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  • Privatliquidation

    Die richtige Anwendung des Steigerungssatzes

    Im Gegensatz zum EBM rechnen Sie in der GOÄ die Gebühren für Ihre Leistungen mit einem Multiplikator (Steigerungssatz) ab. Dabei hat sich die Abrechnung mit schematisch eingesetzten Multiplikatoren – zum Beispiel dem 2,3-fachen Satz – eingebürgert, weil bei Überschreitungen mangelnde Akzeptanz beim Patienten und Auseinandersetzungen mit Kostenträgern – besonders mit der Beihilfe – befürchtet werden.  Damit wird aber zum einen den Gegnern des Steigerungssatzes Wasser auf die Mühle gegeben (erinnert sei hier an Forderungen einiger Bundesländer, den Multiplikator abzuschaffen), zum anderen wird gerade im ambulanten Bereich Honorar verschenkt. Im folgenden Beitrag zeigen wir, daß und wie es auch anders geht.

    Nicht alle Gebühren der GOÄ sind steigerungsfähig!

    Manche Ziffern – unter anderem die Zuschläge für Leistungen zur Unzeit (A bis K1, E bis K2) und Ziffern mit Kostenersatzcharakter (zum Beispiel Schreibgebühren nach den Nrn. 95 und 96) – sind generell nicht steigerungsfähig. Bitte achten Sie auf die Anmerkungen zu einzelnen Ziffern und die den Unterabschnitten der GOÄ zugehörigen Allgemeinen Bestimmungen. In einem weit verbreiteten Gebührenhandbuch zum EBM und zur GOÄ sind in älteren Auflagen für nicht steigerungsfähige Gebühren multiplizierte Sätze aus-gedruckt, was auch jetzt noch öfter zu Anfragen bei uns führt.

    Der Gebührenrahmen: Einfachsatz, Schwellenwert und Höchstsatz

    Die Rechtsgrundlage für den Multiplikator findet sich in Paragraph 5 der GOÄ. Daraus ergibt sich der Gebührenrahmen mit der Spanne zwischen dem Einfachsatz (Punktzahl x Punktwert), dem Schwellenwert (bis zu diesem Multiplikator ist keine Begründung erforderlich, zum Beispiel 2,3-fach) und dem Höchstsatz (bis zu diesem Multiplikator kann mit Begründung, aber ohne eine gesonderte Abdingung abgerechnet werden, zum Beispiel 3,5-fach).

    Die Kriterien, unter denen der Multiplikator gewählt werden darf, sind ebenfalls in Paragraph 5 enthalten: “Innerhalb des Gebührenrahmens sind die Gebühren unter Berücksichtigung der Schwierigkeit und des Zeitaufwandes der einzelnen Leistung sowie der Umstände bei der Ausführung nach billigem Ermessen zu bestimmen. Die Schwierigkeit der einzelnen Leistung kann auch durch die Schwierigkeit des Krankheitsfalles begründet sein. Dies gilt nicht für die in Absatz 3 genannten Leistungen. Bemessungskriterien, die bereits in der Leistungsbeschreibung berücksichtigt sind, haben hierbei außer Betracht zu bleiben.”

    Leistungen nach Absatz 3, für die also die Schwierigkeit des Krankheitsfalles nicht als Begründung für einen höheren Multiplikator zulässig ist, sind die Leistungen der Abschnitte A (kleiner Gebührenrahmen), E (Physikalische Medizin) und O (Röntgen). Im Paragraphentext fehlt der Abschnitt M (Labor), aber dem Sinn der Regelung nach gehört er dazu. Damit sind vor allem Grundleistungen (Abschnitt B der GOÄ) mit der Schwierigkeit des Krankheitsfalles als Begründung steigerbar. “In der Leistungsbeschreibung berücksichtigt” ist zum Beispiel bei der Nr. 26 ( Früherkennungsuntersuchung beim Kind) die erhöhte Schwierigkeit bei der Untersuchung eines Kindes. Hier können Sie diese nicht als Begründung für einen höheren Multiplikator heranziehen.

    Wie muß die Begründung beschaffen sein?

    Nach Paragraph 12 Absatz 3 GOÄ muß die Begründung in der Rechnung aufgeführt werden und “ auf die einzelne Leistung bezogen für den Zahlungspflichtigen verständlich und nachvollziehbar” sein. Nur “ auf Verlangen ist die Begründung näher zu erläutern”. Daraus ergibt sich, daß die Begründung keineswegs ausführlich sein muß, eine stichwortartige Begründung reicht. Sie muß nur eben “verständlich und nachvollziehbar” sein.

    “Nervt” die Beihilfestelle Ihren Patienten und Sie mit der Forderung nach ausführlicherer Begründung, so können Sie auf ein Urteil des Verwaltungsgerichtshofes Baden-Württemberg hinweisen: “ Nach dem Zweck der Pflicht zur schriftlichen Begründung sind keine bis ins Einzelne gehende Anforderungen zu stellen. Dies ist bereits daraus zu ersehen, daß die Begründung nur auf Verlangen des Patienten näher zu erläutern ist ... In diesem Sinne wird in der Regel eine stichwortartige Begründung genügen.” (Urteil vom 7. Juni 1994, Az. 4 S 166/91 ). Dabei führt das Gericht auch aus: “ Eine rechtlich vertretbare Auslegung der Gebührenordnung muß der Dienstherr gegen sich gelten lassen, wenn er auf seinen gegenteiligen Rechtsstandpunkt nicht vor Inanspruchnahme der Behandlung allgemein (zum Beispiel in Beihilfevorschriften, die Redaktion) oder im Einzelfall (zum Beispiel bei vorheriger Nachfrage des Patienten, die Redaktion) hingewiesen hat”. Dies ist gegenüber der Beihilfe ein sehr starkes Argument. Im Interesse Ihres Patienten sollten Sie ihn aber schon vorher darauf hinweisen, wenn Schwierigkeiten abzusehen sind.

    In der Rechnung können Sie die Begründung auch zusammenfassend am Schluß oder auf einem gesonderten Blatt aufführen. Dabei müssen Sie durch eine entsprechende Kennzeichnung der Leistungen und der dazugehörigen Begründung allerdings sicher-stellen, daß Ihr Patient dies auch nachvollziehen kann.

    Verzichten Sie auf schematische Begründungen!

    Genauso wenig, wie Sie den Höchstsatz der GOÄ “vergessen” sollten, dürfen Sie schematische Begründungen anführen. Wenige, oft wiederholte und dann noch gar von der EDV vorgegebene Begründungen lassen darauf schließen, daß Sie der Forderung des Paragraphen 5, wonach sich die Begründung auf den Einzelfall beziehen muß, nicht nachkommen, und provozieren geradezu den Widerspruch des Kostenträgers.

    Ein Schematismus ist aber auch dadurch gegeben, daß Sie ausschließlich die Schwellen- und Höchstwerte berechnen. Auf derselben Liquidation gibt es in der Regel auch Leistungen, deren Erbringung einfacher als durchschnittlich war. Rechnen Sie diese mit niedrigeren Multiplikatoren ab – zum Beispiel einmal eine i.m.-Spritze oder einen Verband mit dem 1,5- oder 1,7-fachen Satz! Damit beweisen Sie dem Patienten und auch dem Kostenträger, daß Sie sehr differenziert mit dem Multiplikator umgehen. Folglich wird dann in der Regel auch der höhere Multiplikator vom Patienten akzeptiert und es treten Schwierigkeiten mit dem Kostenträger kaum noch auf. Die finanziellen Auswirkungen sind zudem positiv, da die schwierigeren und mit einem höheren Steigerungssatz abgerechneten Leistungen in aller Regel in der GOÄ auch mit höheren Punktzahlen bewertet sind.

    Schaffen Sie sich ein möglichst breites Spektrum an Begründungen!

    Abhängig von der Art der erbrachten Leistungen sollten Sie sich ein möglichst breites Spektrum von Begründungen schaffen. Aus der Erfahrung vieler Ärzte und der Rechtsprechung heraus haben wir die folgende Übersicht erstellt, anhand derer Sie überprüfen können, ob Sie die Möglichkeiten, die der Steigerungsfaktor bietet, optimal anwenden. Dabei haben wir neben den “ guten” auch “ schlechte” Beispiele aufgeführt, um Ihnen Anhaltspunkte dafür zu geben, bei welchen Begründungen es Probleme geben könnte.

    1. “ Gute” Begründungsbeispiele

    -                          schwierige Differentialdiagnostik oder -therapie*

    -Schwere der Grunderkrankung, zum Beispiel Malignom, komplizierter Infarkt*

    -erschwerende Kombination verschiedener Erkrankungen, erschwerende Symptomenvielfalt, Multimorbidität*

    -                                               Erschwernis bei Begleiterkrankung*

    -besonderer Zeitaufwand (Vorsicht: Enthält eine Leistung eine Mindestdauer, zum Beispiel Nr. 3 mit mindestens 10 Minuten, so kann nur eine erhebliche Überschreitung der Mindestdauer von 50 Prozent oder mehr als Begründung herangezogen werden)

    _________________________________

    * Nicht zu Leistungen der Abschnitte A, E, M und O

    -Leistung am Wochenende oder bei Nacht (wenn nicht ohnehin bereits einer der “Unzeit-Zuschläge” A ff. abgerechnet werden kann). Gerade die “Unzeit-Zuschläge” verdeutlichen, daß bei anderen Leistungen, zu denen keiner dieser Zuschläge abgerechnet werden kann, die “Unzeit” als besondere Erschwernis gilt. Außerdem entspricht es der allgemeinen Lebenserfahrung, daß Leistungen zur Unzeit eine höhere Vergütung erfordern.

    -besonderer Umfang der Leistung. Bei Leistungen, deren Bewertung auf einen bestimmten Umfang abgestimmt ist, kann eine erhebliche Überschreitung als Begründung verwendet werden, zum Beispiel bei einer symptombezogenen Untersuchung (Nr. 5) in mehreren Organgebieten.

    - besonderer Umfang bei Leistungen mit Höchstwerten (zum Beispiel kann bei einer Sonographie von sechs oder mehr Organen die nur dreimal abrechenbare Nr. 420 höher gesteigert werden)

    - schwierige Leistung bei akuten Schmerzen

    - Verständigung in einer Fremdsprache oder erschwerte Verständigung in deutscher Sprache (zum Beispiel bei Aphasie)

    - mangelnde Kooperation des Patienten (zum Beispiel bei Unruhe)

    - aufwendige Untersuchung bei technischer Modifikation

    - aufwendige Untersuchung bei schwieriger Lagerung oder starker Luftüberlagerung bei Sonographie

    - Säugling, Kleinkind (wenn nicht eine spezifische Leistung oder einer der Kinderzuschläge K1 oder K2 abgerechnet werden kann)

    - Adipositas p.m.

    - schlechte Venenverhältnisse

    - instabiler Kreislauf

    - insuffiziente Atmung

    - Leistung am Notfallort

    - Leistung unter schlechten häuslichen Bedingungen

    - hohe Dringlichkeit der Leistung (fehlende Zeit für nähere Untersuchung und Vorbereitung, kein Hilfspersonal, gesonderte Vorbereitung)

    - bei Laboruntersuchung: aufwendige Probenvorbereitung, beispielsweise bei geringer Probenmenge oder hohem Fettgehalt

    - bei Laboruntersuchung: Cito-Ausführung

    - bei Operationen: ungewöhnliche anatomische Verhältnisse, ausgedehnte Verwachsungen, ungewöhnlich starke Blutung

    2. “ Schlechte” Begründungsbeispiele

    Folgende Begründungen führen immer wieder zu Widersprüchen oder sind unzulässig:

    • “hoher Zeitaufwand” ohne kurze nähere Begründung (“ ... wegen ...” oder “ ... bei ....”)
    • hohe Geräte- oder Praxiskosten
    • Unterbrechung der Leistung
    • besondere fachliche Qualifikation (“Koryphäenzuschlag”)
    • örtliche Verhältnisse
    • Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Patienten
    • subjektive Erschwernisse

    Quelle: Abrechnung aktuell - Ausgabe 05/1997, Seite 7

    Quelle: Seite 7 | ID 99597