Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 30.06.2017 · IWW-Abrufnummer 194828

    Finanzgericht Sachsen: Urteil vom 22.11.2016 – 3 K 1092/16

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Revisionsverfahren beim BFH anhängig – Az.: X R 2/17

    Im Namen des Volkes


    URTEIL

    Az: 3 K 1092/16

    In dem Finanzrechtsstreit


    - Klägerin -

    Prozessbevollmächtigte:


    gegen

    - Beklagter -
    ­­­ ­­­­­­­­
        ­
    wegen ­gesonderter Feststellung von Besteuerungsgrundlagen 2014

    hat der 3. Senat unter Mitwirkung

    des
    der
    der
    der ehrenamtlichen Richterin           und des ehrenamtlichen Richters

    ­ohne mündliche Verhandlung in der Sitzung vom 22.11.2016

    für Recht erkannt:

    1.    Der Bescheid über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2014 vom        in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom        wird dahingehend geändert, dass die Einkünfte der Klägerin aus Gewerbebetrieb auf            herabgesetzt werden.
    2.    Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.
    3.    Die Revision wird zugelassen.
    4.    Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.d. zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.


    Tatbestand

    Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob eine am 09.01.2015 gezahlte Umsatzsteuervorauszahlung für den Monat November 2014 in Höhe von         EUR als Betriebsausgabe bei den Einkünften der Klägerin aus Gewerbebetrieb für das Jahr 2014 zu berücksichtigen ist.

    Die Klägerin betreibt als Hairstylistin ein eigenes Geschäft und erzielt hieraus Einkünfte aus Gewerbebetrieb  i.S.d. § 15 Einkommensteuergesetz (EStG). Ihren Gewinn ermittelt sie durch Einnahmeüberschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG. Für die Übermittlung der Umsatz-steuervoranmeldungen sowie für die Entrichtung der Vorauszahlungen hat der Beklagte ihr eine einmonatige Fristverlängerung nach § 46 UStDV eingeräumt.

    In ihrer Gewinnermittlung im Rahmen der Erklärung zur gesonderten Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für das Streitjahr 2014 behandelte die Klägerin die am 09.01.2015 für November 2014 entrichtete Umsatzsteuervorauszahlung in Höhe von          EUR als Betriebsausgabe dieses Jahres. Der Beklagte setzte mit geändertem Bescheid vom       den Gewinn der Klägerin aus dem Betrieb ihres Friseursalons ohne die Umsatzsteuervorauszahlung für       November 2014 als Betriebsausgabe fest, weil die Umsatzsteuervorauszahlung erst im Jahr 2015 als abgeflossen gelte. Der gegen den Feststellungsbescheid vom       am       erhobene Einspruch der Klägerin wurde mit Entscheidung des Beklagten vom       zurückgewiesen. In seinen Gründen führte der Beklagte aus, dass die Umsatz-steuer für November 2014 am 10.01.2015 noch nicht fällig gewesen sei, da sich nach             § 108 Abs. 3 der Abgabenordnung (AO) die Zahlungsfrist bis zum folgenden Werktag verlängert habe.

    Mit ihrer am 03.08.2016 erhobenen Klage rügt die Klägerin die Verletzung von § 11 EStG. Sie trägt vor, für § 11 EStG sei § 108 AO nicht von Bedeutung, denn § 11 Abs. 1 Sätze 1 und 2 EStG regele keine Frist, sondern schaffe lediglich eine gesetzlich normierte Zu- und Abflussfiktion. § 108 Abs. 3 AO hingegen diene lediglich der steuerbürgerentlastenden Praktikabilität bzw. der Fristenbewältigung allgemein und berühre die gesetzliche Frist nach           § 18 Abs. 1 Satz 4 UStG gar nicht. Insoweit bedürfe es auch keiner teleologischen Reduktion, wie vom Thüringer Finanzgericht in seiner Entscheidung vom 27.01.2016 (Az.: 3 K 791/15) angenommen. Weder der Wortlaut des § 11 EStG, der allein auf den Zu- und Abfluss von Einnahmen und Ausgaben innerhalb kurzer Zeit vor oder nach dem Ende des Kalenderjahres abstelle, noch der Gesetzeszweck rechtfertigten die abweichende Auffassung der Finanzverwaltung.  

    Die Klägerin beantragt sinngemäß,
     
    den Bescheid über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2014 vom       in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom       dahingehend zu ändern, dass ihre Einkünfte aus Gewerbebetrieb auf         EUR herabgesetzt werden.
                    
    Der Beklagte beantragt,

                                             die Klage abzuweisen.

    Er trägt vor, im Streitfall sei aufgrund der Dauerfristverlängerung nach § 46 UStDV die Umsatzsteuervorauszahlung für den Monat November 2014 bis zum 10.01.2015 zu entrichten gewesen. Da der gesetzliche Fälligkeitstermin 10.01.2015 auf einen Samstag gefallen sei, habe sich die Fälligkeit der Umsatzsteuervorauszahlung nach § 108 Abs. 3 AO, der sich auf alle Handlungs- und Erklärungsfristen beziehe, bis zum Ende des folgenden Werktags, hier Montag, den 12.01.2015, verlängert. Eine Verlängerung des 10-Tage-Zeitraums i.S.d.            § 11 Abs. 2 Satz 2 EStG komme im Hinblick auf die nach § 108 Abs. 3 AO hinausgeschobene Fälligkeit von Umsatzsteuervorauszahlungen nicht in Betracht; es verlängere sich gegebenenfalls nur die Zahlungsfrist entsprechend. Mithin sei die Zahlung der Umsatzsteuervoraus-zahlung für November 2014 erst im Jahr 2015 als Betriebsausgabe zu berücksichtigen.

    Wegen weiterer Sachverhaltseinzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie die dem Gericht vorliegenden Akten verwiesen. Die Beteiligten haben einer Entscheidung der Streitsache ohne mündliche Verhandlung gemäß § 90 Abs. 2  der Finanzgerichtsordnung (FGO) zugestimmt. 



    Entscheidungsgründe

    I.

    Das Gericht entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung        (§ 90 Abs. 2 FGO).

    II.

    Die zulässige Klage ist begründet. Der angefochtene Bescheid vom        in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom        ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten        (§ 100 Abs. 1 Satz 1, 1 Halbsatz FGO). Entgegen der Auffassung des Beklagten ist die von der Klägerin am 09.01.2015 geleistete Umsatzsteuervorauszahlung für November 2014 in Höhe von         EUR als Betriebsausgabe des Jahres 2014 zu berücksichtigen.

    1. Im Rahmen der Gewinnermittlung durch Einnahme-Überschuss-Rechnung nach                 § 4 Abs. 3 EStG sind Ausgaben gem. § 11 Abs. 2 Satz 1 EStG für das Kalenderjahr abzusetzen, in dem sie geleistet worden sind. Als Ausnahme von diesem Grundsatz sieht § 11 Abs. 2 Satz 2, Abs. 1 S. 2 EStG für gewisse Fälle eine periodengerechte Berücksichtigung von Ausgaben vor. Danach gelten regelmäßig wiederkehrende Ausgaben, die beim Steuerpflichtigen kurze Zeit vor oder kurze Zeit nach Beendigung des Kalenderjahres, zu dem sie wirtschaftlich gehören, abgeflossen sind, als in diesem Kalenderjahr angefallen. Als "kurze Zeit" gilt ein Zeitraum von bis zu 10 Tagen (Urteil des Bundesfinanzhofs - -BFH- - vom 11. November 2014 VIII R 34/12, BStBl. II 2015, 285).

    2. Im Streitfall sind diese Voraussetzungen hinsichtlich der am 09.01.2015 geleisteten Umsatzsteuervorauszahlung für November 2014 erfüllt.

    2.1 Bei den Umsatzsteuer-Vorauszahlungen handelt es sich um regelmäßig wiederkehrende Ausgaben, deren Wiederholung bei der Art der von der Klägerin erbrachten Leistungen von vornherein feststeht. Der die regelmäßige Wiederkehr bestimmende Zahlungs- und Fälligkeitstermin ist gesetzlich geregelt; nach § 18 Abs. 1 Satz 1 UStG hat der Unternehmer bis zum 10. Tag nach Ablauf jedes Voranmeldungszeitraums eine Umsatzsteuervoranmeldung auf elektronischem Weg zu übermitteln; die Vorauszahlung ist gemäß § 18 Abs. 1 Satz 4 UStG am 10. Tag nach Ablauf des Voranmeldungszeitraums fällig. Nach § 46 UStDV kann das Finanzamt dabei dem Unternehmer auf Antrag die Fristen für die Übermittlung der       Voranmeldungen und für die Entrichtung der Vorauszahlungen um einen Monat verlängern.

    2.2 Im Streitfall hat die Klägerin die streitige Umsatzsteuervorauszahlung für November 2014 aufgrund der ihr seitens des Beklagten gewährten Fristverlängerung nicht bis zum 10.12.2014, jedoch innerhalb der nach § 46 UStDV verlängerten Frist - am 09.01.2015 - überwiesen. Damit lag die Zahlung gleichzeitig innerhalb des Zeitraums von bis zu 10 Tagen nach Ablauf des Kalenderjahres i.S.d. § 11 EStG.  Mit Bewirken der Überweisung hatte die Klägerin die Verfügungsmacht über den streitigen Betrag verloren; auf den Zugang beim Beklagten kommt es dabei nicht an (Schmidt/Heinicke, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, 33. Auflage 2014, § 11 Rz. 50).

    2.3 Das Begehren der Klägerin, die Zuordnung der Zahlung zum Wirtschaftsjahr 2014, scheitert auch nicht daran, dass – wie der Beklagte meint – die Fälligkeit im Zeitpunkt der Zahlung noch nicht vorlag. Seinem Wortlaut nach stellt § 11 Abs.1 Satz 2 EStG allein auf die wirtschaftliche Zuordnung der wiederkehrenden Einnahmen und Ausgaben ab. Ob die jeweilige Einnahme bzw. Ausgabe noch in dem Kalenderjahr fällig geworden ist, für das sie geleistet wurde, ist für die wirtschaftliche Zuordnung nicht relevant. Entscheidend ist allein, ab wann die Verfügungsmacht übergegangen ist, da von der Grundidee des § 11 EStG i.V.m.               § 4 Abs. 3 EStG die tatsächlichen Zu- und Abflüsse des einzelnen Wirtschaftsjahres erfasst werden sollen. Mithin kommt es bei der Anwendung der Ausnahmeregelung des § 11 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 EStG neben der wirtschaftlichen Zugehörigkeit zu dem jeweiligen Wirtschaftsjahr nur darauf an, dass die Ausgaben – wie im Streitfall - kurze Zeit nach Beendigung des Kalenderjahres abgeflossen sind (Urteil des BFH vom 23. September 1999 IV R 1/99, BStBl. II 2000, 121 zur Frage der Fälligkeit).

    Ausgehend von diesen Grundsätzen kann dahinstehen, ob § 108 Abs. 3 AO überhaupt im Rahmen des § 11 EStG zur Anwendung kommen kann. Rein vorsorglich macht sich das Gericht ergänzend die Ausführungen des Thüringer Finanzgerichts in seiner Entscheidung vom 27.01.2016 (3 K 791/15, Entscheidungen der Finanzgerichte 2016, 1425) zu eigen.
    III.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Revision wird nach § 115 Abs. 2 FGO zugelassen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. den §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).



    Rechtsmittelbelehrung

    Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Revision zu.

    Die Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Bundesfinanzhof schriftlich einzulegen. Die Revisionsschrift muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Eine Abschrift oder Ausfertigung des Urteils soll ihr beigefügt werden. Die Revision ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Auch die Begründung ist beim Bundesfinanzhof einzureichen; sie muss den Anforderungen des § 120 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) entsprechen.

    Vor dem Bundesfinanzhof muss sich jeder Beteiligte durch einen in § 62 Abs. 4 FGO genannten Prozessbevollmächtigten vertreten lassen.

    Der Bundesfinanzhof hat die Postanschrift: Postfach 86 02 40, 81629 München, und die Hausanschrift: Ismaninger Straße 109, 81675 München, sowie den Telefax-Anschluss: 089/9231-201.

    Rechtsmittel können auch über den elektronischen Gerichtsbriefkasten des Bundesfinanzhofs eingelegt und begründet werden, der über die vom Bundesfinanzhof zur Verfügung gestellte Zugangs- und Übertragungssoftware erreichbar ist. Die Software kann über die Internetseite „www.bundesfinanzhof.de“ lizenzkostenfrei heruntergeladen werden. Hier befinden sich auch weitere Informationen über die Einzelheiten des Verfahrens, das nach der Verordnung der Bundesregierung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesverwaltungsgericht und beim Bundesfinanzhof vom 26. November 2004 (BGBl I 2004, 3091, geändert durch Verordnung vom 10. Dezember 2015, BGBl I 2015, 2207) einzuhalten ist.