH FamRZ 85, 782).