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  • 01.01.2007 | Minderjährige im Erbrecht

    So kann das Kindesvermögen gesichert werden

    von Prof. Dr. Jürgen Damrau, Konstanz und RA Gudrun Möller, Nordkirchen

    Erwirbt ein Minderjähriger Vermögen, z.B. als Erbe oder Beschenkter, ist fraglich, wie dieses gegenüber den Eltern gesichert werden kann.  

     

    Mitteilungen an das Familiengericht

    Gemäß § 1640 BGB müssen Eltern das ihrer Verwaltung unterliegende Vermögen, welches das Kind von Todes wegen oder schenkweise erwirbt, verzeichnen, das Verzeichnis mit der Versicherung der Richtigkeit und Vollständigkeit versehen und dem Familiengericht einreichen. Gleiches gilt für Vermögen, welches das Kind sonst anlässlich eines Sterbefalls erwirbt, wobei an Leistungen aus einer Lebensversicherung oder auf Grund einer erbrechtlichen Auflage zu denken ist, sowie für unentgeltliche Zuwendungen.  

     

    § 1640 BGB dient nur indirekt der Sicherung des Kindesvermögens und sorgt für einen Beweis dafür, was dem Kind zusteht (Staudinger/Engler, BGB, 13. Aufl., 04, § 1640 Rn. 1). Diesem Zweck entsprechend müssen die Eltern, auch wenn das Kind nur Miterbe ist oder durch die Schenkung Miteigentümer zu einem Bruchteil wird,  

    • alle Gegenstände, die zum erworbenen Vermögen gehören, aufzählen und dabei die Merkmale anführen, die zur Identifizierung und Bewertung der einzelnen Gegenstände notwendig sind;

     

    • beim Erwerb eines Anteils an einer GbR, einer OHG oder KG die letzte Inventur und Bilanz einreichen (Soergel/Strätz, BGB, 12. Aufl., § 1640 Rn. 7; Staudinger/Engler, a.a.O., § 1640, Rn. 20; die Ansicht des KG aus der Zeit vor dem ersten Weltkrieg, dass bei einer GBR alle Gegenstände einzeln aufzuführen seien, dürfte überholt sein);

     

    • beim Pflichtteilsanspruch ihres Kindes nach h.L. nicht dem Anspruch nach § 2314 BGB genügen und ein vollständiges Verzeichnis des Nachlasses einreichen, sondern den Netto-Nachlass bezeichnen und im Verzeichnis, das sie dem Familiengericht einreichen, zusätzlich die Pflichtteilsquote angeben (Staudinger/Engler, a.a.O., § 1640 Rn. 23);

     

    • wenn das Kind nur Nacherbe ist, insbesondere wenn Vorerbe ein Elternteil ist, ein Verzeichnis, das dem § 2121 BGB entspricht, einreichen, also ein Verzeichnis, das alle Bestandteile des Nachlasses verzeichnet sowie den Wert des dem Kind zustehenden Pflichtteilsanspruchs angeben (Soergel/ Strätz, a.a.O., § 1640 Rn. 8), da das Kind die Erbschaft ausschlagen und seinen Pflichtteil verlangen könnte, § 2306 Abs. 2 BGB.

     

    Gemäß § 1640 Abs. 3 BGB kann notfalls das Vermögensverzeichnis durch einen Notar aufgenommen werden.  

     

    Will das Kind bei Erreichen der Volljährigkeit Ansprüche gegen seine Eltern verfolgen, kann es Einsicht in das Verzeichnis nehmen.  

     

    Verpflichtete

    Das Gesetz geht davon aus, dass beide Elternteile die Vermögenssorge für das Kind innehaben (§ 1626 Abs. 1 BGB) und das Kind gemeinsam vertreten, § 1629 Abs. 1 BGB. Bei Kindern, deren Eltern nicht miteinander verheiratet sind, können diese gemeinsam die Sorge und auch die gesetzliche Vertretung des Kindes innehaben (§ 1626a Abs. 1, § 1629 Abs, 1 S. 3 BGB), sonst hat sie die nichteheliche Mutter, § 1626a Abs. 2 BGB. Dann treffen die hier zu erörternden Pflichten nur diesen Elternteil.  

     

    Bei getrennt lebenden Eltern endet die gemeinsame Sorge beider nicht von selbst (§ 1671 BGB), kann aber zur Übertragung der Sorge für das Kind auf einen Elternteil führen; Gleiches gilt, wenn die Ehe geschieden wird. In diesem Fall – ebenso im Fall des Todes eines Elternteils (§ 1680 Abs. 1 BGB) – treffen die Pflichten nur den sorgeberechtigten Elternteil.  

     

    Wurde einem Elternteil die Personensorge oder die Vermögenssorge für das Kind entzogen, behält sie der andere Teil und ihn treffen die Pflichten.  

     

    Übersicht: Gesetzliche Absicherung des Kindesvermögens
    • § 1641 BGB untersagt den Eltern Schenkungen in Vertretung des Kindes. Diese sind schuldrechtlich wie sachenrechtlich nichtig.

     

    • Eltern müssen Geld nach den Grundsätzen einer wirtschaftlichen Vermögensverwaltung anlegen, § 1642 BGB.

     

    • § 1643 BGB i.V. mit §§ 1821, 1822 Nrn. 1, 3, 5, 8 bis 11 BGB macht eine Reihe von Geschäften von der familiengerichtlichen Zustimmung abhängig, insbesondere alle Grundstücksgeschäfte.

     

    • § 1683 BGB betrifft einen vermögenssorgeberechtigten Elternteil, der nicht oder nicht mehr mit dem anderen Elternteil verheiratet ist und einen Dritten heiraten möchte. Die Vorschrift ist nicht anwendbar bei geschiedenen oder getrennt lebenden Eltern, die die Vermögenssorge gemeinsam innehaben, wenn der eine Teil heiraten will (Staudinger/Coester, a.a.O., § 1683 Rn. 9). Ist jene Voraussetzung gegeben, muss der Elternteil die Eheschließungsabsicht dem Familiengericht mitteilen und auf seine Kosten ein Verzeichnis des Kindesvermögens einreichen, und zwar ohne die Befreiungsmöglichkeiten des § 1640 Abs. 2 Nr. 1 BGB, also auch, wenn der Wert des Vermögens unter 15.000 EUR liegt. Besteht zwischen dem Kind und dem ehewilligen Elternteil eine Vermögensgemeinschaft, also eine Gesamthandsgemeinschaft in Form der GbR oder der Miterbengemeinschaft, nicht aber der Bruchteilsgemeinschaft, muss grundsätzlich deren Auseinandersetzung herbeigeführt werden. Das Familiengericht kann gestatten, dass diese unterbleibt, wenn dies den Vermögensinteressen des Kindes nicht widerspricht. Bei den Gesamthandsgemeinschaften OHG und KG, mögen sie auch nach außen juristische Person sein, wird i.d.R. die Befreiung gemäß § 1683 Abs. 3 BGB angezeigt sein.
     

    Übersicht: Eingriffsmöglichkeiten des Gerichts
    • § 1666 Abs. 1 BGB dient sowohl dem Schutz des persönlichen Kindeswohls als auch dem Schutz des Kindesvermögens: Wird das Vermögen durch missbräuchliche Ausübung der elterlichen Sorge, Vernachlässigung des Kindes durch unverschuldetes Versagen der Eltern oder durch das Verhalten eines Dritten gefährdet, muss das Familiengericht eingreifen. Gemäß § 1666 Abs. 2 BGB ist i.d.R. anzunehmen, dass das Vermögen des Kindes gefährdet ist, wenn der Inhaber der Vermögenssorge seine Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind oder seine mit der Vermögenssorge verbundenen Pflichten verletzt oder Anordnungen des Gerichts, die sich auf die Vermögenssorge beziehen, nicht befolgt. Die Vermögensbeschädigung muss noch nicht eingetreten sein. Ausreichend, aber auch erforderlich ist die Wahrscheinlichkeit oder die naheliegende Möglichkeit eines künftigen Schadenseintritts. Früher wurde der Vermögensverfall der Eltern als Vermögensgefährdung des Kindes angesehen, § 1670 BGB a.F. Die Vorschrift wurde aber bei der Schaffung der Insolvenzordnung gestrichen.

     

    • § 1667 BGB gibt dem Familiengericht mehrere Möglichkeiten des Eingriffs, wenn die Voraussetzungen des § 1666 BGB in Bezug auf das Kindesvermögen vorliegen (vgl. amtliche Gesetzesüberschrift „Maßnahmen bei Gefährdung des Kindesvermögens“): Es kann anordnen, ein Verzeichnis einzureichen, Geld und Wertpapiere so anzulegen, dass kein Zugriff der Eltern ohne Genehmigung des Gerichts möglich ist. Dem Elternteil können Sicherheitsleistungen auferlegt werden.

     

    Nach Abs. 1 kann ein Vermögensverzeichnis verlangt werden, und zwar von beiden Elternteilen, auch wenn nur ein Elternteil die bei der Vermögensverwaltung entstehenden Pflichten verletzt hat oder in Vermögensverfall geraten ist. Die Anordnung, ein Vermögensverzeichnis einzureichen, dient auch dazu, die Notwendigkeit weiterer Schutzmaßnahmen nach § 1667 oder § 1666 Abs. 1 BGB zu klären. Haben Eltern auf Grund des § 1640 BGB ein Verzeichnis vorgelegt, kann auch dessen Ergänzung verlangt werden. Das Familiengericht kann ferner anordnen, dass der das Kindesvermögen gefährdende Elternteil über die Verwaltung des Vermögens des Kindes Rechnung legt, es kann sogar eine regelmäßige Rechnungslegung gefordert werden.

     

    Nachdem das Gebot mündelsicherer Anlegung von Kindesvermögen aufgehoben ist, müssen sich Eltern nur im Rahmen einer wirtschaftlichen Vermögensverwaltung bewegen, § 1642 BGB. § 1667 Abs. 2 S. 1 BGB erlaubt, familiengerichtliche Anlagebestimmungen, soweit die Eltern ihrer Pflicht aus § 1642 BGB nicht genügt haben, z.B. höchst spekulative Anlagen durchgeführt haben. Es kann Sperrvermerke für Geldanlagen des Kindes anordnen. Eltern können das Kindesgeld nur mit Genehmigung des Gerichts abheben. Das Gericht kann bei Wertpapieren, Kostbarkeiten und Schuldbuchforderungen die Sicherungsmittel anordnen, die für den Vormund kraft Gesetzes gelten.

     

    Eltern mit hinreichenden Mitteln kann auch eine Sicherheitsleistung auferlegt werden.
     

     

    Wichtiger Praxisfall: Pflichtteil

    Das Berliner Testament – mit oder ohne Strafklausel – ist weiterhin bei Eheleuten beliebt. Es führt zur Enterbung der Kinder, auch minderjähriger Kinder.  

     

    Beispielsfall

    Vater V stirbt und hat seine Frau F, die Mutter der gemeinsamen minderjährigen Kinder, zur alleinigen Erbin eingesetzt. Wer kann die Pflichtteilsansprüche der Kinder geltend machen?  

     

    Checkliste: Sicherung und Durchsetzung des Pflichtteilsanspruchs des Minderjährigen
    • Kein In-Sich-Prozess: Eine Klage des Minderjährigen, vertreten durch den gesetzlichen Vertreter, ist nicht möglich, weil letzterer Anspruchsgegner ist und In-Sich-Prozesse unstatthaft sind.

     

    • Verjährung ist während der Zeit der Minderjährigkeit gehemmt: Gemäß § 207 Abs. 1 Nr. 2 BGB ist die Verjährung des Anspruchs des Minderjährigen gegen seinen gesetzlichen Vertreter während der Zeit der Minderjährigkeit gehemmt. Der Anspruch verjährt in drei Jahren, § 2332 BGB. Die Frist beginnt, wenn der Pflichtteilsberechtigte vom Eintritt des Erbfalls und von der beeinträchtigenden Verfügung von Todes wegen Kenntnis erlangt hat. Diese Kenntnis wird das Kind i.d.R. bereits während der Minderjährigkeit erlangen, so dass bei Beendigung der Hemmung der Verjährung, dem Eintritt der Volljährigkeit, die dreijährige Frist zu laufen beginnt. Sie endet dann, wenn das Kind 21 Jahre alt wird.

     

    • Kenntnis von der Enterbung ist nicht erforderlich: Das Kind muss nicht wissen, dass es enterbt wurde. Kenntnis des gesetzlichen Vertreters davonzur Zeit der Minderjährigkeit setzt sich nicht als Kenntnis des volljährigen Kindes fort. Zwar ist der gesetzliche Vertreter analog § 166 BGB nach allgemeiner Meinung Vertreter im Wissen des Kindes. Diese Wissenszurechnung kann aber nicht erfolgen, wenn sich der Anspruch, der dadurch ausgelöst wird, gerade gegen den gesetzlichen Vertreter richtet. Daher kann die Verjährung des Pflichtteilsanspruchs zu einem anderen Zeitpunkt enden. Jörg Mayer nimmt eine Aufklärungspflicht des (ehemaligen) gesetzlichen Vertreters als gesetzesnähere Lösung an (Bamberger/Roth, a.a.O., § 2317 Rn. 6). Die Angaben müssen so umfassend sein, dass dem Kind eine Klage nach § 2314 BGB erspart bleibt. Die Verletzung der Aufklärungspflicht löst eine Schadenersatzpflicht nach § 1664 BGB aus. Aufgrund von § 207 BGB habe der volljährig Gewordene in den meisten Fällen genügend Zeit, erforderliche Auskünfte einzuholen und den Pflichtteil geltend zu machen. Wie aber, wenn er von dritter Seite fünf Jahre nach Eintritt in die Volljährigkeit erstmals verlässlich erfährt, dass er Pflichtteilsansprüche hat, aber der gesetzliche Vertreter ihn nie im geschilderten Sinn aufklärt? Die Verjährung des Schadenersatzanspruchs tritt nach § 207 Abs. 1 Nr. 2 BGB in 30 Jahren ein.

     

    • Risiko der Zahlungsunfähigkeit des gesetzlichen Vertreters: Für den Minderjährigen besteht die Gefahr, dass der gesetzliche Vertreter bei Eintritt der Volljährigkeit zahlungsunfähig geworden ist. Fraglich ist daher, ob das Familiengericht in allen Fällen, in denen minderjährige Kinder von einem Elternteil enterbt sind, einen Ergänzungspfleger (§ 1909 BGB) zur Durchsetzung der Pflichtteilsansprüche bestellen muss. Das Familiengericht sollte von allen Pflichtteilsansprüchen, deren Wert 15.000 EUR übersteigt, erfahren, weil das Nachlassgericht dies dem Familiengericht mitteilen muss (§ 74a FGG; der Gesetzgeber hat aber versehentlich das Vormundschaftsgericht genannt, denn Ziff. XVII/ 5 der Anordnung über Mitteilungen in Zivilsachen [MiZi] nennt das Familiengericht). Es muss aber auch kein Ergänzungspfleger bestellt werden, wenn der Pflichtteilsanspruch 15.000 EUR übersteigt. Das Familiengericht wird nur auf Vorlage des Vermögensverzeichnisses gemäß § 1640 BGB drängen.

     

    Zwischen die Erfüllbarkeit des Anspruchs und die Möglichkeit der Klage gegen den gesetzlichen Vertreter, hat die Rechtsprechung und Literatur den „Entscheid“ des gesetzlichen Vertreters darüber gesetzt, ob der Pflichtteilsanspruch sichergestellt oder erfüllt werden soll. Da diese Entscheidung weder ein Rechtsgeschäft i.S. des § 181 BGB ist noch sich als Klage darstellt, ist der gesetzliche Vertreter grundsätzlich an dem Entscheid nicht durch § 1629 Abs. 2, § 1795 Abs. 2, § 181 BGB gehindert. Die Pflicht, den Pflichtteilsanspruch zu befriedigen, wird in aller Regel als starke Belastung empfunden, weil eine Stundung nach § 2331a BGB selten zum Zuge kommt.

     

    • Notfalls dem gesetzlichen Vertreter die Vertretungsmacht entziehen: Kommt das Familiengericht dazu, dass der Pflichtteilsanspruch alsbald sichergestellt oder gar erfüllt werden soll, muss zuvor dem gesetzlichen Vertreter insoweit die Vertretungsmacht entzogen werden. Solange dem kein Versagen vorzuwerfen ist, greifen nicht §§ 1666, 1667 BGB, sondern § 1629 Abs. 2 S. 3, § 1796 BGB. Die Entziehung der Vertretungsmacht soll nach § 1796 Abs. 2 BGB nur erfolgen, wenn ein erheblicher Interessengegensatz besteht. Dass ein Interessengegensatz zwischen dem Elternteil als Alleinerben und dem enterbten Minderjährigen besteht, wird zu bejahen sein, wenn ein der Höhe nach erwähnenswerter Pflichtteilsanspruch existiert. Die Rechtsprechung ist dem Problem dadurch ausgewichen, dass sie die „Erheblichkeit“ des Interessengegensatzes verneint hat (Nachweis bei Staudinger/Engler, a.a.O., § 1796 Rn. 7), und zwar auch bei der Höhe nach nennenswerten Pflichtteilsansprüchen. Richtiger erscheint es, § 1796 BGB dahingehend zu interpretieren, dass auf Grund des Interessengegensatzes eine Gefährdung der Kindesinteressen gegeben sein muss, damit dem gesetzlichen Vertreter in Bezug auf den Pflichtteil die Vertretung entzogen wird (BayObLGZ 82, 86).

     

    Das Familiengericht muss abwägen, ob der gesetzliche Vertreter voraussichtlich in der Lage sein wird – wie sein bisheriges Verhalten zeigt – den Pflichtteilsanspruch nach Volljährigkeit des Kindes zu erfüllen. Das kann z.B. fraglich sein, wenn die Mutter bisher nicht zu wirtschaften vermochte. Die Sicherung und Erfüllung des Pflichtteilsanspruchs kann auch den Familienfrieden gefährden, wenn ein Pfleger den Anspruch geltend macht. Das würde dem Wohl des Minderjährigen widersprechen. Bedacht werden muss auch, dass der gesetzliche Vertreter den Minderjährigen i.d.R. unterhalten muss. Die Pflegerbestellung ist daher eine Einzelfallentscheidung.

     

    • Problem: Pflichtteilsklausel: Wichtig ist auch, ob das Berliner Testament mit einer Strafklausel versehen ist, etwa: „ Das Kind, das nach dem Tod des Erstversterbenden den Pflichtteil verlangt, erhält nach dem Tod des Letztversterbenden auch nur den Pflichtteil.“ In diesem Fall ist das Familiengericht i.d.R. überfordert, abzuwägen, ob es wirtschaftlich für den Minderjährigen sinnvoll ist, den Pflichtteil zu verlangen, müsste es doch die Aussichten auf den erbrechtlichen Erwerb nach dem Letztversterbenden bewerten. Deshalb wird i.d.R. zu Recht eine Pflegerbestellung zum Zwecke der Geltendmachung des Pflichtteils unterbleiben. Das Verlangen nach einer Sicherstellung des Pflichtteils löst nicht schon die Straffolge der Pflichtteilsklausel aus (OLG Schleswig ZEV 97, 331 m. Anm. Lübbert). Die Argumentation, das Kind habe den Pflichtteil nicht verlangt, sondern der Pfleger, deshalb trete die Straffolge nicht ein, ist nicht zulässig, weil der Pfleger das Kind vertritt. Das Verhalten des Pflegers wird dem Minderjährigen zugerechnet (§ 278 BGB) und „vorgeworfen“ (BayObLG FamRZ 90, 1158).

     

    Der Einzelfall ist auch dafür maßgeblich, mit welchem Aufgabenkreis der Pfleger betraut wird. Eine Pflegschaft zur ausschließlichen Feststellung des Pflichtteilsanspruchs wird mit Rücksicht auf § 1640 BGB i.d.R. nicht in Betracht kommen (s. dazu unten). Selbst wenn das Gericht die Pflegschaft zur „Geltendmachung“ der erbrechtlichen Ansprüche angeordnet hat, kann dies auch dahin verstanden werden, dass die Pflichtteilsansprüche seitens des Pflegers nur gesichert werden sollen (BayObLGZ 88, 385). Es ist nicht ohne Weiteres Aufgabe des Pflegers, nach der Ermittlung der Höhe des Anspruchs diesen durchzusetzen. Dies verbietet sich insbesondere, wenn die Durchsetzung des Anspruchs den Familienfrieden noch mehr gefährden würde, wenn die Unterhaltspflicht durch den gesetzlichen Vertreter dadurch in Frage gestellt würde -– der gesetzliche Vertreter muss ein Darlehen aufnehmen, dessen Zinsen nur schwer aus dem Hof zusätzlich herauszuwirtschaften sind – oder auch wenn dadurch das spätere berufliche Fortkommen des Minderjährigen in Frage gestellt wird, z.B. durch die Notwendigkeit, einen Betrieb oder einen Hof zu veräußern, um den Anspruch zu erfüllen.

     

    Es wurde nicht als Aufgabe des Pflegers angesehen, die genaue Höhe des Pflichtteils festzustellen. Genügt eine Sicherung des Anspruchs, soll es dem volljährig gewordenen Kind überlassen bleiben zu entscheiden, ob es den Anspruch geltend machen will und in welcher Höhe (BayObLGZ 88, 385). Notfalls muss das Prozessgericht darüber entscheiden. Demgemäß genügt es, wenn der Pfleger nur die voraussichtliche Höhe des Pflichtteilsanspruchs bestimmt und diesen sichert.

     

    In der Sicherung des Pflichtteilsanspruches durch den Pfleger auf vertraglicher Ebene mit dem gesetzlichen Vertreter als Alleinerben liegt keine Verfügung über die Pflichtteilsforderung i.S. des § 1812 BGB, weil der Anspruch selbst nicht tangiert wird. War hierüber aber kein echter Streit entstanden, liegt kein Vergleich i.S. des § 1822 Nr. 12 BGB vor. Die Höhe des Pflichtteilsanspruchs wird nicht festgeschrieben, da es nur gilt, einen Anspruch in voraussichtlicher Höhe zu sichern. Mit Schaffung einer Sicherheit, auf die kein Anspruch besteht, wird kein streitiges Rechtsverhältnis durch Vergleich i.S. des § 779 BGB geregelt. Damit scheidet eine Genehmigungspflicht nach § 1822 BGB aus.

     

    Beim Streit zwischen dem Elternteil (Alleinerben) und dem Pfleger bedarf bereits die schuldrechtliche Vereinbarung über die Höhe der Leistung der Genehmigung nach § 1822 Nr. 12 BGB. Häufig scheitern auch Vereinbarungen darüber, dass die Festlegung der Höhe des Anspruchs unter dem Vorbehalt späterer endgültiger Festlegung des Anspruchs erfolgt. Kommt keine Einigung zustande, tritt die Verjährung des Pflichtteilsanspruchs trotz der Pflegschaft für den Minderjährigen nicht ein, vgl. § 207 Abs. 1 Nr. 2 BGB n.F. Wichtig ist dies insbesondere für den Fall, dass etwa bestellte Sicherheiten den Pflichtteilsanspruch nicht voll abdecken (§ 216 BGB n.F.) oder gar die „Sicherstellung“ des Pflichtteilsanspruchs nur durch Aufzeichnung und Bewertung der Nachlassgegenstände geschieht.

     

    Wird der Pflichtteilsanspruch durch den gesetzlichen Vertreter erfüllt, bedarf die Entgegennahme der Leistung durch den Pfleger der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts nach § 1812 BGB.

     

    Auch bei freiwilliger Sicherung des Pflichtteilsanspruchs durch den gesetzlichen Vertreter bedarf der Minderjährige keines Pflegers, wobei es gleichgültig ist, ob der Minderjährige unter sieben Jahre alt, also geschäftsunfähig, oder ob er beschränkt geschäftsfähig ist. Nach der teleologischen Reduktion des § 181 BGB, wonach die Vorschrift unanwendbar ist, wenn das Rechtsgeschäft für den Vertretenen nur rechtlich vorteilhaft ist (vgl. § 107 BGB), gereicht die Sicherheit dem Minderjährigen nur zum Vorteil, weshalb der gesetzliche Vertreter von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit ist. Auch eine gerichtliche Genehmigung der Sicherheit nach §§ 1821, 1822 BGB kommt nicht in Betracht.

     

     

    Verschärfung der Sicherung des Kindesvermögens

    Der Schenker kann wie der Erblasser anordnen, dass das dem Kind zugewandte Vermögen nicht durch einen oder beide Eltern verwaltet wird, § 1638 BGB. Dies kommt oft vor, wenn die Eltern geschieden sind. Ein Ergänzungspfleger, den der Schenkende bzw. der Erblasser selbst bestimmen kann (§ 1917 BGB), muss diese Aufgabe übernehmen, § 1909 BGB. Dieser unterliegt der Aufsicht des Vormundschaftsgerichts und ist den allgemeinen Überwachungsvorschriften gemäß §§ 1915, 1793 ff. BGB unterworfen. Statt Entzugs des Verwaltungsrechts können Erblasser wie Schenker aber auch bloß anordnen, wie die Verwaltung erfolgen soll (§ 1639 BGB).  

     

    § 1638 BGB wird als rein familienrechtliche Vorschrift angesehen und gilt nicht als Beschränkung i.S. des § 2306 BGB, so dass auch der bloße Pflichtteilsanspruch des Kindes unter Vermögenspflegschaft gestellt werden kann.  

     

    Lockerung der Sicherungsmaßnahmen

    Gemäß § 1640 Abs. 2 Nr. 2 BGB können Erblasser wie Schenker bestimmen, dass die das Kindesvermögen verwaltenden Eltern kein Vermögensverzeichnis erstellen müssen. Diese Befreiungen müssen entweder formlos bei der Schenkung oder in der Form einer letztwilligen Verfügung bei der Zuwendung auf Grund einer Verfügung von Todes wegen erfolgen.  

     

    Da Dauer-Pflegschaften regelmäßig ungern übernommen werden, weil die Einschaltung des Vormundschaftsgerichts als lästig empfunden wird, kann auch der Vermögenspfleger nach §§ 1638, 1909 BGB von Pflichten dem Gericht gegenüber gemäß §§ 1915, 1852 ff. BGB befreit werden: insbesondere von §§ 1809, 1810, 1812 BGB und von der jährlichen Rechnungslegungsfrist, § 1854 BGB. Die Befreiung erfolgt für erbrechtlichen Erwerb in Form der letztwilligen Verfügung (§§ 1915, 1856, 1777 BGB) und bei Schenkungen formlos, aber zweckmäßig schriftlich zum Nachweis beim Vormundschaftsgericht.  

     

    Lösung

    Im Beispiel kann allein die F als gesetzliche Vertreterin der Kinder deren Pflichtteilsansprüche erfüllen. § 181 BGB steht dem nicht entgegen, weil es sich um die Erfüllung einer Verbindlichkeit handelt.  

     

     

    Quelle: Ausgabe 01 / 2007 | Seite 13 | ID 86804