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  • · Fachbeitrag · Erbschein

    Guter Glaube an die Richtigkeit des Erbscheins beim Rechtsgeschäft in der Erbengemeinschaft

    von RiOLG Dr. Andreas Möller, Hamm

    Die Gutglaubensvorschriften der §§ 2366, 2367 BGB setzen ein Verkehrsgeschäft voraus. Daran fehlt es bei Rechtsgeschäften innerhalb der Erbengemeinschaft (hier: Kündigung eines Darlehens durch einen im Erbschein ausgewiesenen Miterben gegenüber einem anderen Miterben, BGH 8.4.15, IV ZR 161/14, Abruf-Nr. 176480).

     

    Sachverhalt

    Der Erblasser (E) gewährte seinem Sohn (S) 1977 und 1981 zwei Darlehen. Nach seinem Tod 1985 wurde er von der Klägerin (Tochter T des E), seiner Ehefrau (F) und dem S beerbt. Die F verstarb 1996 und wurde von T, S sowie von Dr. N und N beerbt. 2006 verstarb S, der von den drei Beklagten beerbt wurde. Hinsichtlich des Nachlasses des E erteilte das Nachlassgericht 1997 einen Erbschein, der als Erben T und S auswies. Mit anwaltlichem Schreiben kündigte die T 1999 die vom E an den S gegebenen Darlehen. Die T nahm S sowie Dr. N und N im Verfahren des LG Frankfurt auf Erbauseinandersetzung nach dem E in Anspruch. Die drei Beklagten wurden verurteilt, einem konkreten Teilungsplan zuzustimmen. Danach sollten von den Rückzahlungsansprüchen der beiden Darlehen die T, der S und die Erbengemeinschaft nach der F je 1/3 erhalten. Mit Beschluss aus 2004 zog das Nachlassgericht den 1997 erteilten Erbschein ein und erteilte einen neuen gemeinschaftlichen Erbschein, ausweislich dessen die T, die F und S Erben zu je 1/3 des E sind. Mit anwaltlichem Schreiben kündigten die T, Dr. N und N 2008 gegenüber den Beklagten als Rechtsnachfolger von S erneut die Darlehen. Die T nimmt die Beklagten auf anteilige Rückzahlung der beiden Darlehen in Anspruch. Ihren Anspruch berechnet sie aus ihrem eigenen Anteil von 1/3 am Nachlass des E sowie ihrem 1/4-Anteil an dem weiteren 1/3-Anteil der F. Die Beklagten haben u.a. die Einrede der Verjährung erhoben. Die Klage und die Berufung der T blieben erfolglos. Die Revision führt zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

     

     

     

     

     

     

     

     

     

    Entscheidungsgründe

    Der Anspruch der T ist nur verjährt, wenn die Kündigung der Darlehensansprüche durch sie 1999 wirksam war.

     

    Verjährung gem. § 197 Abs. 1 Nr. 2 a.F. BGB

    § 197 Abs. 1 Nr. 2 a.F. BGB ist nicht anwendbar. Darlehensrückzahlungsansprüche, die bereits dem Erblasser zustanden, unterfallen nicht allein deshalb, weil diese mit dessen Tod auf die Erben übergegangen sind, dem § 197 Abs. 1 Nr. 2 a.F. BGB. Erforderlich ist, dass diese aus Anlass des Erbfalls entstehen (vgl. auch OLG Schleswig ErbR 14, 351 zum Schuldanerkenntnis). Die Rechtsnachfolge aufgrund des Erbfalls ändert nichts an der Rechtsnatur des Anspruchs (vgl. MüKo/Grothe, BGB, 6. Aufl. § 197 Rn. 16).

     

    Verjährung gem. § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB

    § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB ist trotz des Urteils des LG Frankfurt, in dem S, Dr. N und N zur Zustimmung zu einem Teilungsplan verurteilt wurden, nicht einschlägig. Nach dem Teilungsplan sollten von den Rückzahlungsansprüchen der beiden Darlehen die T, S und die Erbengemeinschaft nach der F je 1/3 erhalten. Hierin liegt aber keine rechtskräftige Feststellung der Rückzahlungsansprüche i.S. von § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB. Denn mit der Zustimmung zu einem Teilungsplan ist keine rechtskräftige Titulierung eines Zahlungsanspruchs verbunden, auch wenn in diesem Forderungen aufgeteilt werden. Eine ausnahmsweise zulässige Zusammenfassung von Erbauseinandersetzung und Erfüllung der auseinandergesetzten Forderung hat nicht stattgefunden (vgl. BGH FamRZ 89, 960).

     

    Regelverjährung

    Es ist auf die Regelverjährungsfrist gem. § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB i.V. mit Art. 229 § 6 Abs. 4 S. 1 EGBGB abzustellen. Gem. § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB beginnt die Verjährungsfrist mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist. Das ist der Fall, sobald er im Wege der Klage geltend gemacht werden kann. Voraussetzung hierfür ist grundsätzlich Fälligkeit (BGH NJW 10, 2940). Die Fälligkeit des Darlehensrückzahlungsanspruchs hängt, da eine Zeit für die Rückzahlung des Darlehens nicht bestimmt war, von einer Kündigung ab, § 488 Abs. 3 S. 1 BGB, § 609 Abs. 1 BGB a.F.

     

    Die Kündigung der T aus 1999 ist nicht aus Rechtsscheinsgesichtspunkten gem. § 2367 Alt. 2, § 2366 BGB wirksam. Gem. § 2367 2. Alt. BGB ist § 2366 BGB auch auf Verfügungen, insbesondere auch auf Gestaltungsrechte wie eine Kündigung anwendbar (vgl. MüKo/Mayer, BGB, a.a.O., § 2367 Rn. 7; Staudinger/Schilken, BGB (2004), § 2367 Rn. 5).

     

    Die T war zwar zu diesem Zeitpunkt ausweislich des 1997 erteilten Erbscheins nur gemeinsam mit dem S Erbe nach dem E. Die Vorschriften über den gutgläubigen Erwerb gem. §§ 2366, 2367 BGB (ebenso wie §§ 932 ff., 892 BGB) setzen aber ein Rechtsgeschäft in der Form eines Verkehrsgeschäfts voraus. Veräußerer und Erwerber dürfen daher weder rechtlich noch wirtschaftlich - auch nur teilweise - identisch sein (BGHZ 173, 71 = NJW 07, 3204; BGHZ 30, 255 = WM 59, 1094 jeweils für den gutgläubigen Erwerb nach § 892 BGB). Auch im Bereich der erbrechtlichen Gutglaubensvorschriften gem. §§ 2366, 2367 BGB ist allgemein anerkannt, dass diese nur bei Vorliegen eines Verkehrsgeschäfts anwendbar sind (OLG Hamm FamRZ 75, 510, 513 f.; MüKo/Mayer, BGB, a.a.O., § 2366 Rn. 11; Staudinger/Herzog, BGB, (2010), § 2366 Rn. 25).

     

    MERKE | Hieraus folgt, dass bei einer Erbauseinandersetzung unter Miterben kein gutgläubiger Erwerb möglich ist (vgl. BGH ZEV 01, 116).

     

     

    Auch wenn es vorliegend nicht um einen gutgläubigen Erwerb durch S geht, sondern um ein von der T diesem gegenüber vorgenommenes Rechtsgeschäft gem. § 2367 2. Alt. BGB, rechtfertigt dies keine abweichende Beurteilung. Denn für die Anwendung der Gutglaubensvorschriften innerhalb einer Gesamthandsgemeinschaft ist kein Raum. Es soll lediglich der rechtsgeschäftliche Erwerb durch einen Dritten geschützt werden (BGHZ 173, 71 = NJW 07, 3204). Für eine Differenzierung zwischen den einzelnen Gutglaubenstatbeständen der §§ 2366, 2367 BGB besteht keine Veranlassung.

     

    Die Darlehensrückzahlung stand der Erbengemeinschaft, d.h. einer Gesamthandsgemeinschaft, zu. Diese musste die Kündigung aussprechen. Hierbei kam es auf eine Mitwirkung des S bei der Kündigung des Darlehens nicht an, da sich der geltend gemachte Anspruch gegen ihn richtete und er daher von einer Mitwirkung ausgeschlossen war (BGHZ 157, 79, 86 = ZEV 04, 118). Gekündigt hat 1999 die T allein. 1999 hätte neben der T aufgrund des Versterbens der F (1996) auch die nach deren Tod bestehende und noch nicht auseinandergesetzte Erbengemeinschaft mitwirken müssen.

     

    Die Kündigung durch die T allein ist auch nicht deswegen wirksam, weil es sich um eine Maßnahme der ordnungsgemäßen Verwaltung gem. § 2038 Abs. 1 S. 2 HS. 1 BGB gehandelt hat (vgl. hierzu BGH EE 15, 73). Erforderlich ist für die Ausübung von Gestaltungsrechten eine Mehrheitsentscheidung der Erbengemeinschaft. Hieran fehlt es. Die Erbanteile der T und der Erbengemeinschaft nach der F sind gleich groß. An der Erbengemeinschaft nach der F hielt die T nur einen Miterbenanteil von 1/4, sodass wegen der gesamthänderischen Verbundenheit die T allein für diesen Erbanteil keine Zustimmung zur Kündigung erklären konnte. Eine Mehrheitsentscheidung zur Kündigung fehlt daher.

     

    Die Kündigung aus 1999 ist damit nur wirksam, wenn die übrigen Miterben ihre vorherige Zustimmung erteilt haben. Dies haben die Beklagten unter Beweisantritt vorgetragen. Dem muss das Berufungsgericht nachgehen. Eine nachträgliche Genehmigung, die z.B. in der folgenden Kündigung im Jahr 2008 liegen könnte, ist demgegenüber nicht möglich. Die Wirksamkeit einseitiger Rechtsgeschäfte kann im Interesse des Erklärungsgegners nicht bis zur Erteilung der Genehmigung gem. § 184 BGB in der Schwebe bleiben (BGHZ 114, 360,366 = NJW 91, 2552; Palandt/Weidlich, BGB, 74. Aufl. § 2040 Rn. 4; Palandt/Ellenberger, BGB, a.a.O., § 182 Rn. 5).

    Praxishinweis

    Das Fehlen eines Verkehrsgeschäfts spielt auch in folgender Konstellation eine Rolle (vgl. DNotI-Report 10, 219): Das Eigentum an einem Grundstück kann aufgrund eines Erbauseinandersetzungsvertrags nicht wirksam übergehen, wenn sich später herausstellt, dass ein übersehener Miterbe nicht beteiligt war. Ein gutgläubiger Erwerb ist mangels Verkehrsgeschäfts nicht möglich, wenn das Eigentum von der Gesamthand auf einen Gesamthänder wechselt. Der übersehene Miterbe kann die Auflassung in Vollzug des Erbauseinandersetzungsvertrags (eine Verfügung gem. § 2040 Abs. 1 BGB) aber gem. § 185 Abs. 2 BGB genehmigen.

    Quelle: Ausgabe 06 / 2015 | Seite 92 | ID 43379780