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  • · Fachbeitrag · Insolvenzverfahren

    Mit diesen fünf Praxistipps die Haftung vermeiden

    von Jana Gelbe-Haußen, geprüfte Rechtsfachwirtin

    | Inkassomandate sind aus der anwaltlichen Tätigkeit nicht mehr wegzudenken. Der Anwalt trägt die Verantwortung dafür, dass das Mandat ordnungsgemäß und ohne Nachteile für den Mandanten, den Gläubiger, bearbeitet wird. Durch leicht zu umgehende Versäumnisse können Haftungsfälle entstehen. Der Beitrag erklärt die fünf wichtigsten Praxistipps des Insolvenzrechts, um einen solchen ausschließen. |

    1. Vermögensauskunft: Zwei Jahre Warten ist riskant

    Oft ist über die Vermögenswerte des Schuldners wenig bekannt. Zur Informationsbeschaffung für eine künftige Zwangsvollstreckung dient das Verfahren auf Abgabe der Vermögensauskunft des Schuldners nach § 802c ZPO. Der zuständige Gerichtsvollzieher teilt mit, dass das Vermögensverzeichnis bereits beim zentralen Vollstreckungsgericht hinterlegt ist, oder er erstellt das Verzeichnis im Zusammenwirken mit dem Schuldner. Soweit sich für den Gläubiger aus dem Verzeichnis ergibt, dass derzeit keinerlei pfändbares Vermögen oder Einkommen vorhanden ist, wird die Zwangsvollstreckung im Einverständnis mit dem Gläubiger vorerst eingestellt. Eine erneute Vermögensauskunft ist erst nach zwei Jahren möglich (§ 802d Abs. 1 ZPO).

     

    PRAXISTIPP 1 | Wenn ein Gläubiger Tatsachen glaubhaft macht, die auf eine wesentliche Veränderung der Vermögensverhältnisse des Schuldners schließen lassen, kann bereits vor Ablauf der Zwei-Jahres-Frist eine erneute Vermögensauskunft verlangt werden. Nutzen Sie diese Möglichkeit!

    • Beispiel: Risiko ‒ Eröffnung des Insolvenzverfahrens

    Die Vermögensauskunft durch Anwalt A ergibt, dass Schuldner S kein pfändbares Vermögen hat. Da A davon ausgeht, dass sich die Vermögens- und Einkommensverhältnisse des S nicht ändern, beauftragt A erst wieder nach zwei Jahren eine Vermögensauskunft. Gerichtsvollzieher G teilt überraschend mit: Die Zwangsvollstreckung wird eingestellt. Über das Vermögen des S wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. Eine Zwangsvollstreckung ist für Insolvenzgläubiger unzulässig, § 89 Abs. 1 InsO. Eine Nachfrage beim Insolvenzgericht ergibt, dass die Forderung nicht mehr angemeldet werden kann, weil das Insolvenzverfahren bereits aufgehoben wurde und sich im Stadium der sogenannten Wohlverhaltensphase befindet. Eine Zwangsvollstreckung für Insolvenzgläubiger ist nicht mehr zulässig, § 294 InsO. A kann seine Forderung nicht mehr realisieren. Das hätte er vermeiden können, hätte er rechtzeitig Informationen über das eröffnete Insolvenzverfahren gehabt.

     

    Wichtig | Insolvenzgläubiger sind gemäß § 38 InsO alle Gläubiger, deren Forderungen gegen den Schuldner vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet wurden.

    2. Schuldner beantragt Eröffnung des Insolvenzverfahrens

    Zu unterscheiden sind das Regel- und das Verbraucherinsolvenzverfahren.

     

    a) Regelinsolvenzverfahren

    Beantragt der Schuldner das Regelinsolvenzverfahren, ist ein vorheriges außergerichtliches Schuldenbereinigungsverfahren nicht erforderlich. Der Schuldner übergibt mit seinem Antrag dem Insolvenzgericht eine Gläubigerliste. Der Insolvenzverwalter stellt den Eröffnungsbeschluss nur den aus den Schuldnerunterlagen ersichtlichen Gläubigern zu.

     

    b) Verbraucherinsolvenzverfahren

    Ist der Schuldner Verbraucher und will er ein Verbraucherinsolvenzverfahrens durchführen lassen, ist vorab ein außergerichtlicher Schuldenbereinigungsversuch vorzunehmen. An dem Verfahren nehmen allerdings nur die vom Schuldner angegebenen und vom Schuldnerberater aufgrund der Angaben des Schuldners einbezogenen Gläubiger teil.

     

    PRAXISTIPP 2 | Verbraucherinsolvenzverfahren können nur mit vorherigem Schuldenbereinigungsversuch durchgeführt werden. Beobachten Sie, ob auch Ihr Mandant berücksichtigt wurde.

     

     

    Immer wieder kommt es vor, dass der Schuldner den Überblick über seine Verbindlichkeiten verloren hat und einen Gläubiger nicht benennt. Die Unterlagen werden der Schuldnerberatung zum Teil unvollständig vorgelegt. Wegen der Unübersichtlichkeit der Unterlagen muss hier nicht immer grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz vorliegen.

     

    c) Mögliche Einwendung gegen Restschuldbefreiung des Schuldners

    Wenn der Gläubiger davon ausgeht, dass die Forderung grob fahrlässig oder vorsätzlich verschwiegen wurde, bleibt die Möglichkeit, die Versagung der Restschuldbefreiung nach § 290 InsO zu beantragen. Der Antrag kann aber nur auf § 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO gestützt werden, wenn er bis zum Schlusstermin beim Insolvenzgericht eingeht (§ 290 Abs. 2 InsO). Darüber hinaus muss die Forderung angemeldet worden sein. Der Gläubiger muss also am Insolvenzverfahren teilgenommen haben (BGH 9.10.08, IX ZB 16/08, Abruf-Nr. 144846). Die Anhängigkeit des Insolvenzverfahrens muss daher bekannt sein, um optimal für den Gläubiger handeln zu können.

     

    PRAXISTIPP 3 | Wurde Ihr Mandant nicht als Gläubiger berücksichtigt und gehen Sie davon aus, dass dies jedenfalls grob fahrlässig geschah, sollten Sie einen Antrag nach § 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO auf Versagung der Restschuldbefreiung stellen. Achten Sie darauf, dass sämtliche Voraussetzungen eingehalten sind.

     

     

    Gemäß § 9 Abs. 3 InsO gilt der Eröffnungsbeschluss als an alle Beteiligten ‒ also auch an die Insolvenzgläubiger ‒ zugestellt, sobald er auf insolvenzbekanntmachungen.de veröffentlicht wurde. Mit der Veröffentlichung des Beschlusses kann jeder Gläubiger Insolvenzverfahren erkennen und die Forderung anmelden.

     

    PRAXISTIPP 4 | Halten Sie während des Mandats die Eröffnungsbeschlüsse auf insolvenzbekanntmachungen.de im Auge. Sie gelten als Zustellung. Veröffentlichungen werden spätestens sechs Monate, nachdem das Insolvenzverfahren aufgehoben oder rechtskräftig eingestellt wurde, aus dem öffentlichen Verzeichnis gelöscht. Erfragen Sie Informationen also auch telefonisch beim Insolvenzgericht. Dessen sachliche und örtliche Zuständigkeit ergibt sich aus §§ 2 und 3 InsO.

     

     

    d) So nehmen Ihre Forderungen an der Verteilung teil

    An Verteilungen (Quotenausschüttungen) nehmen Forderungen nur teil, wenn sie angemeldet und zur Insolvenztabelle festgestellt wurden. Dazu ist es erforderlich, dass es dem Insolvenzverwalter gelingt, Insolvenzmasse zu generieren, z.B. durch pfändbare Einkommensteile, verwertbare Lebens- oder Rentenversicherungen, Einnahmen aus einer Erbschaft. Insolvenzverfahren über das Vermögen natürlicher Personen ‒ aber auch Verfahren über das Vermögen juristischer Personen ‒ können in einfach gelagerten Fällen in sechs bis zehn Monaten abgeschlossen werden, wenn pfändbares Vermögen schnell beigetrieben werden kann und weitere Vermögenswerte (neben pfändbaren Einkommensteilen) nicht vorhanden sind. Dem Gläubiger kann hier ein Schaden in Höhe der Quotenausschüttung über sechs Jahre hinweg entstehen, wenn in Insolvenzverfahren über das Vermögen natürlicher Personen pfändbare Einkommensteile anfallen. Denn Insolvenzverfahren über das Vermögen natürlicher Personen dauern im Normalfall ab Eröffnung bis zur Erteilung der Restschuldbefreiung sechs Jahre. Sobald die Verfahrenskosten gedeckt sind, fallen alle weiteren Einnahmen an die Gläubiger.

     

    Wichtig | Vorab werden aus der Insolvenzmasse die Verfahrenskosten getilgt. Die weitere Insolvenzmasse wird an die Gläubiger verteilt.

     

    Darüber hinaus kann die gesamte Forderung verloren sein, obgleich möglicherweise eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung zugrunde gelegen hat. Die Forderung wird nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes mangels Anmeldung von der Restschuldbefreiung erfasst (§ 302 InsO), auch wenn sich aus dem vorliegenden vollstreckbaren Titel die vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung tatsächlich ergibt. Die Forderungen aus vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlungen sind nur von der Restschuldbefreiung ausgenommen, wenn sie beim Insolvenzverwalter angemeldet waren. Wurde die Anmeldung versäumt, kann der Schuldner die Restschuldbefreiung im Falle der weiteren Geltendmachung erfolgreich einwenden.

     

    PRAXISTIPP 5 | Weisen Sie Ihr Personal an, die Inkassoakten maximal sechs Monate zu verfristen und die Akte und Rechtslage regelmäßig zu prüfen.

     
    Quelle: Ausgabe 07 / 2015 | Seite 118 | ID 43290775